Katja Lembke, eine "seltene Pflanze" in der Museums-Branche
Das Schicksal des Niedersächsischen Landesmuseums Hannover liegt seit elf Jahren in den Händen von Katja Lembke. Ein Porträt.
In der Kulturbranche gibt es immer noch deutlich weniger Frauen als Männer in Führungspositionen. Hannover jedoch geht mit gutem Beispiel voran und zeigt, dass es auch anders geht: Immerhin leitet etwa die gebürtige Amerikanerin und Dramaturgin Laura Berman die Staatsoper. Mit Sonja Anders hat ebenfalls eine versierte Dramaturgin mit Hamburger Wurzeln die Intendanz am Staatstheater übernommen.
Das Schicksal des Niedersächsischen Landesmuseums Hannover liegt seit elf Jahren in den sicheren Händen der Ägyptologin Katja Lembke. "Im Zentrum Niedersachsens sind wir schon sehr gut vertreten", resümiert Lembke mit Blick auf andere große Städte im Norden. Ihrem Eindruck nach haben Frauen in vielen Bereichen gleichgezogen. Aber sie komme aus einer Generation, in der man sich noch habe entscheiden müssen: Familie oder Karriere. Frauen, die jetzt wie sie mit Anfang, Mitte 50 in Führungspositionen arbeiten würden, hätten das damals oft getan.
Katja Lembke, eine "seltene Pflanze" in der Museums-Branche
Lembke selbst bezeichnet sich schmunzelnd als eine "seltene Pflanze" in ihrer Branche. Sie erzählt offen, zugewandt und sehr präsent, dass sie und ihr Mann sich in ihrem kompletten Berufsleben immer abgewechselt haben. Egal ob sie gerade im Ägyptischen Museum in Berlin volontierte - oder er später eine Stelle in Damaskus antrat: Lange vor dem Bürgerkrieg - ein richtiges Abenteuer für die gesamte Familie.
"Irgendwann war es dann soweit, dass die Kinder groß genug waren, sodass wir dann auch Führungspositionen annehmen konnten", erinnert sich Lembke rückblickend. Sie räumt jedoch ein, dass sie dabei ungeheuer viel Glück gehabt habe - gerade weil sie stets auf eine gute Kinderbetreuung zurückgreifen konnte. Egal ob es eben ein passender Hort vor der Haustür oder wie in Syrien ein Kindermädchen war. Zwar habe das immer einen gewissen Verzicht für ihren Mann oder sie selbst bedeutet: "Aber ich glaube, das ist die Familie auch wert!"
Viele Stunden für einen durchschnittlichen Arbeitstag
Bei Lembkes beeindruckendem Lebenslauf muss man schon beinahe die Lupe anlegen, um den von ihr angesprochenen Verzicht überhaupt zu bemerken. Vielmehr stechen nach Studium und Promotion in Heidelberg ein Reisestipendium des Deutschen Archäologischen Instituts und prestigereiche Grabungsprojekte in Ägypten und Syrien hervor. Bereits 2005 übernahm sie das Roemer- und Pelizaeus-Museum Hildesheim, bevor sie 2011 in die niedersächsische Landeshaupt kam. Seit 2015 ist Lembke außerdem Honorarprofessorin für klassische Archäologie in Göttingen.
Man fragt sich dabei schon, wie viele Stunden ihr durchschnittlicher Arbeitstag hat. Dass sie sich all ihren Aufgaben sehr fokussiert widmet, danach bleibt nach einem Gespräch mit ihr kein Zweifel. Vielleicht hat sie es auch wegen ihrer Präsenz nicht nötig, einen vermeintlich männlichen Habitus zu imitieren, wie man es gelegentlich bei Frauen in Führungspositionen beobachten kann. Lembke hingegen ist fast beiläufig top gestyled, trägt eine moderne Kurzhaarfrisur, setzt bei ihrer Kleiderwahl auf knallige Farben und auffällige Accessoires.
