Bildschöne Bücher: Fotograf Max Halberstadt wiederentdeckt
Ein üppig bebildertes Buch zeigt die ganze Geschichte dieses zu Unrecht fast vergessenen Künstlers Max Halberstadt zeigt. Ein großer Stilist, den wieder zu entdecken sich lohnt - ästhetisch wie historisch.
Vor vier Jahren gab es in Hamburg erstmals eine Ausstellung über den Fotografen Max Halberstadt. Trotzdem blieb er bis heute weitgehend unbekannt. Dabei betrieb er in seiner Heimatstadt über 20 Jahre lang ein Porträt- und Werbestudio, das zu den ersten Adressen in Deutschland gehörte. Aber weil er Jude war, musste er 1936 emigrieren. Seiner Familie und ihm gelang die Flucht nach Südafrika, wo er schon 1940 starb. Vielleicht wäre seine Karriere in England oder Amerika anders, erfolgreicher verlaufen.
Max Halberstadt - ein vergessener Meisterfotograf
Es ist ein schwerer, opulenter Band voller Fotos, Bilder und Porträts; voller Geschichten und Zeitgeschichte, auf Postkarten, Dokumenten, Fundstücken, das üppig bebilderte Leben und berufliche Schaffen eines Meisterfotografen. Und doch: "Es gibt in Hamburg keine Zeile zu ihm, und es gibt in der überregionalen Fotogeschichte auch keinen Nachweis zu ihm. Der Mann ist sozusagen vergessen - ich würd’s aktiver ausdrücken: Er ist vergessen worden", sagt Co-Autor Wilfried Weinke, Historiker, Forscher von Stadt- und Familiengeschichte, Buch- und Ausstellungsmacher. Sein großes Thema: Emigration und Exil.
Ikonische Porträts von Sigmund Freud und anderen
Irgendwann sucht er den Kontakt zu Eva Halberstadt in Johannesburg: "Am Beginn der ganzen Recherche stand ein Fax, und das Fax kam von der Tochter Max Halberstadts, die sagte, warum ich denn nach drei anderen Fotografen suchen würde und nicht nach ihrem Papa. Dann habe ich zurückgefragt und erhielt 14 Tage später einen großen Briefumschlag. Ich habe ihn geöffnet und schaue in das Gesicht von Sigmund Freud - und unten drunter steht Max Halberstadt, Druck und Verlag Hamburg."
Der Stempel von Halberstadts Foto-Atelier am Neuen Wall. Alle bekannten Porträts vom Begründer der Psychoanalyse sind hier entstanden, oder in Wien und London - aufgenommen von seinem Schwiegersohn Max Halberstadt. Freuds Konterfei ziert Titelseiten, Buchumschläge und Zeitungsartikel, die über den weltberühmten Mann berichten.
Von Halberstadt stammen auch andere ikonische Porträts, etwa von Hans Henny Jahnn, Max Liebermann, Otto Klemperer, Max Klinger, August Bebel, Fritz Höger. Neuer Wall 54 in Hamburg ist auch für Familien, die hier ihre Kinder porträtieren lassen, die erste Adresse. Eine weitere Mode der Zeit: Hanseatische Fabrikanten und Kaufleute lassen ihre Privathäuser fotografieren für sogenannte Haus-Alben: in Leder gebundene Bücher mit Außen- und Innenaufnahmen.
Ab 1936 als Werbefotograf in Südafrika
20 erfolgreiche Jahre lebt die kleine Familie Halberstadt in Hamburg, umsorgt vom liebevollen und stolzen Schwiegervater Sigmund Freud. Max hatte dessen Tochter Sophie geheiratet. "1933 ist so eine eklatante Schnittstelle, eine Zäsur, die ihn als jüdischen Fotografen schwer benachteiligt hat", erzählt Weinke. "Er ist aus der Gesellschaft Deutscher Lichtbildner rausgeflogen, die er mitbegründet hat, weil er jüdisch war, und viele Kunden haben sich zurückgezogen, weil sie sich nicht mehr von einem Juden haben fotografieren lassen dürfen."
Max Halberstadt verkauft sein Atelier an zwei junge Frauen, emigriert nach Südafrika, eine wochenlange Schiffsreise. Aber schon drei Monate später kann er seine Familie nachholen, weil er eine Anstellung als Werbefotograf bekommt.
Und genau diese Werbefotos sind eine Entdeckung: Neben den berühmten Porträts fotografiert Halberstadt ganz im Stil der Neuen Sachlichkeit - Licht und Schatten in sorgsam austarierten Graustufen. Da wird eine Dose Sardinen zum edlen Horsd’œuvre, und die Packung Idee-Kaffee zu einem Star, den er dramatisch so ausleuchtet wie Murnau einst Nosferatu.
Halberstadt fotografierte auch seine Geburtsstadt Hamburg
Auch seine Heimatstadt hat Halberstadt spannend inszeniert: Das Gedränge am Altonaer Fischmarkt, die Geschäftigkeit des Hafens, den Nebel über der Alster oder die Melancholie der jüdischen Friedhöfe mit kunstvollen Pyramidengräbern, die heute verschwunden, zerstört oder hinter Absperrungen verschwunden sind.
Ein großer Stilist also, den wieder zu entdecken sich lohnt - ästhetisch wie historisch.
Max Halberstadt. Der Fotograf
- Seitenzahl:
- 320 Seiten
- Genre:
- Bildband
- Verlag:
- Hirmer
- Bestellnummer:
- 978-3-7774-4498-7
- Preis:
- 49,90 €
