Cover: Johann Scheerer, "Play“ © Piper
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AUDIO: Buch der Woche: Johann Scheerers "Play" (4 Min)

"Play": Fesselnder Roman über den Alltag eines Musikproduzenten

Stand: 07.04.2025 06:00 Uhr

Wie bringt man das Leben als Musikproduzent mit Familie und Kindern unter einen Hut? Johann Scheerer, selbst erfolgreicher Produzent und vierfacher Vater, erzählt in seinem neuen Roman "Play" von genau diesem Spannungsfeld.

von Florian Schmidt

David ist Produzent in Berlin - doch in seinem Alltag geht es um weit mehr als Gitarrenriffs und Schlagzeugsounds. Während er im Studio stundenlang an Songs tüftelt, wartet zu Hause seine Familie. Zwischen Babyschlaf, nächtlichen Aufnahmesessions und Künstlern, die ständig seine Aufmerksamkeit fordern, droht immer wieder, die Balance zu kippen.

Zwei Welten prallen aufeinander

Ich sah die Uhr an. Noch eine Stunde, bis ich meinen Sohn aus der Kita abholen musste - und Ian war gerade erst im Studio angekommen. Es war, als lebten wir in zwei verschiedenen Zeitzonen. Leseprobe

Dieser Ian ist Ian White - ein britischer Rockstar, dessen Glanzzeiten längst vorbei sind. Er lebt von seiner Aura des Exzesses, zieht David in einen Strudel aus Selbstüberschätzung und Abhängigkeit. Doch Ian bleibt Performer. Als David auf seinen Gitarrenkoffer deutet, kontert er trocken:

"Nope. Das ist keine Gitarre. Warum um alles in der Welt sollte ich eine Gitarre mitnehmen, wenn ich in ein Tonstudio fahre? Ich bringe doch auch keine Brötchen zum Bäcker." Leseprobe

Im Gitarrenkoffer befindet sich Ians "Medizin", eine ansehnliche Sammlung verschiedener Drogen. Doch bei aller Faszination für den genialen, im Umgang aber äußerst schwierigen Musiker - es gibt einen klaren Kontrast zwischen den beiden Männern. David will kein Rockstar, sondern ein verlässlicher Vater sein. Immer wieder prallen diese beiden Welten aufeinander - und Johann Scheerer lässt uns spüren, wie schwer es ist, sie miteinander zu vereinbaren.

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Parallelen zu Pete Doherty

Johann Scheerer weiß, wovon er schreibt. Er hat mit Größen der Musikindustrie gearbeitet, eine seiner prägendsten Erfahrungen waren die Sessions mit Pete Doherty, dem Frontmann der Babyshambles und Libertines. Doherty, der für seine musikalische Genialität ebenso berüchtigt ist wie für seinen exzessiven Drogenkonsum, zeigt einige Parallelen zu Ian White. Beide sind unberechenbar, selbstzerstörerisch und zugleich von einer kreativen Aura umgeben, die Menschen in ihren Bann zieht.

"Play": Fesselnd und authentisch

Was "Play" so authentisch macht: Scheerer beschreibt nicht nur den Musiker, sondern auch das System, das ihn umgibt - den ständigen Spagat zwischen Kunst und Wahnsinn, zwischen Inspiration und Destruktion. Und er erzählt nicht nur vom Glamour der Musikindustrie - er zeigt auch, wie sehr dieser Beruf ins Privatleben hineinwirkt.

Aber: So präzise Scheerer den Alltag im Studio beschreibt, so bleibt Ian White manchmal eine Projektionsfläche - ein Klischeebild des abgestürzten Rockstars. Und während David als Figur greifbar und nah wirkt, bleibt Whites innere Zerrissenheit seltsam vage.

Doch insgesamt ist "Play" ein fesselnder, atmosphärischer Roman über das Spannungsfeld zwischen Musik und Alltag, zwischen Exzess und Verantwortung - der zeigt, dass die wahre Herausforderung oft nicht das Studio, sondern das Leben selbst ist.

Play

von Johann  Scheerer
Seitenzahl:
320 Seiten
Genre:
Roman
Verlag:
Piper
Bestellnummer:
978-3-492-07340-0
Preis:
25 €

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Neue Bücher | 07.04.2025 | 12:40 Uhr

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