Licht und Gnade: Glasbildner aus Vorpommern gestaltet das Ulmer Münster
Das Münster in Ulm erhält seit einigen Jahren neue Kirchenfenster. Entworfen hat sie der Künstler Thomas Kuzio aus Sommersdorf am Kummerower See in Vorpommern. Das sechste von insgesamt acht Fenstern wird jetzt im Mai eingeweiht.
Erst vor zwei Monaten war das gut 14 Meter hohe und zweieinhalb Meter breite Kirchenfenster mit dem Namen "Pfingsten" in Deutschlands größter evangelischer Kirche eingeweiht worden. Nun folgt bereits das nächste - mit dem Namen "Gnade". Es sei das Fenster, das "am üppigsten gestaltet" wurde, erzählt Kuzio: "Ich habe gesagt, in einer Gnade, da muss Fülle herrschen. Also da sind wirklich alle Farben, die drei Grundfarben mit ihren Komplementärfarben nahezu gleichwertig anwesend, trotzdem auf einem Gelb-Ocker-Grund."
Beide Fenster seien der Hintergrund der Kanzel, führt der Glasbildner weiter aus, "so haben sie noch mal eine liturgische Bedeutung". Dadurch, dass sie dann nochmal links und rechts mit blautonigen Fenstern eingefasst seien, bekäme man fast die Anmutung von einem vierflügeligen Altar.
Kuzio gewann 2017 den Wettbewerb fürs Ulmer Münster

Kuzio beschäftigt sich mittlerweile seit mehr als sieben Jahren mit dem Ulmer Münster: Im Mai 2017 gewann er den Auftrag zur künstlerischen Gestaltung des letzten Fensters im südlichen Seitenschiff des Ulmer Münsters, das seit dem Zweiten Weltkrieg noch mit einer Notverglasung versehen war. Die Einweihung des 13 Meter hohen Ulmer Kuzio-Fensters - "das "Friedensfenster" - fand am Pfingstsonntag im Mai 2018 statt
Für den Künstler aus Vorpommern war das "Friedensfenster" nur der Auftakt für eine große folgende Arbeit über mehrere Jahre: "Ja, es gab den unausgesprochenen, teilweise auch ausgesprochenen Gedanken: 'Die Person, die diesen Wettbewerb gewinnt, darf sich Gedanken für die Nordseite machen.' Und die Nordseite war natürlich überwältigend. Das Münster ist mit einer Ausdehnung von knapp hundert Metern riesig. Dazu dann die großen Fenster - ein Fenster ist etwa 15 Meter hoch."
Kuzios große Stärke ist die Lichttechnik
Kuzio bekam den Auftrag, acht große neue Kirchenfenster farblich zu gestalten. Wichtig war ihm dabei vor allem, die Lichtverhältnisse in der Kirche zu verstehen: "Ich habe da für mich so eine Art Code entdeckt, dass es sich selbst im Mittelalter in der Chor-Verglasung immer um zwei Fenster handelte. Also ein Paar-Fenster und ein Einzelfenster. Und das habe ich aufgegriffen. Ich wollte nicht eine Summe von Einzelfenstern machen. Ich habe wirklich einen Rhythmus gefunden."
Von diesem angesprochenen Rhythmus ist auch der Dekan des Kirchenbezirks Ulm, Thorsten Krannich, angetan: "Thomas Kuzio ist einfach ein Mensch, der unwahrscheinlich von der Raumästhetik her arbeitet. Ich finde es immer faszinierend, dass er einfach ganz deutlich machen kann, wie Bezüge - Lichtbezüge - da sind. Also das ist die Welt, in der er lebt. Er lebt vom Licht, er lebt von der Lichttechnik, und das ist, glaube ich, seine ganz große Stärke. Dass er uns in dieser Großkirche mit unendlich vielen Licht-Quellen erläutern kann, wie die Licht-Szenerien gedacht sind."
Leuchtende Farben im Ulmer Münster
2021 kamen die ersten weiteren, von Thomas Kuzio gestalteten, Fenster in das Münster: "Die ersten Fenster sind relativ dunkel, inzwischen - gerade mit dem Pfingstfenster - kommen sozusagen leuchtende Farben ins Münster hinein. Und ich habe schon den Eindruck, je weiter die Fenster Richtung westlichen Haupteingang, Richtung Münsterturm gehen, umso heller werden sie und umso mehr leuchtet auch das nördliche Seitenschiff. Also das ist jetzt schon tatsächlich spürbar."
"Gnadenfenster" wird am 12. Mai eingeweiht
Rund 400.000 Euro kostet ein Fenster, das Geld stammt von Stiftern aus Ulm. Auch für das Fenster "Gnade". Thorsten Krannich schaut auf die kommenden Wochen: "Wir werden dann die offizielle Einweihungsfeier am 12. Mai machen. Das ist der Tag, an dem der Münsterbauverein, der mit wirklich unendlich viel Geld den Bauerhalt des Münsters unterstützt, sein 100-jähriges Jubiläum hat. Deswegen haben wir gesagt, machen wir an diesem Festtag eben einen Gottesdienst."
Wenn das sechste Fenster dann eingeweiht ist, warten auf den vorpommerschen Glasbildner noch zwei weitere. Aber schon jetzt sagt der inzwischen 66-Jährige: "Vom sogenannten Oeuvre her steht das natürlich ganz oben. Das ist für mich, sage ich immer, mein Vermächtnis. Mehr ist da nicht aus mir herauszuholen. Das ist schon unglaublich, solche Dinge entwerfen und schaffen zu dürfen. Ein absoluter Superlativ."
Kuzio-Werke auch in Mecklenburg-Vorpommern zu bewundern
Wer nun nicht demnächst vorhat, sich die Kirchenfenster von Thomas Kuzio in Ulm anzuschauen, der kann auch Arbeiten des Künstlers in Kirchen in Mecklenburg-Vorpommern betrachten, so unter anderem in Grimmen, Neustrelitz, Ribnitz-Damgarten und Woldegk.
