Adipositas: Ursachen für Fettleibigkeit erkennen, behandeln

Stand: 28.10.2024 21:00 Uhr | vom Norddeutscher Rundfunk-Logo

Starkes Übergewicht - Adipositas - ist eine Zivilisationskrankheit. Sie verursacht auf Dauer Folgeerkrankungen wie Diabetes Typ 2. Es lohnt, rechtzeitig mit der richtigen Ernährung und Bewegung gegenzusteuern.

Fast jede zweite Frau in Deutschland (49 Prozent) stuften Forscher des Robert-Koch-Instituts in Berlin 2013 als übergewichtig ein; bei Männern sind es sogar rund 64 Prozent. Diese Zahlen haben sich in den vergangenen Jahren kaum verändert. Allerdings: Die Neigung zu Fettleibigkeit (Adipositas) steigt. Insbesondere bei Männern. Und gerade Männer neigen laut einer aktuellen Studie dazu, ihr Übergewicht zu unterschätzen.

Erschreckend ist, dass vor allem junge Erwachsene immer dicker werden: Schon jeder dritte Jugendliche ist übergewichtig, mindestens fünf Prozent der Kinder und Jugendlichen sind sogar fettleibig. Nach einer Forsa-Umfrage vom Mai 2022 und ersten Daten der Krankenkassen hat sich diese Entwicklung während der Corona-Lockdowns noch beschleunigt.

Übergewicht oder Adipositas? Der Body Mass Index (BMI) gibt Aufschluss

Wo genau beginnt aber Übergewicht? Und ab wieviel Übergewicht liegt eine Fettleibigkeit, also Adipositas vor? Ein Indikator ist der Body Mass Index (BMI). Nach dem Klassifikationsschema der Weltgesundheitsorganisation (WHO) spricht man ab einem BMI von 25 von Übergewicht. Bei einem BMI ab 30 liegt eine Adipositas Grad 1 vor, Adipositas Grad 2 beginnt bei einem BMI von 35. Ist der BMI höher als 40, leiden Betroffene unter Adipositas Grad 3, auch bekannt als Adipositas permagna.

Der BMI wird berechnet, indem man das eigene Körpergewicht durch das Quadrat seiner Körpergröße in Metern teilt. Ist eine Frau also 1,69 Meter groß und 85 Kilo schwer, dann hat sie einen BMI von 85 : (1,69 x 1,69) = 29,8. Das bedeutet: Ihr BMI liegt an der Grenze zur Fettleibigkeit.

Bauchumfang ist maßgeblicher Indikator

Wäre die Frau im Beispiel allerdings Bodybuilderin, dann steckten viele Kilos sicher in ihren Muskeln und nicht als Fett auf den Hüften. Deshalb ist zur soliden Diagnostik die ergänzende Messung von Bauchumfang und Hüftumfang wichtig.

Um das "Taille-Hüft-Verhältnis" zu ermitteln, wird der Bauchumfang - gemessen vier Zentimeter über dem Beckenkamm - durch den Hüftumfang geteilt. In der Sportmedizin spricht man von Normalgewicht, wenn das Ergebnis unter 0,8 für Frauen beziehungsweise unter 0,9 für Männer liegt. Allein der Bauchumfang ist auch bereits ein Indikator: Bei Frauen gilt er ab 80 Zentimeter als zu hoch, bei Männern ab 94 Zentimeter.

Adipositas bei Kindern

Für Schulkinder bis zur Pubertät gibt es eine einfache Faustformel: Obergrenze für das Normalgewicht ist die Größe des Kindes in Zentimetern minus 100. Ein Achtjähriger beispielsweise, der 1,28 Meter misst und 32 Kilo wiegt, hat also deutlich Übergewicht.

Diagnose und Folgeuntersuchungen beim Arzt

Falls Ihre Werte beim Body Mass Index (BMI), Bauchumfang oder dem Taille-Hüft-Verhältnis auf Übergewicht hindeuten, sollten Sie einen Termin mit dem Hausarzt oder einem erfahrenen Ernährungsmediziner vereinbaren. Er erhebt eine umfassende Krankengeschichte und untersucht

Zudem erstellt der Arzt eine Familien-, Psycho- und Sozialanamnese sowie eine Suchtanamnese, das heißt: Er erfragt etwaige private oder berufliche Probleme. Nur so lassen sich die Ursachen wirklich eingrenzen.

Ursachen für Übergewicht sind vielfältig

Es gibt viele Gründe, warum Menschen über das Normalgewicht hinaus zunehmen und eine Adipositas entwickeln. Häufig sind mehrere Ursachen miteinander verknüpft, etwa eine hormonelle Störung oder genetische Faktoren. Auch psychische Faktoren haben Einfluss - etwa bei Einsamkeit, Niederlagen, Partner- oder Jobverlust oder im Zuge einer handfesten Depression. Essen kann dann die Rolle des Seelentrösters spielen. Man "versüßt" sich all das Unangenehme des Alltags oder "frisst sie in sich hinein", die Sorgen.

Ernährung und Bewegung spielen eine wichtige Rolle

Hauptursache für Übergewicht ist letztlich oft die ungünstige Kombination aus ungesunden Essgewohnheiten und mangelnder Bewegung: Wie viel schneller ist ein Fertiggericht aufgewärmt als ein Berg Gemüse geschält und gekocht. Riegel und leckere Backwaren warten überall. Sie treiben den Blutzuckerspiegel rasch in die Höhe, liefern viel Energie, aber wenig Nährstoffe - deshalb meldet der Körper bald wieder Hunger. So wachsen die Fettzellen. Und sie bleiben. Denn aus Zeitmangel oder Bequemlichkeit fahren wir oft Auto statt Fahrrad, nehmen den Lift statt der Treppe und sitzen viel zu viel. Werden wir schwerer, wird wiederum Bewegung anstrengender - ein klassischer Teufelskreis. Es braucht viel Entschlossenheit und möglichst auch ein unterstützendes Umfeld, um den Hebel umzulegen und aktiv gegenzusteuern.

