Eine Schauspielerin steht im Scheinwerferlicht auf einer Bühne. Hinter ihr steht eine weitere Darstellerin hinter einem durchsichtigen Vorhang. © NDR Foto: Svenja Estner
Eine Schauspielerin steht im Scheinwerferlicht auf einer Bühne. Hinter ihr steht eine weitere Darstellerin hinter einem durchsichtigen Vorhang. © NDR Foto: Svenja Estner
Eine Schauspielerin steht im Scheinwerferlicht auf einer Bühne. Hinter ihr steht eine weitere Darstellerin hinter einem durchsichtigen Vorhang. © NDR Foto: Svenja Estner
AUDIO: "Durch das Schweigen" verknüpft Holocaust-Erbe mit Nahost-Gegenwart (4 Min)

"Durch das Schweigen" verknüpft Holocaust-Erbe mit Nahost-Gegenwart

Stand: 16.04.2025 17:38 Uhr

Im Celler Schlosstheater verbindet das Stück "Durch das Schweigen" zwei Zeiten: Ein Auffanglager nach dem Zweiten Weltkrieg und die Gegenwart, geprägt durch das schwierige Verhältnis zwischen Israelis und Palästinensern.

von Svenja Estner

Historischer Ausgangspunkt ist eine Gruppe junger Theaterkünstler, die sich im Displaced Person Camp zu einer Theatergruppe zusammenschließen. Sie hoffen, künftig sicher und friedlich in Israel leben zu können. Daher bereiten sich alle auf die Auswanderung vor. Darunter ist auch die junge Helena. Sie wird später in Israel eine Tochter bekommen, Lilli. 65 Jahre später, in der zweiten Handlungsebene, trifft sich die erwachsene Lilli rein freundschaftlich mit dem Palästinenser Nadim. Ihr wird bewusst, wie wenig sie eigentlich über ihre Mutter, über die eigene Familiengeschichte und über die von Nadim weiß. Denn anders als Lilli wird Nadim als Palästinenser am Flughafen in Israel penibel kontrolliert. 

"Zwei Stunden später durfte ich dann passieren, aber mein Flugzeug war schon abgehoben. Mir wurde klar, dass ich meine Zeit im Duty-Free-Shop verschwenden konnte".  Zitat aus "Durch das Schweigen"

Die Israelin Lilli ist Schriftstellerin und fasst daher den Entschluss, ein Buch über ihre Freundschaft mit Nadim zu schreiben. Nadim wird von Khalifa Natour gespielt. Er ist Palästinenser mit einem israelischen Pass und kann das komplizierte Leben seiner Figur verstehen: "Ich habe dieselben Probleme: Ich kann alle Frauen der Welt heiraten, nur keine Palästinenserin, weil sie dann mit mir zusammen wie eine Staatsbürgerin in Israel leben würde - und das möchte die Regierung nicht." 

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Auf der Suche nach einem "winzigen Spalt zwischen verhärteten Fronten" 

Lilli wird von der Israelin Bahat Calatchi gespielt. Sie ist immer noch geschockt vom Angriff der Hamas auf Israel im Oktober 2023: "Ich versuche, einen winzigen Spalt zwischen den verhärteten Fronten dieser Situation zu finden. Für Palästinenser ist das sicher noch viel schwieriger. Aber weil wir diese Produktion machen, hoffe ich, damit zumindest eine kleine Veränderung anstoßen zu können."

Verständnis füreinander aufzubauen, ist der Kern des Projekts, sagt der Intendant des Theaters Andreas Döring: "Ich spreche hoffentlich für alle Beteiligten, wenn ich sage: Es geht erstmal darum, Perspektiven anzuhören, sie zu verstehen - und sie dann nicht gegeneinander auszuspielen oder in Vergleich zu setzen."

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Versöhnung als Schlüssel - damals wie heute 

Im Stück trennen sich die Wege von Lilli und Nadim, als die Israelin einen palästinensischen Checkpoint nicht passieren darf. Kurz vor dem Finale des Stücks öffnen die Schauspielenden die Fenster im Theatersaal und lotsen alle Zuschauer runter in ein Zelt im Theaterhof. Wir sind wieder in der Vergangenheit: Die Camp-Bewohner dürfen endlich nach Israel ausreisen. Doch dann spricht Helena, die Mutter von Lilli, in einer Parabel über das schwierige Verhältnis zwischen Israelis und Palästinensern - die in einem Land leben, aber dennoch so zerrissen sind. Sie ruft dazu auf, einander zu vergeben, damit Versöhnung stattfinden kann. Versöhnung, die auch im Nachkriegsdeutschland eines der zentralen Themen war. 

Lachen trotz Schmerz

Damit endet die Aufführung. Das Publikum spendet tosenden Applaus, stehende Ovationen und Fußgetrampel. Das rund dreistündige Stück ist aufgrund des sehr kontrovers diskutierten Themas keine leichte Kost. Aber die teils mit viel Situationskomik erzählten Geschichten von Nadim machen den Stoff trotz des harten Themas gut verdaulich. Das finden auch viele im Publikum. "Es ist einfach ein Ausdruck für die Hoffnung, dass man mit Humor und Weisheit die schlimmsten Situationen überleben kann", beschreibt eine Zuschauerin ihre Eindrücke.

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"Durch das Schweigen" verknüpft Holocaust-Erbe mit Nahost-Gegenwart

Das Theaterstück im Schlosstheater Celle spielt in einem Auffanglager nach dem Zweiten Weltkrieg und in der Gegenwart.

Art:
Bühne
Datum:
Ort:
Schlosstheater Celle
Schlossplatz 1
29221 Celle
Telefon:
05141 90508-75/76
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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Journal | 16.04.2025 | 17:45 Uhr

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