Wochenbett - Zwischen Babyglück und Babyblues
Die Wochen nach Geburt werden als Wochenbett bezeichnet. Es ist die Zeit der Erholung von der Entbindung und die Eingewöhnung ins neue Leben. Eltern und Kind lernen sich behutsam kennen. Was ist wichtig in dieser Phase?
Der Begriff Wochenbett (lat. Puerperium), auch Postpartalphase genannt, beschreibt die ersten sechs bis acht Wochen nach der Geburt und den damit verbundenen Heilungsprozess des Körpers sowie die wachsende Bindung zwischen Mutter und Kind. Dafür braucht es viel Ruhe - und möglichst wenig Reize von außen. "Man liest häufig von 'Babyflitterwochen' - es ist aber normal, dass die erste Zeit mit dem Baby nicht immer super romantisch ist, sondern auch anstrengend und schmerzhaft sein kann. Man darf sich nicht unter Druck setzen lassen oder zu hohe Erwartungen haben", sagt die Hamburger Hebamme Laura Kuck. Das betrifft auch die Besuchswünsche. Junge Eltern können Verwandte und Freunde auch vertrösten, wenn sie sich noch nicht fit genug fühlen.
Beckenboden und Gebärmutter müssen sich zurückbilden
Medizinisch gesehen ist das Wochenbett eine Zeit der Prävention gegen spätere Inkontinenz. Gynäkologin Dr. Manuela Tavares empfiehlt deshalb: "Liegen, liegen, liegen, damit sich die Gebärmutter und Beckenboden richtig zurückbilden." Es sei am besten, die ersten drei bis vier Tage im Bett zu bleiben. Beim Aufstehen sei es ratsam, mit angewinkelten Beinen auf die Seite zu rollen und erst dann die Beine aufzustellen.
Der Beckenboden trägt die Organe, er braucht Zeit sich nach der Geburt zu erholen. Das gilt auch für Bauchdecke, Harnblase und Darm. Die Rückbildung der Gebärmutter von etwa 1.000 auf 500 Gramm braucht eine Woche. Nach annähernd sechs Wochen wiegt der Uterus schließlich 60 bis 100 Gramm. Etwa ein bis zwei Wochen nach der Geburt ist der innere Muttermund wieder geschlossen. Bei anfänglichen Verdauungsschwierigkeiten ist es wichtig, auf der Toilette nicht zu stark pressen - da der Beckenboden noch geschwächt ist.
Körperlich anstrengende Tätigkeiten sind nach der Geburt tabu
Besonders was Bewegung betrifft, sollten sich junge Mütter in den ersten sechs Wochen nicht überfordern, sondern auf körperlich anstrengende Aktivitäten verzichten. Auch die Rückbildungsgymnastik sollte später geplant werden.
Tipp: Den Beckenboden zu erspüren ist der erste Schritt. Immer mal schauen, ob man ihn "ansteuern" kann. Im Fall einer vaginalen Geburt kann die Rückbildungsgymnastik nach sechs bis acht Wochen beginnen; bei einem Kaiserschnitt nach etwa acht bis zwölf Wochen. Die Bauchmuskeln müssen sich nach dem Eingriff erstmal wieder zusammenziehen.
Wochenfluss und Milcheinschuss nach der Entbindung
Mit der Rückbildung der Gebärmutter setzt der Wochenfluss (Lochien) ein. Dabei wird Wundgewebe, Schleimhaut und Blut von der Gebärmutter abgesondert. In den ersten Tagen nach der Geburt sind diese Blutungen heftiger und häufig mit Nachwehen verbunden. Der Wochenfluss kann bis zu sechs Wochen anhalten.
Zwei bis vier Tage nach der Geburt beginnt die Brust Milch zu bilden. Achtung: Dass Stillen vor einer erneuten Schwangerschaft schützt, ist ein Mythos. Gerade wer wenig stillt, sollte in jedem Fall verhüten.
Hebamme hilft in den Tagen und Wochen nach der Geburt
Nach der Geburt hat jede Frau, die gesetzlich krankenversichert ist, zwölf Wochen lang Anspruch auf die Unterstützung einer Hebamme, bei Bedarf auch bis zum Ende der Stillzeit. Die ersten zehn Tage nach der Geburt kommt die begleitende Hebamme täglich ins Haus. Bis das Kind acht Wochen alt ist, sind bis zu weitere 16 Besuche möglich.
