Herzerkrankungen bei Frauen: Geschlechterunterschiede mit Risiko

Stand: 03.06.2024 20:30 Uhr | vom Rundfunk Berlin-Brandenburg-Logo

Herzen von Frauen haben eigene anatomische Merkmale und erkranken anders als Männerherzen. Ob Herzinsuffizienz oder Durchblutungsstörung: Bei Herzerkrankungen hilft ihnen angepasste Behandlung gegen Gefahren.

von Ursula Stamm / Lucia Hennerici

Ob Herzinsuffizienz oder Durchblutungsstörung: Frauenherzen erkranken anders als Männerherzen. Bei Herzerkrankungen brauchen Frauen daher eine angepasste Behandlung, sonst wird es gefährlich.

Frauenherzen sind im Schnitt kleiner und sie schlagen schneller, aber auch etwas schwächer, als das Herz eines Mannes. Solche anatomischen Unterschiede wirken sich auch auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei Frauen aus: Beispielsweise unterscheiden sich die Symptome für einen Herzinfarkt bei der Frau zum Teil extrem von Symptomen des Herzinfarktes beim Mann - oft kommt deshalb Hilfe für Frauen zu spät. Auch die Herzschwäche kann bei Frauen anders verlaufen und Ablagerungen in Herzkranzgefäßen bei Frauen bedürfen unter Umständen einer anderen Behandlung.

Auch manche Herzmedikamente führen bei Frauen zu stärkeren Nebenwirkungen und müssen in ihrer Dosierung auf die Frau angepasst werden. Eine Missachtung der anatomischen Unterschiede zwischen Frau und Mann in Sachen Herzerkrankungen kann sonst lebensgefährliche Folgen haben.

Herzerkrankungen bei Frauen: Wichtige Fakten auf einen Blick

Die häufigste Todesursache von Frauen in Deutschland sind Herz-Kreislauferkrankungen - noch vor Krebs und das seit Jahren, so das Statistische Bundesamt.

Herzinfarkt bei Frauen: Symptome werden gefährlich oft übersehen

Für Frauen ist das Risiko einen Herzinfarkt nicht zu überleben - je nach Studie - zwischen etwa 33 und 50 Prozent höher als für Männer. Das hat vor allem zwei Gründe:

  • Wegen der allgemein weniger bekannten Symptome betroffener Frauen verstreicht mehr wertvolle Zeit, bevor Frauen adäquate medizinische Behandlung bekommen (zum Beispiel laut einer deutschen Studie von 2005 90 Minuten bei Frauen mit Herzinfarkt-Symptomen und durchschnittlich 76 Minuten bei Männern).
  • Mit durchschnittlich über 70 Jahren sind Frauen deutlich älter, wenn sie einen Herzinfarkt erleiden, als Männer.

Der typische Herzinfarktpatient ist für viele - Betroffene wie auch Ärztinnen und Ärzte - noch immer der ältere Mann mit heftigen Schmerzen in der Brust, die in den linken Arm ausstrahlen. Aber Frauen haben beim Herzinfarkt zum Beispiel häufiger Symptome wie Schmerzen im Rücken oder Schulterblatt als Männer und klagen doppelt so häufig über Übelkeit und Erbrechen.

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Anatomische Unterschiede von Frauenherzen

Aufbau und Arbeitsweise des Herzens sind bei Männern und Frauen gleich. Doch Frauen haben ein deutlich kleineres Herz (durchschnittlich 250 Gramm statt 350 Gramm beim Mann). Das Frauenherz pumpt daher pro Herzschlag weniger Blut durch den Körper. Das gleichen die Herzen von Frauen aus, indem ihr Herz schneller schlägt. So liegt der Ruhepuls bei Männern im Durchschnitt bei etwa 60 Schlägen pro Minute, bei Frauen sind es 70 Schläge.

Herzschutz für Frauen durch Östrogen und genetische Faktoren

Das weibliche Geschlechtshormon Östrogen vermindert lange die Gefahr, dass sich bei Frauen Gefäßverkalkungen ausbilden (Ablagerungen aus Blutfetten, Blutgerinnseln und Kalk, die sogenannten Plaques). Allerdings lässt dieser Schutzeffekt mit den Wechseljahren nach - ein Grund dafür, warum Frauen später Herzinfarkte erleiden.

