
80 Jahre Eric Clapton: Wie ein Blues-Virtuose seine Dämonen besiegte
Mehrfach musste der mittlerweile 80-jährige Eric Clapton Schicksalsschläge verkraften. Im NDR Kultur Podcast Urban Pop erinnert sich Peter Urban an Begegnungen mit Mr. Slowhand kurz vor und nach dem tragischen Unfall 1991 vom Sohn des Musikers.
Die Ablehnung der eigenen Mutter im Kindesalter, die Qualen einer unglücklichen Liebe zur Frau seines Freundes und der unvorstellbare Schmerz, wenn das eigene Kind stirbt: Tragische Erlebnisse wie diese im Leben von Eric Clapton hinterließen ihre Spuren in dem Briten, der trotz großer Musikkarriere immer wieder mit Minderwertigkeitsgefühlen zu kämpfen hatte. Die NDR Musikredakteure Peter Urban und Ocke Bandixen würdigen im ARD Podcast Urban Pop das außergewöhnliche Talent des introvertierten Gitarrenvirtuosen, der seine Gefühle durch berührende Texte und einzigartige Sounds auszudrücken vermag.
Clapton hielt Großmutter für Mutter
Clapton wurde 1945 in den letzten Zügen des zweiten Weltkriegs in einem kleinen Dorf in Ripley in Großbritannien geboren. Er wuchs im Glauben auf, dass seine Großmutter Rose seine Mutter ist. Seine Mutter Patricia Molly Clapton, die er damals für seine große Schwester hielt, war bei seiner Geburt erst 16 Jahre alt. "Es wurde deshalb vereinbart, dass die Oma ihn aufzieht. Sein Vater war ein kanadischer Soldat, der hat aber schon vor seiner Geburt wieder das Land verlassen. Er hat seinen Vater nie kennengelernt", erzählt Urban.
Durch Getuschel und verletzende Bemerkungen in seinem Umfeld erfuhr Clapton, dass die inzwischen nach Deutschland ausgewanderte Patricia in Wahrheit seine Mutter ist. "Als sie zurückkehrte, fragte er sie, ob er sie Mama nennen kann." Doch seine Mutter stieß ihn zurück. Sie hielt ihn an, seine Großmutter als Mutter zu bezeichnen. "Das muss brutal gewesen sein für diesen kleinen Jungen. Dadurch entstand wahrscheinlich viel Unsicherheit, Frust und Wut", meint Urban.
Unglückliche Liebe zu Pattie Harrison sorgt für "Layla"

Das Leben des Musikers war geprägt von unglücklichen Liebesgeschichten. "Auf der einen Seite benutzte er Frauen und war im Umgang mit ihnen nicht sehr sensibel", erzählt Urban. "Auf der anderen Seite verliebte er sich aber auch Hals über Kopf und zerfloss in Schmerz, wenn seine Liebe nicht erwidert wurde." Vor allem seine Gefühle für Pattie Boyd, die damals Pattie Harrison hieß und mit seinem Freund, dem Beatle George Harrison liiert war, sorgten bei Clapton für jahrelangen Liebesfrust.
Seine intensive Sehnsucht nach ihr spiegelt sich in vielen Songs aus dieser Zeit wider. So auch im bekannten Hit "Layla", der die Zeile "You got me on my knees, Layla" enthält. Urban meint: "Er hat 'Layla' damals unglaublich inbrünstig gesungen. Wenn man sich das anhört, erkennt man seinen Schmerz und seine Trauer."
Layla erschien 1970 ursprünglich als Rockversion auf dem Album "Layla and Other Assorted Love Songs" von Claptons damaliger Band "Derek and the Dominos". 1992 wurde das Lied im Rahmen eines MTV Unplugged Konzerts als ruhige, kaum wiedererkennbare Ballade aufgenommen.
Weder Unterricht noch Notenkenntnis
Durch Folkmusik in BBC-Radio-Kindersendungen entdeckte der junge Eric seine Liebe zur Musik. "Er wollte eine Gitarre und bekam die billigste Version überhaupt. Aber das war seine Basis", erzählt Urban. Clapton bekam keinen Unterricht, übte jedoch viel. Er brachte sich das Spielen autodidaktisch bei, spielte Bluessongs aus dem Radio nach. "Er konnte auch später nicht nach Noten spielen", erzählt Urban. In seiner Jugendzeit spielte Clapton Gitarre in Pubs. Als die Yardbirds einen Gitarristen suchten, fragten sie Clapton, den sie aus der Schule kannten. "Das war sein Durchbruch", resümiert Urban.
Authentizität wichtiger als Erfolg
So machte sich Clapton bei den Yardbirds bereits als Gitarrist einen Namen, doch die Band hatte in ihren Anfängen keinen Hit. Als die Yardbirds auf Ansinnen ihres Managers den von Graham Gouldman geschriebenen Song "For Your Love" veröffentlichten, kam der große Erfolg. Doch weil Clapton den Song und den Stil nicht mochte, stieg er kurzerhand aus. "Man muss sich das mal vorstellen", erzählt Urban, "Die Band hat einen Hit, der auf Nummer Eins geht und er steigt aus, weil die Musik nicht zu ihm passt."
