Rechtsextreme demonstrieren mit Fahnen in den Farben Schwarz, Rot und Weiß in einer Fußgängerzone. (Themenbild) © picture alliance Foto: Jochen Tack
Rechtsextreme demonstrieren mit Fahnen in den Farben Schwarz, Rot und Weiß in einer Fußgängerzone. (Themenbild) © picture alliance Foto: Jochen Tack
Rechtsextreme demonstrieren mit Fahnen in den Farben Schwarz, Rot und Weiß in einer Fußgängerzone. (Themenbild) © picture alliance Foto: Jochen Tack
AUDIO: Lobbi MV: Zahl rechter Angriffe deutlich gestiegen (2 Min)

Lobbi MV: Zahl rechter Angriffe deutlich gestiegen

Stand: 04.04.2025 14:10 Uhr

Rechte Gewalt hat in Mecklenburg-Vorpommern im Jahr 2024 mit 150 Fällen einen Höchststand erreicht. Ein häufiges Motiv war Rassismus. Besonders betroffen waren Kinder und Jugendliche sowie Engagierte gegen rechts.

Die Beratungsstelle für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt in Mecklenburg-Vorpommern ("Lobbi") hat für das vergangene Jahr 150 rechtsmotivierte Angriffe dokumentiert. Dies sei im Vergleich zum Vorjahr (113 Angriffe) abermals ein deutlicher Anstieg und die höchste Zahl seit Beginn des Monitorings des Vereins im Jahr 2003, teilte der Verein "Lobbi" am Freitag in Neubrandenburg mit. Insgesamt waren laut "Lobbi" 211 Menschen von den Attacken betroffen, darunter fast ein Drittel Kinder und Jugendliche (2024: 32,2 Prozent; 2023: 29 Prozent).

Attacken meist einfache und gefährliche Körperverletzungen

Bei den meisten Angriffen handelte es sich den Angaben zufolge um einfache (2024: 61; 2023: 52) und gefährliche Körperverletzungen (2024: 35; 2023: 28). Zwei Angriffe wurden als eine versuchte Tötung bzw. schwere Körperverletzung erfasst. Nötigungen oder Bedrohungen wurden 34 Mal (2023: 27) dokumentiert. Zielgerichtete Sachbeschädigungen erfasst der Verein nach eigenen Angaben als Angriff, "wenn der Schaden ein massives Ausmaß erreicht oder es zu wiederholten Attacken mit einer gewissen Vehemenz und Folgen für die Betroffenen kommt". Dies sei im vergangenen Jahr 12 Mal (2023: 4) der Fall gewesen. Es gab drei Brandstiftungen.

Rassismus häufig Hauptmotiv für Gewalttaten

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Hauptmotiv der Angriffe sei erneut Rassismus (2024: 81 Angriffe; 2023: 68), hieß es. Bahnhöfe und Haltestellen seien insbesondere für von Rassismus Betroffene gefährliche Orte. Bereits vor fünf Jahren habe der Verein vor einer gefährlichen Gewöhnung an rassistische Gewalt gewarnt. Für die Betroffenen seien die Angriffe oft nur die Spitze des Eisbergs. Fast alle berichteten von alltäglichen Anfeindungen, Beleidigungen und Diskriminierungen, für viele sei der Alltag ein Spießrutenlauf. Beispielsweise wurde am 18. Juni 2024 in der Schweriner Innenstadt ein Mann von einem Unbekannten rassistisch beleidigt und mit einem Teleskopschlagstock bedroht. Durch das Eingreifen von Passanten sei Schlimmeres verhindert worden, so "Lobbi".

Rechte Täter immer selbstbewusster

Die Zahl der Attacken gegen vermeintliche politische Gegnerinnen und Gegner der Rechten habe sich im vergangenen Jahr mit 40 fast verdoppelt (2023: 22), hieß es. Betroffen seien davon Angehörige von Parteien oder zivilgesellschaftlichen Bündnissen sowie engagierte Einzelpersonen gewesen. Hinzu kommen laut "Lobbi" zehn Angriffe gegen Nichtrechte. Dazu gehörten Bedrohungen sowie Angriffe auf Menschen, "die einfach nur menschenverachtenden Aussagen und Handlungen widersprochen haben", hieß es. Zudem gab es unter anderem zwei antisemitische Angriffe.

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Das zunehmende Dominanzgebaren neuer und alter extrem rechter Jugendgruppen im gesamten Bundesland sowie das zunehmende Selbstbewusstsein extrem rechter Täterinnen und Täter aus der vermeintlichen gesellschaftlichen Mitte spiele bei den Angriffen eine große Rolle und lasse auch zukünftig eine Zunahme der Angriffszahlen erwarten, erklärte "Lobbi".

Ebenfalls zehn Angriffe richteten sich den Angaben zufolge unmittelbar gegen Orte und Angehörige der LGBTQIA+-Community - also queere, trans-, inter- oder asexuelle Menschen - oder ihre Verbündeten. Sie seien erklärtes Feindbild der extremen Rechten, hieß es.

Lobbi MV bezeichnet Zustand "alarmierend"

Nicht weiß zu sein oder in der Öffentlichkeit nicht Deutsch zu sprechen, sei in Mecklenburg-Vorpommern ein Risiko, von Rechten angegriffen zu werden, sagte "Lobbi"-Pressesprecher Robert Schiedewitz. Sich für Menschenrechte einzusetzen und sich gegen rechte Hetze und für queere Sichtbarkeit zu engagieren, sei mit Abwägungen um die eigene Sicherheit verbunden. Das sei ein Zustand, der alarmieren sollte.

Deutlich mehr Attacken in Rostock

Wie in den vergangenen Jahren verteilen sich die Angriffe auf das gesamte Bundesland. Heraus stachen laut "Lobbi" wiederholt die Hansestadt Rostock mit einer Verdopplung der Angriffe (2024: 33; 2023: 16) sowie der Landkreis Vorpommern-Rügen mit dreimal so vielen Attacken wie im Vorjahr (2024: 22; 2023: 7). "Gewalt und Diskriminierung können ihre Wirkung erst richtig entfalten, wenn die Betroffenen durch Entsolidarisierungen und Verharmlosungen zusätzlich allein gelassen werden", sagte Robert Schiedewitz. "Sie bezahlen jetzt schon den Preis, den eine Politik der Zugeständnisse gegenüber extrem rechten Akteurinnen und Akteuren mit sich bringt." Ohne ein klares Bekenntnis zu einer offenen und pluralistischen Gesellschaft, das auch konsequente politische Bekämpfung rechter Gewalttäterinnen und -täter sowie ihrer Stichwortgebenden nach sich zieht, werde sich die Situation weiter verschärfen.

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Radio MV | Nachrichten aus Mecklenburg-Vorpommern | 04.04.2025 | 16:10 Uhr

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