Bildband "True Colors": Reise in die Welt der Farbfotografie
Unsere Welt ist bunt und wird täglich milliardenfach fotografiert. Die Übertragung der sichtbaren Welt in Farbfotografien war aber ein langer Weg. Wie es dazu kam, das zeigt jetzt der neue Bildband "True Colors".
Noch 1901 hieß es in einem Handbuch der Drucktechnik:
Die endgültige Lösung des Problems der Photographie in Farben dürfte noch in sehr weite Ferne gerückt sein. Leseprobe
Wie wurde es möglich, ein authentisches fotografisches Abbild unserer Wirklichkeit zu machen? Die Geschichte der Fotografie beginnt am Anfang des 19. Jahrhunderts - natürlich in Schwarzweiß. Die Ausstellung in der Wiener Albertina Modern macht deutlich: Die Farbfotografie entstand fast zeitgleich. Die ersten Farbaufnahmen stammen schon aus der Mitte des 19. Jahrhunderts.
Die ersten Versuche - eine "Hummer-Mayonnaise"
"True Colors" - der Katalog zur Ausstellung zeigt die Sammlung aus der Wiener Albertina Modern. Das neue Medium war revolutionär - zum ersten Mal konnten Menschen jenseits der Malerei ein genaues Bild von sich und ihrer Welt festhalten. Die Farbwiedergabe war noch komplexer. Eine entscheidende Rolle spielten Papiersorten und Druckfarben, die Methoden waren hochkompliziert und teuer. Und es gab ästhetische Kritik, denn die ersten Versuche waren schlimmer Kitsch. Der Journalist Ferdinand Avenarius schrieb 1901:
Sobald aber überhaupt nicht mehr ein Menschenauge nachfühlt, sondern ein photomechanischer Apparat mechanisiert, beginnt das Vermengen, Fälschen, Auflösen. Leseprobe
Die grelle Buntheit dieser frühen Versuche schmähte er als "Hummer-Mayonnaise". Einige Bildbeispiele zeigen das - leider sind die Katalogtexte eher sperrig. Die Verfahren werden kaum anschaulich. Das machen die Abbildungen auf edlem Papier wett.
Wie die Welt "bunt" wurde
Man sieht handkolorierte Daguerreotypien, also Fotografien auf einer spiegelglatten Metalloberfläche - ein Offizier guckt gelassen aus dem Bild, eine junge Dame mit eher scheuem Blick und hochgezogenen Schultern. Besonders schön ist ein bläulicher Pigmentdruck von Santa Maria della Salute in Venedig bei Mondlicht. Man kann buchstäblich miterleben, wie die Welt "bunt" wurde. Frühe Bilder von der Wiener Ringstraße im Winter, ein Quartett spielt in einem Biergarten. Es wirkt frisch und lebendig. Zwei Frauen spazieren durch den Wiener Krapfenwaldl, hinter sich leuchtend grüne Wiesen.
Der Durchbruch: Das Autochromverfahren
1903 ließen die Gebrüder Lumière ihr Verfahren des Autochroms patentieren. Ein Durchbruch, schrieb eine Zeitung 1907 euphorisch:
Nun ist das schier Unglaubliche doch zur Tatsache geworden in einer Vollkommenheit, die auch einen Optimisten noch zu verblüffen vermag. Leseprobe
Mit dem Autochrom konnte man ein Motiv aufnehmen und in nur zwei Entwicklungsschritten in ein Glas-Diapositiv verwandeln. Ein Wiener Dienstmann von 1907 blickt einen mit verschränkten Armen grimmig an, wie gerade fotografiert. Diese Technik, wozu man schweres Kamera-Gerät brauchte, wurde von wohlhabenden Amateuren genutzt und in privaten Sälen in der Regel wöchentlich präsentiert. Etwa zweimal im Jahr auch einer breiteren Öffentlichkeit: Das waren gesellschaftliche Ereignisse, erfährt man hier. Dabei wurden etwa 100 bis 150 Autochrome vorgeführt.
Ab den 30er-Jahren wurde Fotografieren durch die Mehrschichtenfilme von Kodak zum Massenphänomen. Trotz der spröden Texte in Englisch und Deutsch lässt der Bildband diese Reise in die Welt der Farbe lebendig werden. Der Beginn unserer über-belichteten Gegenwart.
True Colors. Farbe in der Fotografie von 1849 bis 1955
- Seitenzahl:
- 200 Seiten
- Genre:
- Bildband
- Verlag:
- Hirmer
- Bestellnummer:
- 978-3-7774-4533-5
- Preis:
- 49,90 €
