Frauenhäuser in MV in Not: Steigender Bedarf, fehlende Mittel

Stand: 27.03.2025 06:08 Uhr

Die Zahl der Opfer häuslicher Gewalt in MV steigt - doch Hilfsangebote fehlen. Beratungsstellen sind unterfinanziert, Frauenhäuser überlastet. Ein neues Gesetz bringt Hoffnung, doch Hilfe bleibt schwierig.

von Thomas Köhler

5.349 Menschen waren 2023 in Mecklenburg-Vorpommern Opfer häuslicher Gewalt. Davon waren laut Statistik des Landeskriminalamtes 3.667 Frauen und Mädchen. Im Vergleich zu 2020 ist die Zahl der Fälle und Opfer damit um rund ein Viertel gestiegen. Die Dunkelziffer liege um ein Vielfaches höher, meint Christoph de Boor, Geschäftsführer der Diakonie Mecklenburgische Seenplatte. Die Diakonie unterhält in Waren die Beratungsstelle "Klara" für Opfer häuslicher Gewalt. Deren Leiterin Claudia Schwemer verweist auf wissenschaftliche Untersuchungen, die davon ausgehen, dass jede vierte Frau in ihrem Leben von häuslicher Gewalt betroffen ist. In Waren habe sich die Zahl hilfesuchender Frauen seit der Corona-Pandemie um 40 Prozent erhöht.

Netz der Beratungsstellen ist in MV nur dünn ausgeprägt

Eine akut steigende Tendenz für Frauen, die Beratungsstellen häuslicher Gewalt aufsuchen, weist die Statistik des Justizministeriums Mecklenburg-Vorpommerns nicht auf. Dort liegt die Zahl seit 2017 konstant um die 350 Frauen landesweit, die jährlich um Hilfe ersuchen. Das wundere sie gar nicht, sagt Claudia Schwemer. Wenn immer mehr Beratungsstellen schließen oder ihre Angebote reduzieren müssten, könne diese Statistik nicht aussagekräftig sein.

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Schwemer: "Von bedarfsgerechter Ausstattung meilenweit entfernt"

Außerdem weist Schwemer auf das Problem hin, dass es gerade für Frauen mit Kindern ein großes Problem sei, sich stundenlang in den Zug oder Bus zu setzen, um die nächste Beratungsstelle zu erreichen, falls die Verkehrsmittel überhaupt führen. Doch um die Beratungen auch in den Nachbarstädten anbieten zu können, fehle einfach das Geld. "Von einer bedarfsgerechten Ausstattung sind wir in MV meilenweit entfernt", kritisiert Schwemer und verweist auf die Istanbul-Konvention.

Trotz Istanbul-Konvention fehlt Geld für die Hilfe

Rechtskräftig ist diese sogenannte Istanbul Konvention, in der es um den Schutz der Frauen geht, in Deutschland seit 2018. Aber erst in diesem Jahr wurde ein Gesetz verabschiedet, das die Finanzierung der Gewalthilfe untersetzen soll. Dieses Gesetz wurde vom zuständigen Bundesministerium als historischer Schritt gefeiert. Ein Rechtsanspruch für Frauen, die Hilfe brauchen, tritt erst 2032 in Kraft. Das sind noch sieben Jahre, in denen der Bund diese Hilfe nicht auskömmlich finanzieren muss.

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Abweisungen wegen Platzmangel

"Wir tun, was wir können", sagt Michael Löffler, Sozialdezernent des Kreises Mecklenburgische Seenplatte und verweist zugleich darauf, dass im Haushalt des Kreises 2025 rund 50 Millionen Euro fehlen. Für Löffler hat der Umzug des einzigen Frauenhauses des Kreises in diesem Jahr Priorität. 56 Menschen mussten 2024 abgewiesen werden, weil kein Platz mehr frei war oder die Bedingungen nicht akzeptabel waren. Die fehlende Barrierefreiheit im alten Frauenhaus ist gerade für Mütter mit kleinen Kindern eine unüberwindbare Hürde.

Neues Frauenhaus in Neubrandenburg: Wer bezahlt die Kosten?

Doch selbst wenn der Umzug des Frauenhauses gelingt, steht die Frage im Raum, wie es künftig finanziert werden soll. Allein die Miete wird auf das Vierfache des Preises steigen. Daher will Löffler die Initiative "Frauenhaus-Cent" starten. Pro Kopf und Jahr soll jede Gemeinde des Kreises 25 Cent auf solidarischer Basis für das Frauenhaus bereitstellen. Weil dies aber eine freiwillige und keine Pflichtaufgabe der Kommunen ist, bleibt es fraglich, ob die Mehrzahl der Gemeindevertretungen zustimmt.

Thema im Podcast "MV im Fokus"

Dass das für viele Frauen existenziell wäre, zeigt das Beispiel von Dima. Sie zog mit 13 Jahren bei ihrer alkoholkranken Mutter aus und lebte fünf Jahre lang mit einem gewalttätigen Partner zusammen. Ihr Schicksal erzählen Mirja Freye und Dominique Cîrstea in der neuen Folge unseres Podcast "MV im Fokus", zu hören in der NDR MV App und überall, wo es Podcasts gibt.

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NDR 1 Radio MV | Nachrichten aus Mecklenburg-Vorpommern | 27.03.2025 | 15:00 Uhr

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