Deutscher Tanzkompanie Neustrelitz droht das Aus
Im kommenden Jahr könnte die "Deutsche Tanzkompanie" ein Jubiläum feiern. Vor 35 Jahren wurde sie in Neustrelitz gegründet. Doch im Moment sieht es nicht nach großem Jubel aus. In wenigen Monaten endet die überlebenswichtige Förderung des Landes und neue Zusagen sind ungewiss.
Tänzerinnen und Tänzer gleiten mit fließenden Körperbewegungen durch den Raum. Im Neustrelitzer Ballettsaal der "Deutschen Tanzkompanie" proben sie für ihr neues Stück "Luft". Es sieht unglaublich leicht, fast mühelos aus. Doch hinter den Kulissen der Tanzkompanie ist gerade nichts leicht. Ihre Zukunft ungewiss, denn die Finanzierung läuft Ende des Jahres aus. Seit 2018 bekommen die Neustrelitzer jährlich 500.000 Euro aus dem Strategiefonds des Landes Mecklenburg-Vorpommern.
Notbehelf statt Arbeitsamt
"Das ist eine Art Notbehelf gewesen", sagt Geschäftsführer Marco Zabel. "Es wurde damals ausdrücklich als Brückenfinanzierung formuliert." Der Kompromiss, der zugleich eine Halbierung der Landesmittel war, rettete die Tanzkompanie in letzter Minute. "Wir standen schon vor dem Arbeitsamt, haben uns arbeitssuchend gemeldet", erinnert sich Tänzerin und Kostümbildnerin Nicola Clarissa Gehring. Es sei traurig, dass es nun wieder so weit gekommen sei. Dass die Tanzkompanie erneut vor dem Aus stehe. Obwohl seit Jahren feststehe, dass die Finanzierung 2025 ende.
"Sparen, sparen, bis es knirscht"
Neben der halben Million Euro vom Land beteiligen sich auch der Landkreis Mecklenburgische Seenplatte und die Städte Neubrandenburg und Neustrelitz am Unterhalt der Tanzkompanie. Zusammen geben sie 200.000 Euro. Die Kompanie selbst erwirtschaftet 450.000, sagt Geschäftsführer Marco Zabel. Sie sei trotzdem strukturell unterfinanziert, könne Mitarbeitende nicht nach Tarif zahlen. "Das heißt sparen, sparen, bis es knirscht und immer noch etwas wegnehmen, immer etwas infrage stellen." Zugleich würden die Tänzerinnen und Tänzer höchst professionell arbeiten, große Kunst liefern.
Uhr tickt in Neustrelitz
Zum Beispiel beim umjubelten Musical "Chicago", das gerade am Landestheater Neustrelitz Premiere hatte. Ein Aus für die Tanzkompanie würde auch dort Probleme bereiten. "Wir brauchen sie für unsere Operetten bei unseren Musicalproduktionen und auf unserem Schlossberg. Das sind für uns ganz wichtige große Produktionen, wo die Tanzkompanie nicht wegzudenken ist", sagt Malte Bähr. Er ist Geschäftsführer der "Theater und Orchester GmbH Neubrandenburg/ Neustrelitz". Die Unsicherheit über die Zukunft der Tanzkompanie wirkt sich auch auf eigene Pläne aus. In diesen Wochen müsste eigentlich an den Verträgen für die kommende Spielzeit gearbeitet werden. Dabei geht es um neue, aber auch bestehende Produktionen. Die Uhr tickt. "Wir kommen schon in die heiße Phase der Planung für die kommende Spielzeit."
Aussage in Schwerin: "Ihr seid tot"
Schon seit 2023 macht die Tanzkompanie öffentlichen Druck, sammelte beispielsweise Unterschriften. Innerhalb weniger Wochen kamen 11.000 zusammen. Wenig öffentliches Interesse habe es bei der Landesregierung gegeben. "Es war nicht so, dass die Türen offen standen und dass überhaupt jemand mit uns oder mit mir reden wollte", sagt Marco Zabel. Er habe damals ein Signal bekommen: "Da ist niemand, der sich für euch einsetzt. Ihr seid tot." Auch heute hält sich das zuständige Kulturministerium mit konkreten Zusagen zurück. Die Tanzkompanie sei wichtig, heißt es auf NDR Anfrage.
Fusion mit Theater und Orchester GmbH?
"Unabdinglich" seien aber neben künstlerischen auch wirtschaftliche Aspekte. Es gehe aktuell darum, "dass die Deutsche Tanzkompanie Neustrelitz Modelle einer Fortführung entwickelt und dabei auch mögliche Partner, wie z.B. die Theater und Orchester GmbH, noch stärker als bisher miteinbezieht." Eine noch engere Zusammenarbeit zwischen Tanzkompanie und TOG gelänge wohl nur durch eine Fusion. Ob das tatsächlich Geld sparen würde, ist jedoch fraglich. Die TOG ist anders als die Tanzkompanie tarifgebunden. Bliebe es bei den zehn und einer Ein-Drittel-Stelle für Tänzerinnen und Tänzer, würde es eher teurer werden oder einen weiteren Stellenabbau bedeuten.
Theaterpakt des Landes als Lösung
Eine Alternative zur Fusion wäre das Einbeziehen der Tanzkompanie in den "Theaterpakt" des Landes. Der sichert eine Finanzierung der öffentlichen Theater Mecklenburg-Vorpommerns. "Entsprechende Versprechen, Vorschläge und ausgearbeitete Papiere hat es ja auch schon gegeben", erinnert Marco Zabel. Doch für das Kulturministerium kommt das nicht infrage. "Für ein Einspartenensemble wie die Tanzkompanie, dessen Träger eine private Stiftung ist, ist die Aufnahme in den Theaterpakt nicht vorgesehen und auch nicht möglich", heißt es in einer Antwort auf eine NDR Anfrage. Für Marco Zabel ist das kein Argument. "Es gibt ja ein Einspartentheater im Land, das von dieser Förderung profitiert." Die vorpommersche Landesbühne in Anklam sei nachträglich in den Theaterpakt aufgenommen worden.
Zwischen Hoffen und Bangen
Die Trägerstiftung der Deutschen Tanzkompanie sei zudem keine private Initiative gewesen. Sie entstand 1991 auch auf Betreiben des Landes. Auch um die große Tanzgeschichte in Neustrelitz zu bewahren. Seit 1964 gibt es dort professionelle Ensembles. Dass diese Tradition bald enden soll - für Tänzerin Nicola Clarissa Gehring unvorstellbar: "Wir hoffen natürlich alle, dass im letzten Moment wieder der Sonnenschein am Himmel kommt und dass es weitergeht."