"Wenn es Nacht wird in Frau Yeoms ...": Enttäuschende Fortsetzung
Vor einem Jahr erschien der südkoreanische Roman "Frau Yeoms kleiner Laden der großen Hoffnung" - ein weltweiter Erfolg. In Kim Ho-yeons Fortsetzung geht's wieder weniger ums Geschäft, als um die Menschen darin.
Wer arbeitet schon gerne nachts? Die Frage stellt sich auch Supermarktleiterin Seon-suk. Sie braucht eigentlich jemanden für die Nachtschicht im 24-Stunden-Laden, doch der einzige Bewerber erscheint ihr etwas schräg zu sein. Er meldet sich, indem er erstmal eine große Packung Toilettenpapier kauft.
"Wenn Sie wegen der Stellenausschreibung hier sind, weshalb kaufen Sie dann Toilettenpapier?" "Na ja, meine Mutter hat gesagt, wenn ich irgendwo in einen Laden gehe, den ich kenne, dann soll ich unbedingt so freundlich sein, dort auch etwas zu kaufen." (…) Was sollte denn diese übertriebene Gefälligkeit? So ganz wohl fühlte sie sich nicht, aber sein freundliches Lachen sorgte bei ihr doch für eine gewisse Erleichterung. Leseprobe
Geschichten von Angestellten und Kunden
Guen-bae heißt der Mann, und er bekommt den Job. Eine der vielen Figuren in diesem Buch. In den einzelnen Kapiteln steht immer jemand anderes im Mittelpunkt. Man taucht ein in die Hintergrundgeschichte der Angestellten und Kunden. Zum Beispiel von Geschäftsführer Min-sik, dem Sohn der namensgebenden Frau Yeom.
Min-sik war verzweifelt. Er war einsam. Er hatte das Gefühl, dass die Welt es auf ihn abgesehen hatte und er sich durch das Leben bluffen musste, um mithalten zu können. (…) Vor allem gab es keine Menschen, die bei ihm geblieben wären. Seine Frau hatte ihn verlassen (…) Seine Schwester war seine lebenslange Gegnerin, und seine Mutter stand zwar auf seiner Seite, aber jetzt war sie weit weg. Leseprobe
Denn die Mutter, Frau Yeom, ist wegen der Corona-Pandemie aufs Land gezogen. Sie kommt zwar auch durchaus vor, aber sie fehlt dem Buch. Genauso wie die anderen Figuren des ersten Bandes, die überwiegend nur noch am Rand in diesem zweiten Teil vorkommen. So muss man sich als Leser neu orientieren, was zunächst erstmal enttäuschend ist. Gleichzeitig kann man den Roman so natürlich problemlos ohne Vorwissen lesen.
Eine Fortsetzung, die man auslassen kann
Das Kunststück des ersten Bandes - wie von oben drauf in die Leben der Leute rund um den Laden zu schauen und sich dabei bezaubern zu lassen -, das gelingt diesem Buch leider nicht. Der Roman verzettelt sich in zu vielen Figuren. Fast alle fühlen sich elend, psychisch, gesundheitlich, emotional. Und leider ist alles größtenteils auch langweilig. Zu kaum einer Figur kann man beim Lesen wirklich eine Beziehung aufbauen.
Wenn man Bücher liest, dann will man nämlich meistens gern mit anderen Leuten darüber sprechen, wie einem das Buch gefällt. Leseprobe
Leider ist das in diesem Fall nicht so. Der erste Band sei jedem sehr ans Herz gelegt - die Fortsetzung kann man auslassen.
Wenn es Nacht wird in Frau Yeoms kleinem Laden
- Seitenzahl:
- 384 Seiten
- Genre:
- Roman
- Zusatzinfo:
- Übersetzt von Jan Henrik Dirks
- Verlag:
- Hanser blau
- Veröffentlichungsdatum:
- 18. März 2025
- Bestellnummer:
- 978-3-446-28279-7
- Preis:
- 23 €
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