DDR-Sportgeschädigte kämpfen um dauerhafte Unterstützung
Viele ehemalige DDR-Sportlerinnen und -Sportler hatten bereits einen langen Weg hinter sich, bevor sie als Opfer anerkannt wurden. Sie blicken nun mit Sorge auf eine kommende Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, die alles in Frage stellen könnte.
Ab 1976 trainiert Thomas Götze mit damals 15 Jahren beim SC Einheit Dresden in der Disziplin Hammerwurf: "Als wir Krafttraining gemacht haben und es dann diese sogenannten Vitamine gab, das war schon hart. Da wurde nach Tonnenumsatz gerechnet und da haben wir schon mal am Tag bis zu eineinhalb Kilogramm Körpermasse verloren." Drei Jahre hartes Training haben für Thomas Götze bis heute Folgen: Kaputte Knie, Gelenke und Knorpel - sein gesamtes Skelett ist nachhaltig geschädigt. Thomas Götze musste sich deshalb zahlreichen Operationen unterziehen und ist bis heute in Schmerztherapie. Ein Gutachten bestätigt ihm 2014: Seine körperlichen Leiden sind Folgeschäden des harten Trainings und der Dopingmittel. Dass er die und nicht nur Vitamine bekam, hätte er sonst nicht beweisen können.
Anerkennung als Opfer der SED-Diktatur
Dieses Gutachten ist eine von vielen Voraussetzungen, die er erbringen musste, um als DDR-Dopingopfer anerkannt zu werden. Als solches hat Thomas Götze über das Dopingopferhilfegesetz eine einmalige Entschädigung von 10.500 Euro bekommen. Doch das ist mittlerweile ausgelaufen. 1.600 ehemalige Sportlerinnen und Sportler haben die Entschädigung bekommen – für viele aber ist es nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Auch Thomas Götze bräuchte eine dauerhafte finanzielle Unterstützung. Das wiederum setzt nun eine verwaltungsrechtliche Rehabilitierung über das SED-Unrechtsbereinigungsgesetz voraus. In diesem Gesetz sind DDR-Sportgeschädigte aber nicht explizit als Opfergruppe benannt. Deshalb müssen sie selbst beweisen, dass sie durch das DDR-Sportsystem instrumentalisiert und unfreiwillig Opfer des Staatsdopings geworden sind. Für viele ein langer, oft zu langer Weg.
Grundsatzurteil des Bundesverwaltungsgerichtes erwartet
Ob DDR-Sportgeschädigte künftig überhaupt noch über dieses SED-Unrechtsbereinigungsgesetz als solche anerkannt werden können, ist derzeit unklar. Die Bundesländer hatten bisher unterschiedlich entschieden. Nach einem für DDR-Sportgeschädigte positiven Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald im Jahr 2020 kam das Verwaltungsgericht Potsdam im April 2023 zu einem anderen Schluss. Es sah den zweiten Absatz von §1 des Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes (VwRehaG) nicht erfüllt. So könne die Klägerin als ehemalige Sportlerin nicht verwaltungsrechtlich rehabilitiert werden, weil das Staatsdoping "nicht der politischen Verfolgung gedient oder Willkürakte im Einzelfall dargestellt habe".
Am 27. März soll nun das Bundesverwaltungsgericht grundsätzlich über diese Frage entscheiden. Aus Sicht des Landesbeauftragten für die Aufarbeitung der SED-Diktatur in Mecklenburg-Vorpommern, Burkhard Bley, steht mit dieser Entscheidung viel auf dem Spiel: "Wenn das Gericht gegen die DDR-Sportgeschädigten entscheidet, hätten sie überhaupt keine Möglichkeiten mehr." Laut Bley müsste dann der Bundesgesetzgeber handeln und die DDR-Sportgeschädigten zum Beispiel explizit als Opfergruppe in das Gesetz aufnehmen.
Ähnliche Regelung wie bei Soldaten mit psychischen Schäden
Die SED-Opferbeauftragte des Bundes, Evelyn Zupke, geht noch einen Schritt weiter: Sie fordert, dass alle Opfer der SED-Diktatur künftig nicht mehr selbst den ursächlichen Zusammenhang zwischen der politisch motivierten Verfolgung und der heutigen gesundheitlichen Schädigung nachweisen müssen: "Beim Vorliegen des Nachweises der erlebten Repression, wie politische Haft und dem Vorliegen definierter Krankheitsbilder, sollte zukünftig der Zusammenhang regelhaft vermutet werden." Eine solche Vermutungsregelung habe sich bereits im Umgang mit Soldatinnen und Soldaten bewährt, die infolge von Auslandseinsätzen psychische Schädigungen erlitten haben, so Zupke.
Versorgungsämter sperren sich gegen Entschädigungszahlungen
Im Büro von Burkhard Bley werden derzeit 338 ehemalige DDR-Athletinnen und Athleten betreut. Seit 2020 haben 64 von ihnen eine verwaltungsrechtliche Rehabilitierung beantragt, 43 Fälle waren erfolgreich. So eine rechtliche Anerkennung ist Voraussetzung dafür, dass die Sportgeschädigten überhaupt finanzielle Leistungen von den Versorgungsämtern bekommen. Doch die Ämter bewilligen das selten. Bei 39 Betroffenen in der Zuständigkeit Mecklenburg-Vorpommerns wurde bisher vom zuständigen Versorgungsamt Schwerin lediglich in einem Fall eine finanzielle Leistung in Form einer Grundrente bewilligt. Trotz des medizinischen Gutachtens wartet Thomas Götze seit mehr als einem Jahr auf seinen Bescheid: "Ich habe das Gefühl, die sitzen das jetzt aus und warten erstmal die Gerichtsentscheidung ab. Und was dann überhaupt passiert, weiß niemand." Thomas Götze hofft nun auf eine positive Entscheidung des Gerichtes - denn ihm und vielen anderen läuft die Zeit davon.