Eine abwehrend ausgestreckte Frauenhand vor dunklem Hintergrund (Symbolbild ) © picture alliance/dpa Foto: Fabian Sommer
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AUDIO: Verein Lobbi e.V. meldet Anstieg rechter Gewalt in M-V (3 Min)

Verein Lobbi e.V. meldet Anstieg rechter Gewalt in MV

Stand: 25.09.2024 19:43 Uhr

Gibt es eine Zunahme rechter Gewalt in Mecklenburg-Vorpommern? Davon geht zumindest der Verein Lobbi e.V. aus. Jetzt veröffentlichte die Organisation, die Betroffene berät, eine Statistik für das erste Halbjahr 2024.

von Valeria Dobralskaya

Der Verein Lobbi e.V. hat eine Statistik zu den rechten Gewalttaten in Mecklenburg-Vorpommern veröffentlicht. Die Mitarbeiter des Vereins sprechen von alarmierenden Zahlen - weil bereits im ersten Halbjahr dieses Jahres so viele Angriffe gemeldet wurden, wie im Durchschnitt in einem ganzen Jahr registriert werden. Nach Angaben von Lobbi e.V. gab es 89 rechte Angriffe. Der Verein geht davon aus, dass mehr als die Hälfte der Gewalttaten rassistisch motiviert war. Außerdem habe es 24 Attacken gegen politisch Aktive gegeben, so zum Beispiel gegen Menschen, die im Europawahlkampf Plakate aufhängten oder aber für ein politisches Amt kandidierten. Auch Homosexuelle und Transpersonen seien Ziele rechter Gewalt in Mecklenburg-Vorpommern. Lobbi e.V. nennt dazu zwei Fälle: in Neustrelitz wurde die Demonstration zum Christopher Street Day mit Eiern beworfen und in Rostock wurde eine Transperson in der Tram beleidigt, geschlagen und getreten.

So kommt die Statistik von Lobbi e.V. zustande

Lobbi e.V. ist eine Beratungsstelle für Betroffene von rechter Gewalt mit Außenstellen in Rostock und Neubrandenburg. Die Mitarbeiter helfen bei rechtlichen, finanziellen und psychischen Fragen. Dabei ist es keine Bedingung, dass das Opfer eine Anzeige bei der Polizei gestellt hat. Die Arbeit der Organisation wird durch Spenden und Zuwendungen aus dem Bundesministerium für Familie finanziert.

Die Mitarbeiter recherchieren selbst jeden Tag in der regionalen Presse und in den Polizeimeldungen. Kooperationspartner - das heißt andere Beratungsorganisationen - vermitteln Lobbi e.V. an Betroffene oder Betroffene kommen selbst und berichten von Vorfällen. Die Angaben werden überprüft und anschließend in der Statistik erfasst.

Der entscheidende Unterschied zu einer Polizeistatistik besteht darin, dass Lobbi e.V. den Gewaltbegriff breiter auffasst. Neben Körperverletzung, werden auch Nötigung, Bedrohung und ab einem gewissen Maß auch Sachbeschädigungen erfasst. In die Statistik werden auch Vorfälle aufgenommen, die nicht angezeigt wurden und der Polizei somit nicht bekannt sind. Da das Landeskriminalamt die offizielle Statistik zu politisch motivierter Kriminalität von rechts für das Jahr 2024 erst im folgenden Jahr veröffentlicht, lassen sich die Zahlen noch nicht vergleichen.

Wann ist eine Gewalttat eine rechte Gewalttat?

Unter rechten Gewalttaten versteht Lobbi e.V. Gewalttaten, die passieren, weil die Täter nicht davon ausgehen, dass alle Menschen gleichwertig sind. Zum Beispiel, weil sie aus einem anderen Land kommen oder eine Geschlechtsidentität haben, die von der Norm abweicht. Meist trifft es Angehörige von Gruppen, die sowieso schon marginalisiert und in der Minderheit sind. Robert Schiedewitz, Pressesprecher von Lobbi e.V., nennt noch eine Gruppe, die besonders oft von rechter Gewalt betroffen ist: "Zu den häufigsten Betroffenen zählen politische Gegnerinnen und politische Verantwortungsträgerinnen. Also Menschen, die in ihrer Funktion von den Rechten als Feinde gesehen werden."

Gründe für die Zunahme rechter Gewalttaten

Robert Schiedewitz von Lobbi e.V. sieht einen Grund in der aufgeheizten Stimmung während des Kommunal- und Europawahlkampfes im Frühsommer, aber auch in der allgemeinen Zuspitzung des politischen Diskurses in Deutschland. Außerdem gebe es eine deutliche Tendenz dazu, dass rechte Straftaten vor allem in städtischen Räumen registriert werden. Die meisten Gewalttaten wurden in Rostock verzeichnet: nämlich 22. Dahinter folgen Greifswald mit 14 und Stralsund mit 10 registrierten Taten. Dass Gewalttaten vermehrt in Städten registriert werden, hat bestimmte Gründe: "Zum einen gibt es in Städten mehr Begegnungsräume zwischen potenziellen Tätern und Betroffenen. Zum anderen gibt es dort intaktere Meldestrukturen, ein geschärftes Bewusstsein und so erfahren wir öfter von Gewalttaten", so Schiedewitz. Er betont, dass bevor es überhaupt zu Gewalttaten kommt, Beleidigungen, Bedrohungen und Diskriminierung stattfinden, die sich nicht in der Statistik widerspiegeln. Deshalb sei es wichtig Betroffenen gut zuzuhören.

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Radio MV | Nachrichten aus Mecklenburg-Vorpommern | 25.09.2024 | 18:30 Uhr

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Rostock

Rechtsextremismus

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