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Doch es gibt nicht nur hormonelle Unterschiede zwischen Männern und Frauen: Wissenschaftler haben entdeckt, dass auch die Zellen selbst ein "Geschlecht" haben und unterschiedlich auf Umwelteinflüsse reagieren. Dazu haben sie Gefäßzellen aus den Nabelschnüren von zweieiigen Zwillingen unterschiedlichen Geschlechts untersucht. Durch die exakt gleichen hormonellen Bedingungen im Mutterleib zeigen die Gefäßzellen ihre ganz ursprünglichen Geschlechtsunterschiede. Zum Beispiel in punkto "Reparaturmechanismen" bei Durchblutungsstörungen. Dabei stellten die Forscherinnen und Forscher fest, dass weibliche Zellen sich besser organisieren und schneller neue Gefäßstrukturen bilden als die männlichen. Das könnte dazu führen, dass auch Reparaturmechanismen bei Frauenherzen schneller und besser ablaufen als bei Männern.

Durchblutungsstörungen und Thrombosen

Durchblutungsstörungen am Herzen sind allerdings mittlerweile auch bei Frauen eine der fünf häufigsten Todesursachen. Zu den wichtigsten Risikofaktoren gehören vor allem:

Für Thrombosen (Gefäßverschluss durch Blutgerinnsel) ist das Risiko für Frauen - auch in jungen Jahren - klar höher als für Männer. Das trifft insbesondere auf die tiefe Beinvenenthrombose (TVT genannt) zu, bei der ein Gerinnsel (Thrombus) tief unter den Muskeln in einer Vene des Beines entsteht und den Blutfluss hemmt oder das Gefäß ganz verstopft. Das kann im Bein selbst schmerzen oder das Blutgerinnsel wandert durchs Gefäßsystem und führt zum Beispiel zu Komplikationen wie Lungenembolie, Herzinfarkt oder Schlaganfall - und kann lebensgefährlich werden.

Besondere Risiken für Thrombose bei Frauen

Einige Thrombose-Risikofaktoren tragen beide Geschlechter gleichermaßen: Alter, genetisch bedingte Gerinnungsstörungen als Erkrankung oder eine vorherige Chemotherapie. Bei Frauen können im Laufe des Lebens aber Faktoren hinzukommen, die das Risiko für eine Thrombose und den dadurch entstehenden Gefäßverschluss (Thromboembolie) verschärfen. Dazu zählen:

Frauen tragen besonderes Risiko für Herzschwäche

Auch die diastolische Kardiomyopathie (diastolische Herzschwäche oder Herzinsuffizienz) kommt bei Frauen häufiger vor als bei Männern und wird häufiger übersehen. Im Gegensatz zur systolischen Herzinsuffizienz, bei der das Herz nicht mehr kräftig genug pumpt, geht es bei der diastolischen Herzschwäche darum, dass nicht genug Blut in die Herzkammer kommt.
Bei Männern ist die Ursache für Herzschwäche meist ein vorangegangener Herzinfarkt, der das Herz schwächer pumpen lässt. Bei der frauenspezifischen, diastolischen Herzschwäche ist die Durchblutung nicht vermindert und das Herz pumpt normal, Ärztinnen und Ärzte sprechen von "erhaltener Pumpfunktion" trotz Herzschwäche.

Wichtige Symptome für Herzinsuffizienz: Luftnot und Schwäche

Das Problem: Das Gewebe von Frauenherzen ist schon grundsätzlich etwas steifer und kann sich daher weniger elastisch ausdehnen und mit Blut füllen, um es zu pumpen. Als Folge von beispielsweise Bluthochdruck, Diabetes, Adipositas oder Übergewicht versteift sich die Muskulatur der linken Herzkammer noch mehr und ist immer weniger elastisch. Die Folge: Das Blut staut sich zurück bis in die Lungenvenen. Schließlich sammelt sich Wasser in der Lunge, was zu Luftnot und Schwäche führt - Haupt-Symptome einer Herzinsuffizienz bei Frauen. Die zugrunde liegende Ursache ist oft eine langanhaltende Druckbelastung, die dazu führt, dass mehr Bindegewebe in den Herzmuskel eingelagert wird.

Darum wird die Herzschwäche bei Frauen oft übersehen

Die bei Frauen häufigere diastolische Herzinsuffizienz mit erhaltener Pumpfunktion wird vor allem darum oft bei der Diagnose übersehen, weil ihr Herz besser pumpt als das von Männern und Männern mit Herzschwäche. Dazu stammen die Vergleichsdaten oft aus Studien mit hohem Männeranteil - so werden die Werte der Patientinnen für normal gehalten, obwohl sie schon Symptome für die diastolische Herzschwäche zeigen. Ein weiterer Faktor ist, dass die Symptome der Herzschwäche oft mit Alterserscheinungen verwechselt werden und die Erkrankung zudem in höherem Alter häufiger auftritt. Da Frauen tendenziell älter werden als Männer, sind sie auch häufiger betroffen:

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Unabhängig von dieser Sonderform der Herzschwäche werden Expertinnen und Experten zufolge Frauen mit Herzschwäche auch insgesamt weniger intensiv und effektiv behandelt als Männer.

