Bildschöne Bücher: "Wie Banksy die Kunst rettete"
Street-Artist Banksy ist einer der bekanntesten Gegenwartskünstler. Mit vielen Arbeiten beweist er aber auch ein tiefes Verständnis von Kunstgeschichte - das zeigt ein neuer Bildband von Kelly Grovier.
Nein, das ist kein Schlauchboot, das ist ein Floß! Die abgerissenen Gestalten haben kaum noch die Kraft zu winken. Das schwarzweiße Graffiti kennt man irgendwoher - aber in Öl! Das "Floß der Medusa" von Théodore Géricault aus dem frühen 19. Jahrhundert hat der bekannteste Street-Art-Künstler der Welt plakativ in unsere Zeit transportiert. Wenige hundert Meter vor den um ihr Leben kämpfenden Menschen kreuzt in seinem Graffiti eine Luxusyacht mit Privathubschrauber am Horizont.
Die hochstilisierten Körper des Originals mit ihren theatralischen Leidensgesten wirken plötzlich, als hätte unsere saturierte Gegenwart nur Spott übrig für die Menschen, die regelmäßig auf der Flucht im Mittelmeer ertrinken. Mit seiner Neu-Interpretation des alten Gemäldes erinnert Banksy uns daran, dass wir das Elend der Welt lieber abstrakt wahrnehmen.
Wenn die schöne Natur zurückschreit
Ganz unschuldig im Vergleich ist die zierliche Brücke über einem Seerosenteich von Claude Monet. In der Banksy-Version ist unter der Brücke jedoch einiges durcheinander geraten. Aus dem Wasser ragen Einkaufswagen und ein Verkehrskegel - Wohlstandsmüll, im Teich entsorgt. Die abgestuften Farben, bei Monet symbolhaft für die unvergängliche Schönheit der Natur, sind hier ins Grelle aufgedreht, die Natur schreit zurück und wehrt sich.
Die Sonnenstrahlen fallen auf den See
Und das Wasser schimmert matt von Öl und Teer
Der große graue Vogel fliegt allein
Doch der Tod fliegt wie sein Schatten hinterher (…)
Leseprobe
Claude Monet hat einstmals Seerosen für seinen Garten aus Ägypten importieren lassen. Man lernt in den begleitenden Texten des Kunsthistorikers Kelly Grovier, dass die französische Nachbarschaft schon damals in Aufruhr war angesichts dieser nicht-heimischen Pflanzen. Die berühmte Brücke? Hat Monet aus Japan importieren lassen...
Banksys Interpretation wurde übrigens für über acht Millionen Euro versteigert; ein Schnäppchen angesichts der rund 70 Millionen Euro, die unlängst eines von Monets Seerosen-Originalen erzielte.
Banksy-Werke und ihre Vorbilder aus der Kunstgeschichte
"Gute Künstler kopieren, große Künstler stehlen." Dieser Picasso zugeschriebene Satz steht symptomatisch für die These, die der Kunstkritiker Grovier aufstellt: Banksy stiehlt zwar schamlos, aber erschafft immer auch etwas Originelles.
Auch wenn seine urbanen Wandgemälde oft grob, überstürzt und rücksichtslos erscheinen, sind sie in Wirklichkeit geschickt konzipiert. Durchdrungen von einem scharfen Blick für die Genialität der Werke (...) Kein Meister bleibt von Banksys gleichzeitig vernichtendem und belebendem Blick verschont.
Der schön gestaltete Bildband folgt dabei einem schlichten Konzept: In 42 Miniaturen werden den Banksy-Werken ihre kunstgeschichtlichen Vorbilder gegenübergestellt und die historischen Hintergründe erläutert.
Banksys Graffitis: Symbol für den Lauf der Dinge
Banksys kunsthistorische Expertise reicht weit über klassische Gemäldesammlungen hinaus. Schon in den Höhlen von Lascaux haben Menschen ihre Hand als Schablone benutzt. Mit Schablonen zu arbeiten, ist auch Banksys bevorzugte Technik. Diese uralten Zeichnungen - man könnte sie die ersten Graffitis der Menschheitsgeschichte nennen - hat Banksy in seiner Interpretation zum Symbol für den Lauf der Dinge werden lassen: Ein Mann mit Warnweste wäscht die Höhlenmalerei mit einem Hochdruckreiniger von einer Londoner Hauswand. Danach ist wieder Platz für neue Kunst - oder die Wand pieksauber.
Wie Banksy die Kunst rettete
- Seitenzahl:
- 224 Seiten
- Genre:
- Bildband
- Verlag:
- Midas
- Bestellnummer:
- 978-3-03876-305-5
- Preis:
- 34 €