Übergewicht und seine Folgen

Studien zeigen: Übergewichtige Menschen sind nicht nur einem hohen psychosozialen Leidensdruck ausgesetzt. Sie sind auch anfälliger für Folgeerkrankungen, etwa

  • Herz- und Kreislauferkrankungen (Schlaganfall, Herzinfarkt, koronare Herzkrankheit)
  • Arteriosklerose
  • Diabetes mellitus Typ 2
  • Gelenkerkrankungen
  • Venenleiden (Krampfadern)
  • Atmungsstörungen im Schlaf (Schlaf-Apnoe)
  • hormonelle Beschwerden, verminderte Fruchtbarkeit (PCO-Syndrom)
  • Erkrankungen von Galle und Leber
  • erhöhtes Krebsrisiko (Gebärmutter, Brust, Prostata, Gallenblase, Darm)
  • Hauterkrankungen
  • Komplikationen bei Geburt und Stillzeit

Konservative Therapie: Ernährungsumstellung

Gemeinsam mit einem Ernährungsmediziner erarbeiten Adipositas-Betroffene ein Konzept für eine sogenannte konservative Therapie - Krankenkassen unterstützen dies. Das bedeutet: Das Essverhalten wird analysiert, Ernährungsfehler dabei herausgefiltert und ein individueller Kostplan erstellt. Ein Plan, der möglichst viel Rücksicht auf persönliche Vorlieben nimmt.

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Dennoch bedeutet die Ernährungstherapie für die meisten Betroffenen deutliche Umstellungen: Zukünftig wird hauptsächlich Gemüse auf den Teller kommen - darunter gern Hülsenfrüchte, die neben Ballaststoffen auch noch sättigendes Eiweiß mitbringen. Zweimal wöchentlich mageres Fleisch und Fisch sind ebenfalls gute Eiweißlieferanten. Täglich rund 1 Gramm Eiweiß pro Kilo Normalgewicht (Sollgewicht) wird empfohlen, möglichst auf zwei bis drei Mahlzeiten verteilt.

Kohlenhydrate rigoros einschränken

Brötchen, Laugengebäck, Chips, ein Whopper, Bananen, Brot und weißer Reis liegen angerichtet auf einem Teller. © NDR
Brötchen, Laugengebäck, Chips, ein Whopper, Bananen: Zu viele Kohlenhydrate belasten den Blutzuckerspiegel.

Nicht nur ungesunde Fette, sondern auch Kohlenhydrate sind stark einzuschränken - für Kinder gilt dies nicht ganz so strikt, aber "leere" Kohlenhydrate wie (versteckte) Zucker sollten auch sie weitgehend meiden. Das bedeutet: wenig Fertigprodukte, insbesondere möglichst wenig Fruchtsäfte, Knuspermüslis, Snacks und Backwaren.

Vier bis fünf Stunden Pausen zwischen den Mahlzeiten

Unter Umständen ist für den Anfang eine Formula-Diät nötig, die auch ärztlich verordnet werden kann. Manchen hilft Intervallfasten. Wichtig ist vor allem, sich beim Essen auf die Hauptmahlzeiten zu beschränken und dem Körper zwischendurch Zeit zum Verdauen zu lassen: also kein Snacking!

Je nach Schwere der Krankheit kann sogar eine stationäre Therapie infrage kommen.

Bewegung ist unverzichtbar!

Ein spezielles sportliches Training unterstützt Betroffene dabei, wieder mobil zu werden und dadurch mehr Kalorien zu verbrennen. Dabei sollte eine Komponente gezieltes Krafttraining sein, weil Muskeln den Grundumsatz erhöhen - Muskeln verbrennen mehr Kalorien als Fettpolster, sogar wenn man mal in Ruhe auf dem Sofa sitzt.

Magenverkleinerung nur als allerletzter Ausweg

Ab einem BMI von über 40 genügt eine konservative Therapie manchmal nicht. Auch fallen Adipositas-Kranke zuweilen in ihre alten Verhaltensmuster zurück. In solchen Fällen kann eventuell eine operative Therapie helfen: Der Magen wird mit einem chirurgischen Eingriff verkleinert (Magen-Bypass oder Schlauchmagen), das Sättigungsgefühl stellt sich daraufhin schneller ein.

Allerdings ist die Operation kein Freifahrtschein, so weiterzumachen wie bisher: Sport zu treiben ist künftig ebenso unerlässlich wie auch weiterhin das Einhalten eines speziell erstellten Ernährungsplans. Denn durch den operativ verkürzten Verdauungsgang hat der Körper weniger Gelegenheit, wichtige Nährstoffe aus der Nahrung zu ziehen. Was viele nicht ahnen: Nach der Operation können Verdauungsprobleme die Lebensqualität beeinträchtigen. Da die OP sich nicht rückgängig machen lässt, sollten zuerst alle nichtoperativen Maßnahmen zur Gewichtsreduktion ausgeschöpft werden.

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Dieses Thema im Programm:

NDR | Die Ernährungs-Docs | 28.10.2024 21:00

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