Behandlung von Herzschwäche: Effektiver durch Telemedizin

Eine Studie der Charité Berlin von 2018 legte nahe, dass man diese Schieflage zum Teil mit einer telemedizinischen Überwachung ausgleichen kann, weil gerade Frauen darauf positiv ansprechen. Zur Telemedizin zählen beispielsweise Onlinesprechstunden oder die Überwachung mit Smartwatches. Im Rahmen einer telemedizinischen Versorgung werden Werte wie Gewicht oder Blutdruck der Patienten übermittelt. Steigt beispielsweise das Gewicht an, kann das ein Hinweis auf Wassereinlagerungen sein und damit ein Zeichen dafür, dass sich eine Herzschwäche verschlimmert hat.

Im Zentrum für kardiovaskuläre Telemedizin der Charité hat man die Effekte einer solchen Überwachung in der fünfjährigen Fontane-Studie untersucht: Bundesweit wurden dazu über 1.500 Patienten und Patientinnen mit Herzschwäche rund um die Uhr beobachtet. Verschlechterte sich der Zustand eines Patienten, wurde sofort gehandelt. Das Ergebnis: Telemedizinpatienten verbrachten weniger Tage aufgrund von Herzerkrankungen im Krankenhaus und lebten länger. Von 100 Patienten mit Herzschwäche verstarben innerhalb eines Jahres unter telemedizinischer Betreuung acht, ohne diese Kontrolle waren es elf Patienten. Die Studie ergab auch, dass von der Überwachung insbesondere Frauen profitieren.

Broken Heart Syndrome: Wenn Psyche Herzerkrankungen auslöst

Psychische Belastungen können besonders bei Frauen zu Symptomen führen, die einem Herzinfarkt ähneln: Brustenge, Schmerzen, Todesangst. Noch ist der genaue Mechanismus bei diesem so genannten Broken Heart Syndrome (Syndrom des gebrochenen Herzens) nicht bekannt. Jedoch ist klar: "Broken Heart Syndrome" erleiden zu 90 Prozent Frauen. Wissenschaftler vermuten, dass eine extreme psychische Belastung das vegetative Nervensystem in Alarm versetzt. Durch die massive Ausschüttung von Stresshormonen wird die Herzwand überreizt und der Herzmuskel und die Gefäße, die ihn mit Blut versorgen, verkrampfen.

Häufig bei Frauen: Durchblutungsstörung winziger Herzkranzgefäße

Ein weiteres Phänomen, das gehäuft bei Frauen auftritt ist die "koronare mikrovaskuläre Dysfunktion" (abgekürzt CMD aus dem Englischen). Etwa 70 Prozent der Betroffenen sind weiblich. Bei dieser speziellen Form der Durchblutungsstörung am Herzen sind nicht die großen Herzkranzgefäße betroffen, sondern die kleinen Arterien und Kapillaren, die netzförmig das Herz umgeben. Diese Gefäße haben einen Durchmesser von weniger als einem halben Millimeter. Sind diese Herzkranzgefäße eng gestellt, kann das die gleichen Beschwerden hervorrufen wie bei einem Herzinfarkt. Eine herkömmliche Herzkatheteruntersuchung oder ein Belastungs-EKG bleiben jedoch ohne eindeutigen Befund. Gerade nach den Wechseljahren haben Frauen mit Infarktsymptomen häufig eine solche Engstellung in den mikroskopisch kleinen Gefäßen. Für einen eindeutigen Befund sind bei Frauen also besondere Diagnoseverfahren angezeigt.

Diagnose an Frauenherzen braucht manchmal besondere Technik

Für die Diagnose einer mikrovaskulären Dysfunktion hilft der so genannte Acetylcholin-Provokationstest. Dabei wird das Acetylcholin in steigender Dosierung gespritzt und die Herzkranzgefäße mit Kontrastmittel dargestellt. Normalerweise weiten sich die Herzkranzgefäße aus, wenn Acetylcholin ins Blut kommt. Kranke Gefäße dagegen ziehen sich zusammen und unterbrechen so den Blutfluss. In Studien war dieser Test bei 70 Prozent der Frauen, aber nur 43 Prozent der Männer mit Brustschmerzen und normaler Herzkatheteruntersuchung auffällig. Die Herzkranzgefäße von Frauen sind dünner und geschlängelter als die von Männern. Daher gibt es extra feine Katheter, die über eine Arterie an Arm oder Bein bis zum Herzen geführt werden, um die Gefäße gut darzustellen.

