Eine junge Frau steht vor einer blauen Werbewand auf einem blauen Teppich und trägt ein schwarz, weiß gemustertes Kleid. © picture alliance / Eventpress | Eventpress Radke

Ist Schwangerschaft ein Karriere-Killer für Schauspielerinnen?

Stand: 12.11.2022 12:43 Uhr

Schwanger sein als Schauspielerin funktioniert nicht für jede Filmproduktion. Manche Schauspielerinnen verheimlichen deshalb ihre Schwangerschaft, um weiterhin drehen zu können.

von Anina Pommerenke

Franziska Hartmann stöbert durch die bunten Kostüme, die vor ihr auf einem Kleiderständer in der Kostümabteilung des Thalia Theaters in Hamburg hängen. Über fünf Stunden dauert die Inszenierung von "Das achte Leben (Für Brilka)", in der Hartmann gleich mehrere Rollen übernimmt. Entsprechend viele Kostümwechsel stehen an, darunter ein eng anliegendes rotes Kleid, ein schwerer grüner Mantel, ein blumiges Petticoat-Kleid. Zwei Kolleginnen helfen Hartmann in die Kostüme, prüfen kritisch, ob sie noch passen oder langsam zu eng werden.

Denn Franziska Hartmann ist schwanger: Unter den eng anliegenden Kleidern ist der Babybauch im sechsten Monat nicht mehr zu verstecken. "Das Praktische ist: Das letzte Mal haben wir "Brilka" vor Corona gespielt und da war ich auch schwanger mit meinem ersten Kind. Wir hatten damals die Kostüme schon erweitert und sie haben auch heute noch gepasst", schmunzelt Hartmann. Auch Ende Dezember wird sie noch einmal in der Inszenierung zu sehen sein. Dann dürften die Kostüme nicht mehr ganz so gut sitzen.

Thalia Theater Hamburg: Schwangerschaft kein Problem

Das Hamburger Thalia Theater von außen. © Thalia Theater
Das Hamburger Thalia Theater von außen.

Im Theater ist die Schwangerschaft kein Problem. Da gehöre ein schöner, runder Schwangerschaftsbauch auf der Bühne eben einfach mal dazu. "Klar, gibt es ein paar Sachen, die ich nicht machen kann. Zum Beispiel gibt es eine Stelle bei "Brilka", bei der ich renne, stolpere und auf dem Bauch über die Bühne rutsche. Oder ein Sprung in den Orchestergraben ist nicht mehr ganz so tief. Aber das Spielen macht genau so viel Spaß wie vorher."

Schwangerschaft: Karriere-Killer für Filmschauspielerinnen

Franziska Hartmann war fast zehn Jahre lang festes Ensemble-Mitglied am Thalia Theater. Mittlerweile ist sie auch regelmäßig in großen Rollen in Kino- und Fernsehfilmen zu sehen. Jüngst spielte sie etwa die Hauptrolle in dem ARD-Drama "KALT". In dem Film stellt sie eine Erzieherin dar, die auf einem Kita-Ausflug zwei Kinder verliert, eins ist sofort tot. Dass eine Schwangerschaft für Filmschauspielerinnen ein echter Karriere-Killer sein kann - das beobachtet die Schauspielerin in ihrem unmittelbaren Umfeld.

Viele Kolleginnen verheimlichen ihre Schwangerschaft daher sogar, um ihre Aufträge nicht zu verlieren oder gar keine Rollen mehr angeboten zu bekommen, berichtet Hartmann. Eine Bekannte habe sich sogar schwanger nicht auf dem roten Teppich zeigen wollen, aus Sorge, es könne ihrer Karriere schaden. Auch sie selbst sei gerade erst aus einem Cast rausgeflogen, als sie von ihrer Schwangerschaft erzählte. Da wünscht sich Hartmann etwas mehr Flexibilität in der Filmbranche: "Klar, die Figur wäre dann schwanger, weil jetzt sieht man es ja schon. Ich finde, in diesem Fall wäre es sogar spannend gewesen - aber es muss eben gewollt werden."

Franziska Hartmann fordert mehr Mitbestimmungsrechte als Schwangere

Ein Mann fasst einer Frau von hinten mit einer Hand ans Dekolleté. Beide schauen trübsinnig. © picture alliance/dpa/WDR/kineo Film | Foto: Michael Kotschi
Ehemann Robert (Bozidar Kocevsk) versucht seiner Frau Kathleen (Franziska Hartmann) Trost zu spenden in einer Szene aus "Kalt".

Nicht nur Schauspielerinnen sind laut Franziska Hartmanns Erfahrungen betroffen. Sie habe es schon mehrfach erlebt, dass auch Frauen, die in anderen Gewerken am Filmset tätig sind, aus Angst vor negativen Folgen bewusst ihre Schwangerschaft verheimlicht haben. Dass es für alle Beteiligten auch Einschränkungen gibt, wenn Schauspielerinnen ein Kind erwarten, sieht Hartmann durchaus. Zum Beispiel sei es in ihrem Fall hinderlich, dass sie nur achteinhalb Stunden arbeiten dürfe.

Bei ihrem letzten Dreh habe das dazu geführt, dass sie sich beim Umziehen und Abschminken nach einem Dreh gehetzt hat, um keine wertvolle Drehzeit zu verschwenden - nicht unbedingt der gewollte Effekt. Grundsätzlich würde sie gerne selbst entscheiden, ob und in welchem Umfang sie arbeiten könne: "In extremen Drehsituationen wie bei Stunts gerne in Absprache mit meiner Hebamme oder Ärztin." Ihr ganzes Leben sei sie selbst verantwortlich für ihr Kind, aber während ihrer Schwangerschaft könne sie nicht selbst entscheiden. Dafür fehlt Hartmann das Verständnis.

"Mit Kindern ändert sich alles"

Trotzdem hatte sie keine Angst davor, schwanger zu werden, ihr sei immer klar gewesen, dass sie eine Familie haben wolle. Zum Glück habe sie auch jeweils vor und nach ihren Schwangerschaften ausreichend spannende Projekte gehabt: "Auch jetzt weiß ich schon, was ich nach meiner Schwangerschaft drehen werde." So gesehen sei es für sie gut gelaufen, auch wenn sich mit Kindern natürlich alles ändere. Deswegen sei sie froh, dass sie sich immer auf die gute Teamarbeit mit ihrem Partner Pascal Houdus verlassen könne, der ebenfalls Schauspieler ist und zum festen Ensemble am Thalia Theater gehört.

In die Karten spielt Hartmann dabei sicherlich auch, dass sie nach wie vor regelmäßig am Theater zu sehen ist. Nach ihrer Festanstellung war sie noch in acht Inszenierungen involviert. Am liebsten mache sie beides: Film und Theater - und würde sich ungern entscheiden: "Im Herzen fühle ich mich dem Theater zugehörig. Ich liebe es, hier zu sein, sowohl auf der Bühne als auch im Saal zu sitzen und zuzuschauen. Ich bin einfach ganz verbunden dem Thalia Theater. Aber drehen ist auch toll. Ich spiele einfach unheimlich gerne."

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | 27.12.2022 | 08:14 Uhr

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