Opfer der SED-Diktatur: Ampel streitet um neuen Gesetzentwurf
Ein Gesetzentwurf des Bundesjustizministeriums zur Anerkennung von Gesundheitsschäden bei Opfern staatlicher Willkür in der DDR erntet scharfe Kritik. Die SED-Opferbeauftragte beim Bundestag spricht von Wortbruch.
Sie saßen zu DDR-Zeiten aus politischen Gründen in Haft oder wurden Opfer des staatlich verordneten Dopings im "Arbeiter- und Bauernstaat". Viele Menschen wurden krank und leiden oft noch heute unter den psychischen und körperlichen Folgen. Seit vielen Jahren hoffen tausende dieser Opfer der SED-Diktatur auf eine staatliche Anerkennung ihrer Gesundheitsschäden, um unkompliziert medizinische Hilfe und Unterstützung zu erhalten. Das Problem bisher ist, dass das Anerkennungsverfahren dermaßen langwierig und kompliziert ist, dass viele Betroffene irgendwann schlichtweg aufgeben.
Justizministerium plant keine Erleichterungen
Die Ampelkoalition hatte eine Vereinfachung des Prozesses sogar in ihrem Koalitionsvertrag festgeschrieben. Doch jetzt ist von Wortbruch die Rede - und die Bundesregierung hat ein neues Streitthema. Stein des Anstoßes ist ein Gesetzentwurf des Bundesjustizministeriums, in dem Verbesserungen bei der Frage der Anerkennung von Gesundheitsschäden nicht vorgesehen sind. Das FDP-geführte Ministerium hat dem NDR bestätigt, dass es da zunächst keine weiteren Pläne in diese Richtung gebe und man erst einmal die Lage weiter beobachten wolle.
Opferbeauftragte sieht Hoffnungen enttäuscht
Die SED-Opferbeauftragte beim Bundestag, Evelyn Zupke, zeigt sich davon enttäuscht. Mit dem Koalitionsvertrag seien den Betroffenen Erleichterungen bei der Anerkennung ihrer Gesundheitsschäden versprochen worden. "Dass das Bundesjustizministerium nun erklärt, dass die bestehenden Regelungen, die 2019 vom Bundestag beschlossen wurden, etwaigen Schwierigkeiten bereits angemessen Rechnung tragen, geht an der Realität vorbei und wird von den Opfern als Wortbruch verstanden" , meint Zupke.
Kritik von der SPD am Justizministerium
Der Gesetzentwurf des Justizministeriums führt auch zu Ärger bei den Koalitionspartnern. Die SPD bezeichnet den Gesetzentwurf als ungenügend, die rechtspolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion, Sonja Eichwede, schreibt dem NDR, dass der Entwurf hinter den Vereinbarungen aus dem Koalitionsvertrag zurückbleibe: "Uns fehlen Regelungen für die Anerkennung der gesundheitlichen Folgeschäden von politischer Verfolgung, das Zweitantragsrecht, vereinfachte Regelungen für den kausalen Zusammenhang zwischen Verfolgung und den Gesundheitsschäden sowie die Erweiterung von Opfergruppen", so Eichwede.
Bundesjustizministerium verteidigt Entwurf
Das Ministerium von Marco Buschmann betont dagegen, dass auch der jetzt vorgelegte Gesetzesentwurf das Ziel habe, die wirtschaftliche Lage der Opfer von Verfolgung in der DDR deutlich zu verbessern. Dazu gehöre die Einrichtung eines bundesweiten Härtefallfonds oder die Dynamisierung der sogenannten Opferrente. In einigen Punkten gehe der Entwurf sogar über die Ziele des Koalitionsvertrages hinaus, so eine Sprecherin des Ministeriums - trotz der schwierigen Haushaltslage. Was die Gesundheitsschäden angehe, da wolle man erst einmal keine Sonderregelungen für einzelne Personengruppen schaffen und abwarten, ob die gerade erst in Kraft getretene Regelung zum Sozialen Entschädigungsrechts hier zu einer Verbesserung führen könnte.
SPD und Grüne fordern Nachbesserungen
In der SPD-Bundestagsfraktion regt sich Widerstand: hier will man in den anstehenden Gesetzesverhandlungen deutlich machen, dass der Entwurf nicht ausreiche. Die Opfer der SED-Diktatur hätten gegen ein autoritäres Regime und für Demokratie gekämpft und verdienten dafür mehr Anerkennung und Respekt. Die Grünen in Bundestag setzen darauf, dass das Ministerium den Gesetzentwurf noch einmal nachbessert, man sei zuversichtlich, dass im weiteren parlamentarischen Verfahren Verbesserungen im Sinne der Betroffenen erreichbar seien. Bis zum 21. Juni können Bundesländer und Opferverbände zu dem Gesetzentwurf Stellung nehmen, dann werde geprüft, ob es einen Änderungsbedarf gebe, so das Bundesjustizministerium.