Herzkranzgefäße von Frauen präzise durchleuchten

Zusätzlich können Ärzte heutzutage die Gefäße auch mit Infrarotlicht untersuchen. Die optische Kohärenz-Tomographie (OCT) ermöglicht den Ärztinnen und Ärzten, die Herzkranzgefäße beinah mikroskopisch genau darzustellen und so Veränderungen oder Risse auf der Innenseite der winzigen Gefäße und selbst kleinste Ablagerungen zu diagnostizieren. Das ist besonders bei Frauenherzen vorteilhaft. Denn bei Frauen lösen sich Ablagerungen in den Gefäßen meist langsamer als bei Männern. Sie verschließen das Gefäß nicht sofort. Ob also ein Gefäßverschluss droht und damit beispielsweise ein Herzinfarkt, können die Kardiologen mit der Infrarot-Methode genau beurteilen.

Therapie von Herzerkrankungen bei Frauen: Medikamente wirken anders

Frauen mit Herzerkrankungen sind ebenso wie Männer auf Medikamente angewiesen. Allerdings basieren die Therapie-Empfehlungen für Herzmedikamente auf Studien, die eher mit Männern durchgeführt wurden. Die Unterschiede zwischen den Geschlechtern bleiben dabei oft unberücksichtigt. Denn Inhaltsstoffe von Medikamenten werden im weiblichen Körper häufig anders verarbeitet als im männlichen Körper: Frauen haben beispielsweise einen höheren Körperfettanteil und bestimmte Enzyme, die Medikamentenwirkstoffe abbauen, wirken bei ihnen schwächer. Diese Unterschiede im Stoffwechsel zeigen sich schon bei der Acetylsalicylsäure (ASS), die die Durchblutung fördert und so vor einem erneuten Herzinfarkt oder Schlaganfall schützen soll. Das Interessante: Männer schützt dieser Wirkstoff eher vor einem erneuten Herzinfarkt, Frauen eher vor einem Schlaganfall.

Dosis und Medikamentenwahl bei Behandlung von Frauen anpassen

Bei anderen Medikamenten ist besondere Vorsicht geboten: So können Präparate gegen Herzrhythmusstörungen bei Frauen einen paradoxen Effekt haben und Rhythmusstörungen wie Vorhofflimmern und Herzrasen begünstigen, statt sie zu vermeiden.
Und einige Wirkstoffe gegen Bluthochdruck haben bei Frauen stärkere Nebenwirkungen als bei Männern. Digoxin beispielsweise, lange Jahre ein Standardmedikament gegen Herzschwäche, kann Untersuchungen zufolge bei Frauen zu einer Erhöhung der Sterblichkeit führen und ist deshalb für die Behandlung inzwischen umstritten.

Größerer Frauenanteil bei Medikamentenforschung

Um solche Zusammenhänge aufzuklären, ist es nötig, dass mehr Frauen in die Studien einbezogen werden, die die Wirksamkeit bestimmter Medikamente untersuchen. Daher fordern Wissenschaftler, dass der Anteil von Frauen in den Studien auch dem wirklichen Anteil von Frauen entsprechen sollten, die von der Erkrankung betroffen sind.

Rehabilitation nach Herzinfarkt bei Frauen

Auch in der Reha nach einem Herzinfarkt zeigen sich deutliche Unterschiede zwischen Männern und Frauen. So nehmen Frauen Rehabilitations-Maßnahmen - etwa nach einem Herzinfarkt - weniger oft in Anspruch als Männer. Nur rund 30 Prozent nutzen die Chance einer solchen Nachsorge. Manche beginnen, brechen aber dann die Rehabilitation ab, weil sie sich in den meist männerdominierten Gruppen nicht wohlfühlen.

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Sensibilisierung für Geschlechterunterschiede in der Kardiologie

Mediziner, Angehörige und Patientinnen können einiges tun, damit die kleinen Unterschiede zwischen Frau und Mann bei Herzerkrankungen keine lebensgefährlichen Folgen haben. Anzeichen für ein Umdenken deuten sich an: Herzerkrankungen sind längst nicht mehr nur Männersache. Das zeigt sich auch inzwischen in der Mediziner-Ausbildung bei den Studierenden. Wenn alle für die Unterschiede zwischen Frauen und Männern bei Herzerkrankungen sensibilisiert sind, werden Frauen in Zukunft immer bessere Chancen haben, Herzerkrankungen zu überleben und zu genesen.

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