Die Hebamme achtet auf die Rückbildung der Gebärmutter, hilft bei Stillproblemen wie einem Milchstau und kontrolliert die Wundheilung von Riss- oder Operationswunden nach einem Dammriss oder -schnitt beziehungsweise Kaiserschnitt. Bekommt die Mutter im Wochenbett Fieber und Schüttelfrost, deutet das auf eine Entzündung hin. Ursache können der Stau des Wochenflusses (streng riechender Ausfluss aus der Scheide) oder eine Brustentzündung (Mastitis) sein. In diesen Fällen und auch bei Beschwerden im Unterbauch sollte umgehend die Hebamme oder die Ärztin beziehungsweise den Arzt informiert werden.
Die Hebamme kümmert sich außerdem ums Neugeborene. Sie schaut auf den Gesundheitszustand des Babys, seine allgemeine Entwicklung, sein Trinkverhalten, seine Ausscheidungen und sein Gewicht. Zudem achtet sie darauf, ob der Nabel abheilt, und informiert über anstehende kinderärztliche Untersuchungen.
Baby Bonding - Urvertrauen zum Kind aufbauen
In der ersten Zeit der Geburt bauen die Eltern eine enge emotionale Verbindung zu ihrem Kind auf. Das beschreibt der Fachbegriff Bonding. Es ist die prägende Phase zwischen Eltern und Säugling - und schafft durch Geborgenheit, Schutz und Wärme eine Art Urvertrauen. Wichtig ist dabei Körperkontakt: Wenn das Baby auf dem nackten Oberkörper der Mutter oder des Vaters liegt, kann es deren Herzschlag spüren und sich mit dem Duft der Eltern vertraut machen.
"Heultage" sind nach der Geburt völlig normal
Das Baby ist da, doch anstelle von Glücksgefühlen fließen Tränen: Diese Gefühle sind völlig normal, nicht umsonst heißen diese Tage im Volksmund "Heultage". "Frauen sollen weinen, wenn ihnen danach ist. Man sagt, wenn die Tränen fließen, dann fließt auch die Milch und der Wochenfluss. Wer die Tränen zu stark zurückhält, der verkrampft innerlich und das ist nicht förderlich", sagt Kuck. Insgesamt wirkt sich der veränderte Hormonhaushalt auf die Emotionen der neuen Mütter aus. Hinzu kommen Faktoren, die dies noch verstärken können: zum Beispiel zu wenig Schlaf, Probleme mit dem Stillen, unzureichende Unterstützung zu Hause, die generelle Sorge, als Mutter des neugeborenen Kindes nicht gut genug zu sein, Unzufriedenheit mit dem Selbstbild nach der Schwangerschaft oder Frustrationen über die Rückbildung.
Durch viel Ruhe und Erholung können die Hormone wieder ins Gleichgewicht kommen und damit auch die Seele. Laut der Deutschen Depressionshilfe leiden zwischen 50 und 80 Prozent unter dem sogenannten Baby Blues. In der Regel klingt die leichte, depressive Verstimmung schon nach wenigen Stunden oder Tagen von allein wieder ab.
Postpartale Depression: Wenn der Babyblues nicht endet
Wenn eine junge Mutter nach mehreren Tagen noch emotional im Ungleichgewicht ist und extreme Gefühlsschwankungen, tiefe Traurigkeit oder innere Leere empfindet, dann könnte eine Wochenbettdepression vorliegen. "Bei zehn bis 15 Prozent der Mütter verschwinden die Babyblues-Symptome nicht", so Tavares. Der Übergang zur Postpartale Depression sei oftmals fließend. Ein guter Indikator für erste Anzeichen ist der standardisierte Selbsttest EPDS (Edinburgh-Postnatal-Depression-Skala). Mithilfe eines Fragebogens lassen sich bereits leichte Stimmungsveränderungen nach der Geburt und das Risiko für eine Depression einschätzen.
"Eine Wochenbettdepression kann jeden treffen, aber das Thematisieren kann sehr helfen, die Depression abzumildern. Je schneller man die Depression erkennt und behandelt, desto besser sind die Heilungschancen", erläutert Tavares. Wer Unterstützung braucht kann sich zum Beispiel an die Deutsche Deprssionshilfe oder die Selbsthilfeorganisation Schatten & Licht e.V. wenden. Dort gibt es ein umfangreiches Angebot für Selbsthilfegruppen, Netzwerke und Mutter-und-Kind-Einrichtungen.