Sterbehilfe: Gesetzentwürfe scheitern im Bundestag
Das Bundesverfassungsgericht hat das Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe 2020 für verfassungswidrig erklärt. Im Bundestag standen zwei Vorschläge zur Neuregelung der Suizidbeihilfe zur Abstimmung. Keiner der Entwürfe fand eine Mehrheit.
Nachdem in einer ersten Abstimmung der Vorschlag der Abgeordneten um den SPD-Politiker Lars Castellucci und Ansgar Heveling (CDU) gescheitert war, lehnten die Parlamentarier in einer zweiten Abstimmung auch den Vorschlag einer Abgeordnetengruppe um Renate Künast (Grüne) und Katrin Helling-Plahr (FDP) ab. Damit bleibt der rechtliche Rahmen für die Sterbehilfe weiter uneindeutig. Hintergrund für die Initiativen war ein wegweisendes Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2020, das ein seit 2015 bestehendes Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe im Strafgesetzbuch gekippt hatte.
Assistierte Suizide weiter in rechtlicher Grauzone
Der assistierte Suizid befindet sich seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes in einer rechtlichen Grauzone. Das Recht auf selbstbestimmtes Sterben schließe auch die Freiheit ein, sich das Leben zu nehmen und auf freiwillige Hilfe Dritter zurückzugreifen, argumentierte das Bundesverfassungsgericht 2020. Doch für Ärztinnen und Ärzte gibt es keinen klaren Rechtsrahmen für die Bereitstellung eines todbringenden Mittels. Beide Gesetzesinitiativen wollten deshalb unter anderem im Betäubungsmittelgesetz ausdrücklich festschreiben, dass die Abgabe todbringender Medikamente auch zum Zweck der Selbsttötung zulässig ist. Die Berufsordnungen der Ärzte unterscheiden sich in diesem Punkt von Bundesland zu Bundesland.
Bundesärztekammer fordert gesamtgesellschaftliche Debatte
Die Bundesärztekammer (BÄK) sieht in dem Scheitern der beiden Gesetzentwürfe zur Suizidassistenz im Bundestag dennoch eine richtige Weichenstellung. "Nun haben wir Zeit für die noch nicht ausreichend geführte gesamtgesellschaftliche Debatte", sagte Präsident Klaus Reinhardt am Donnerstag in Berlin. Man dürfe nicht den zweiten Schritt vor dem ersten tun. "Wir brauchen zunächst einmal ein umfassendes Gesetz zur Vorbeugung von Suiziden", unterstrich der Mediziner. Der Bundestag habe dafür mit dem heute angenommenen Entschließungsantrag zur besseren Prävention die entscheidenden Weichen gestellt. Nach dem Suizidpräventionsgesetz sei eine gesetzliche Regelung zur Suizidhilfe dann der zweite Schritt. "Wir wollen gern dazu beitragen, dafür bessere Lösungen zu finden, als sie die bisher vorgelegten Gesetzentwürfe gebracht hätten", sagte Reinhardt.
Zwei Gesetzesinitiativen zur Abstimmung
Der Vorschlag einer Abgeordnetengruppe um Renate Künast und Katrin Helling-Plahr zielte darauf, dass Ärztinnen und Ärzte Arzneimittel zur Selbsttötung grundsätzlich unter Voraussetzungen verschreiben dürfen. 375 von 682 Abgeordneten votierten bei der Abstimmung im Bundestag dagegen. Der andere Vorschlag einer Gruppe um Lars Castellucci sieht eine grundsätzliche Strafbarkeit vor, aber mit geregelten Ausnahmen. Dieser Vorschlag erhielt am Donnerstagmorgen keine Mehrheit im Parlament: 363 von 690 abgegebenen Stimmen votierten gegen den Entwurf.
Gruppe Castellucci: "Suizidprävention stärken, selbstbestimmtes Leben ermöglichen"
Die erste Initiative stammte von 85 Abgeordneten um Lars Castellucci. Ihr Entwurf sah vor, dass die Suizidassistenz weiter grundsätzlich strafbar ist, unter bestimmten Voraussetzungen aber erlaubt wird. Dafür sollte die Person, die Sterbehilfe in Anspruch nehmen will, volljährig sein, sich mindestens zwei Mal von einem Facharzt für Psychiatrie untersuchen lassen und ein Beratungsgespräch absolvieren.
Die Selbstbestimmung könne unter Druck geraten, argumentierte Castellucci: "Von innen durch Erkrankungen oder plötzliche Krisen. Und von außen durch eine nahestehende Person, durch das Umfeld und gesellschaftliche Entwicklungen." Die psychatrischen Gutachter sollten deshalb nicht nur die psychische Stabilität prüfen, sondern auch ob Druck ausgeübt wird. Zudem sah der Gesetzentwurf vor, dass Sterbehilfe-Vereine strenger kontrolliert werden. "Flächendeckende Suizidberatungsstellen sind Suizidförderungseinrichtungen", sagte Castellucci. "Je mehr Möglichkeiten und Angebote es gibt, desto leichter erreichbar Suizide sind, umso mehr Suizide wird es geben."
Gruppe Künast und Helling-Plahr: "Schutz des Rechts auf selbstbestimmtes Sterben"
Die Gruppen um Renate Künast und Katrin Helling-Plahr hatten zunächst zwei verschiedene Vorschläge eingebracht, die sie dann zusammengeführt haben. Die Gruppen habe eine Grundhaltung geeint, das Recht auf selbstbestimmtes Sterben, gesetzlich zu verankern, so Helling-Plahr. Künast sagte, man sei sich zudem einig gewesen, dass es keine strafrechtliche Regelung zur Suizidassistenz geben soll. Im Gesetzentwurf hieß es: "Jeder darf einem anderen, der aus autonom gebildetem, freiem Willen sein Leben eigenhändig beenden möchte, auf dessen Wunsch Hilfe zur Selbsttötung leisten und ihn bis zum Eintritt des Todes begleiten."
Ein "psychatrisches Gutachten", wie es im Entwurf von der Gruppe Castellucci enthalten war, lehnten die Parlamentarier ab. Die Abgeordneten wollten Sterbewilligen den Zugang zu tödlich wirkenden Medikamenten ermöglichen, wenn sie zuvor eine Beratung in Anspruch genommen haben.
Ein bundesweites Netz staatlich anerkannter Beratungsstellen sollte geschaffen werden. Die Einrichtungen würden nur staatlich anerkannt, wenn sichergestellt sei, dass ein wirtschaftliches Interesse an der Durchführung ausgeschlossen sei. In besonderen Härtefällen hätte ein Arzt - unter Einbeziehung eines weiteren Arztes - ein Mittel auch ohne Beratung verschreiben dürfen.