Erinnerungskultur als Wahlkampfthema: Wie sehen das die Parteien?
In der NDR Kultur-Serie "Wahlprogramme im Kultur-Check" geht es um die Aufarbeitung unterschiedlicher historischer Epochen. Diese ist in der deutschen Erinnerungskultur ein zentraler Baustein - aber wie gewichten die Parteien diesen Umgang?
"Ich verweise da auf das Interview von Alice Weidel mit Elon Musk", sagt Stefan Seidler vom SSW, "wo sie irgendwelchen Stuss erzählt, dass Hitler ein linker Sozialist war. Also wir brauchen diese Erinnerungskultur." Erhard Grundl von den Grünen meint: "Bei einem erstarkenden Nationalismus oder Demokratiefeindlichkeit ist die Kultur Kampffeld. Das muss uns gewahr sein. Die Erinnerungskultur steht voll im Feuer, im blauen der Flamme, da dürfen wir keine Sekunde die Aufmerksamkeit wegdriften lassen."
Für beide Politiker ist Erinnerungskultur ist ein streitbares Thema. Auch für Götz Frömming von der AfD: "Hier sehen wir in der letzten Zeit, ich drücke es mal vorsichtig aus, gewisse Politisierungen und Einseitigkeiten, die bei vielen Menschen zu einem Befremden führen und das ist letztlich nicht im Sinne der Erinnerungskultur."
Erinnerungskultur - für fast alle Parteien selbstverständlich
Dass wir als Gesellschaft eine Erinnerungskultur brauchen, ist für fast alle Parteien selbstverständlich. Dabei spielt das Gedenken an die zwei deutschen Diktaturen in nahezu allen Wahlprogrammen die zentrale Rolle. Die Grünen wollen Gedenkorte pflegen und mit ausreichenden Mitteln ausstatten.
Und während beispielsweise die FDP für den Schulunterricht verpflichtende Besuche an Holocaust- und DDR-Gedenkstätten fordert, will die AfD ein Umdenken in Schule und Gesellschaft: Die deutsche Erinnerungskultur solle "sich nicht nur auf die Tiefpunkte konzentrieren, sondern auch die Höhepunkte im Blick haben. Sie wende sich gegen die zunehmend aggressiven Versuche einer ideologisch geprägten, moralisierenden Umdeutung der Geschichte".
Aufarbeitung der SED-Diktatur und der deutschen Kolonialgeschichte
Wenn es um die Aufarbeitung der SED-Diktatur geht, ist die AfD dann aber einer Meinung mit beispielsweise den Grünen: Die Errichtung eines Mahnmals für die Opfer der kommunistischen Gewaltherrschaft fordern beide. Auch SPD und CDU wollen die Aufarbeitung des SED-Regimes vorantreiben. Die Linke erwähnt diesbezüglich keine Pläne.
Sich mit der deutschen Kolonialgeschichte zu beschäftigen, sehen alle Parteien als wichtig an - auch die Erforschung der Provenienz von Kunstwerken in deutschen Museen. Die Konsequenzen daraus fallen dann aber unterschiedlich aus.
Die AfD wehrt sich gegen eine "Schleifung von Denkmälern und Umbenennung von Straßen". "Es ist eine bestimmte linke, fast schon linksextreme Denkrichtung, die sich von den USA ausgehend auch bei uns ausgebreitet hat", sagt Götz Frömming von der AfD. "Die post-colonial studies verfolgen einen ganz bestimmten Ansatz, der mit einer objektiven Geschichtsbetrachtung und einem nüchternen Umgang mit unserer Geschichte nichts mehr zu tun hat, sondern der letztlich ein politischer Kampfbegriff ist."
Thema Rückgabe von Raubkunst
Für Götz Frömming ist auch die Rückgabe von Raubkunst aus der Kolonialzeit keine Pflicht. Manche dieser Kunstwerke seien Weltkulturerbe und dementsprechend vielleicht in Deutschland besser aufgehoben, so sagt er. Christiane Schenderlein von der CDU verweist auf bestehende Regeln zur Rückgabe - gleichzeitig gilt auch für ihre Partei: "Wir stehen nicht immer dafür, immer zu sagen: Die Rückgabe ist jetzt das Allheilmittel von allem."
Thomas Hacker von der FDP hebt hier die Rolle der Internationalen Museumsagentur hervor, die im Auftrag der Bundesregierung Kooperationen ermöglicht: "Wichtig ist den Ländern, das Eigentum zurückzuerhalten. Die meisten Länder sagen, 'wir sind froh und dankbar, wenn in deutschen Museen die Kunst auch weiterhin zu sehen ist'. Deswegen haben wir für viele Benin-Bronzen auch langfristige Verträge. Weil das auch eine Werbung für unsere Kultur, für unser Land ist. Da ist auch ein Maß an Zusammenarbeit drin, da darf man nicht alles schwarz und weiß sehen. Und wo immer es möglich ist, müssen auch Rückgaben erfolgen."
Forderung nach Restitutionsgesetz
Für Erhard Grundl von den Grünen müssen dafür aber auch politisch die Voraussetzungen geschaffen werden: "Wir bräuchten unbedingt ein klares Restitutionsgesetz. Aber um das zu haben, brauchen wir auch gute Provenienzforschung und da fehlt es in vielen Bundesländern. Da braucht es einfach Mittel, da dürfen Stellen nicht einfach wegfallen oder müssen auf jeden Fall nachbesetzt werden, man muss gucken, dass das Wissen erhalten bleibt."
Erinnerung an zwei deutsche Diktaturen, Kolonialgeschichte: Diese Themen stehen bei allen Parteien auf der Agenda. Und dann gibt es noch weitere Themen, die von einzelnen Parteien betont werden: Die Grünen führen als einzige explizit die Aufarbeitung von Antiziganismus und die Erinnerungskultur der Einwanderungsgesellschaft als Themen der Zukunft an. Die Geschichte der Heimatvertriebenen wird bei CDU, SPD und AfD im Programm erwähnt. Und der SSW fordert eine Aufarbeitung der Kolonialgeschichte in der deutsch-dänischen Grenzregion.
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