John Mayall & The Bluesbreakers und Cream
Clapton spielte von 1965 bis 1966 bei "John Mayall & The Bluesbreakers", entwickelte dort seinen eigenen Sound. Doch weil er mit den vertraglichen Bedingungen unzufrieden war, stieg er wieder aus. 1966 gründete er mit Jack Bruce und Ginger Baker die Band "Cream". Die Band löste sich schon 1968 wieder auf. "Bruce und Baker stritten viel, er war immer der Vermittler. Außerdem war er satt von den Egotrips und den überlangen Soli, die jeder in den Songs spielte. Er wollte ruhigere Musik machen", erzählt Urban. Außerdem sei es Clapton wichtig gewesen, ehrliche Musik zu machen. "Er ist immer einer gewesen, der nach einem Jahr oder nach zwei Jahren gegangen ist, wenn es nicht richtig gepasst hat."
Gefahr von Heroin unterschätzt
Ende der 60er-Jahre fehlte Clapton laut Urban ein klares Konzept für seine weitere Karriere - er spielte mal mit "Blind Faith", hatte Auftritte mit "Delaney & Bonnie", schmiedete zeitweise Pläne für eine neue Band, zeitweise für eine Soloprojekte. Wie viele Musiker in dieser Zeit unterschätzt auch Clapton die Gefahr und das enorme Suchtpotenzial von Heroin: "Wie das immer so ist: Es fing leise an, er dachte, es ist nicht gefährlich und nahm es dummerweise", erzählt Urban nachdenklich.
Schnell wurde er abhängig. Aus Angst, bei einem Konzert in Bangladesch kein Heroin zu bekommen, wollte Clapton nicht zum Konzert fahren. Doch weil ihm die Versorgung mit Heroin garantiert wurde, stimmte er zu. Auf die Frage von Bandixen, ob Urban zur damaligen Zeit von Claptons Sucht wusste, erzählt der Musikexperte: "Damals standen solche Dinge nicht in den Musikzeitschriften. Es fiel schon auf, dass er auf Konzerten bleich und inaktiv war, dass er irgendwie neben sich stand. Aber man war unbedarft, man hat nicht verstanden, was da los war." Durch die Unterstützung von Freunden wie George Harrison und Pete Townshend fand Clapton im Jahr 1974 nach einigen erfolglosen Entzugsversuchen seinen Weg aus der Heroinsucht. Später bezeichnete Clapton diese Zeit als "verlorene Jahre".
1974: Pattie Boyd und Clapton finden zusammen
Im Jahr 1974 trennte sich Pattie von George Harrison, woraufhin sie und Clapton ein Paar wurden. Doch Clapton war zu dieser Zeit bereits einer neuen Sucht verfallen: Als das Paar 1979 heiratete, war Clapton Alkoholiker, was er selbst laut Urban jedoch nie zugab: "Aber bei Konzerten konnte er mitunter nicht richtig spielen, kürzte diese kurzfristig ab oder fiel in den Verstärker. Überraschenderweise hat er es aber trotzdem geschafft, in jedem Jahr ein einigermaßen gutes Album abzuliefern."
Für Boyd schrieb der Gitarrist die romantische Ballade "Wonderful Tonight". "Der Song ist ein großer Hit, aber auch sehr kitschig", berichtet Urban amüsiert. "Er fand sie einfach wunderschön."
Trotz seiner großen Gefühle für Boyd ging die Beziehung in die Brüche, 1989 reichte das Paar die Scheidung ein. Gründe sollen Claptons Alkoholsucht und Untreue gewesen sein.
Tod von Sohn Conor sorgt für "Tears In Heaven"
Der wohl tragischste Moment in Claptons Leben war der Tod seines Sohnes Conor im Jahr 1991, der aus einer Beziehung mit einem italienischen Model stammte. Conor stürzte aus dem Fenster des 53. Stockwerks eines New Yorker Hochhauses. "Es ist brutal, der Hausmeister hatte das Fenster beim Putzen aufgelassen", berichtet Urban bestürzt. Der Musikexperte traf Clapton im Rahmen eines Interviews damals ein paar Monate vor dem Unfall in einem NDR Studio in Hamburg: "Da erzählte er, dass er einen Sohn hat und so glücklich sei, mit ihm auf Sportveranstaltungen zu gehen." Als Urban Clapton nach dem Unfall wieder interviewte, sprachen sie nicht über das Kind, Clapton habe sich damals nichts anmerken lassen.
Um seine Trauer und den Schmerz über den Verlust seines Kindes zu verarbeiten, schrieb Clapton 1991 gemeinsam mit dem Songwriter Will Jennings den Song "Tears In Heaven". Dieser entstand als Auftragskomposition für den Film "Rush". 13 Jahre später, im Jahr 2004, erklärte Clapton, "Tears in Heaven" nicht mehr live spielen zu wollen, da er die Trauer überwunden habe.
Wie lebt Clapton heute?
Heute soll Clapton, der an einer Nervenkrankheit, einem Tinnitus sowie zunehmendem Gehörverlust leidet, weitestgehend zurückgezogen auf einem Anwesen im englischen Surrey leben. Mit der Geschäftsfrau Melia McEnery, die er 2001 heiratete, hat er drei Töchter. Medienberichten zufolge soll er noch eine weitere Tochter und damit insgesamt fünf Kinder haben. Der Tod seines Freundes George Harrison im Jahr 2001 traf ihn sehr. Trotz ihrer Gefühle für Pattie Boyd waren die Männer Freunde geblieben.
Clapton setzt sich heute mit einer eigens gegründeten Stiftung für Suchtkranke ein, finanzierte diese unter anderem durch den Verkauf seiner Gitarren. Urban resümiert: "Er ist ruhiger geworden, hat Alben gemacht, die vielleicht nicht mehr ganz so groß waren. Aber er macht einen großartigen, zufriedenen Eindruck."
Alle Folgen von Urban Pop hören Sie in der ARD Audiothek.