Mit gutem Beispiel voran
Trotzdem müsse sich in der Gesellschaft noch einiges verändern, wenn man Frauen gleiche Karrierechancen ermöglichen möchte, findet die Museumsdirektorin. Wenn sie an ihr eigenes Umfeld denke, falle ihr besonders auf, dass der Karrierestart für junge, promovierte Frauen an den Universitäten deutlich schwerer sei: "Gerade in der ersten Zeit der Karriere, bis man eine Professur ergattert hat, sind die Hürden sehr hoch. Das ist eben die Zeit, in der man normalerweise eine Familie gründet", so ihre Beobachtung.
Ganz anders sei das in ihrem eigenen Haus - im öffentlichen Dienst jenseits der Universitäten mit unbefristeten Stellen: "Wir können fast einen eigenen Kindergarten am Landesmuseum aufmachen, weil sich die Frauen hier sicher fühlen." Für sie selbst ein erstrebenswertes Szenario: Akademischer Grad, Familie und Beruf - das sei möglich, wenn man die Anforderungen entsprechend formuliere. Vielleicht ist sie dabei auch eine Art Vorbild für ihre Belegschaft. Lembke selbst geht schließlich mit gutem Beispiel voran.
Aufräumen von Klischees
Grundsätzlich sollte sich die Gesellschaft fragen, ob man sich das leisten wolle, das besonders hochqualifizierte Frauen keine Familien haben. Wenn man nicht mehr 40 Prozent kinderlose Akademikerinnen haben wolle, dann müsse das Bildungsministerium an die Strukturen ran. Aber auch Frauen selbst könnten noch aktiver werden, reflektiert Lembke. So gebe es weiterhin keine rein weiblichen Netzwerke: "Da sind wir lange nicht so gut, wie die Männer." Gerade in Hannover schätze sie jedoch das sehr gute Miteinander mit den Kolleginnen an der Staatsoper und an der Theaterbühne. Neben dem guten Austausch stehe auch stets im Fokus, wie man inhaltlich miteinander kooperieren könne.
Lembke selbst kann in diesem Zuge auch gleich mit einigen Klischees von vermeintlich von Männern dominierten Branchen aufräumen. Sie leitet selbst eine Grabung in Ägypten und berichtet, dass bis auf wenige Ausnahmen fast nur Frauen in ihrem Team seien. Und das laufe hervorragend, auf ägyptischer Seite gebe es damit seit Jahrzehnten überhaupt keine Probleme. "Ich glaube, das Problem lag eher auf deutscher Seite, dass man das nicht zugelassen hat: Frauen die graben, die im Dreck wühlen, den Sand wegschaufeln." Dinge eben, die nicht als besonders weiblich konnotiert sind.
Positive Themen gegen aktuelle Sorgen
Doch die weibliche Perspektive sei wichtig - auch für die Wissenschaft und die Forschung. Frauen bringen nach Lembkes Meinung einen anderen Blick auf Themen mit, eine Art soziale Brille, die sich eben auch in Ausstellungen und Themen niederschlage. Sie selbst hat vor etwas mehr als einer Dekade die spannende Herausforderungen angenommen, aus einem Mehrspartenhaus ein Welten-Museum zu entwickeln. Etwas mehr Struktur in den "Gemischtwarenladen" zu bringen, in dem unten Fische lebten und oben die "hohe Kunst" auf die Besucherinnen und Besucher wartete. Der Erfolg der Neustrukturierung gibt ihr Recht: das Haus verzeichnet zunehmende Besucherzahlen, was Lembke recht bescheiden ins Feld führt.
Nur ein Punkt mache ihr aktuell Sorgen, die hohen Kosten, die auf die gesamte Gesellschaft und damit auch die Kultureinrichtungen zukommen. Thematisch möchte Lembke mit bewusst positiven Themen Akzente dagegensetzen. Etwa mit lichtdurchfluteten Bildern deutscher Impressionisten. Oder einer kommenden Ausstellung, die sich auf die Spuren von Malern begeben wird, die sich zu Fuß, per Pferd oder Kutsche gen Süden, nach Italien aufgemacht haben. Große Herausforderungen also - auch für Katja Lembke und ihr Haus. Ein ägyptisches Sprichwort besagt passenderweise: "Über eine niedrige Mauer kann jeder springen."