Aus für unabhängige Forschungsstelle für koloniales Erbe
2014 wurde in Hamburg die europaweit erste unabhängige Forschungsstelle für koloniales Erbe ins Leben gerufen. Nun ist Schluss - möglicherweise weil sie der Stadt zu unbequem wurde, vermutet ihr bisheriger Leiter.
Nun ist die unabhängige Forschungsstelle Geschichte und Professor Jürgen Zimmerer muss umziehen. "Dass diese Bibliothek jetzt quasi verpackt wird und verteilt wird und vielleicht in vier Containern landet und geschreddert wird. Das tut meinem Historikerherzen schon sehr weh", sagt der Historiker voller Wehmut und auch Unverständnis.
Sondermittel finanzierten Forschungsstelle
2014 wurde die Forschungsstelle Hamburgs (post-)koloniales Erbe gegründet. Sie war die erste ihrer Art in Europa und hatte das Ziel, Hamburgs koloniale Vergangenheit zu erforschen.
Der Hamburger Senat finanzierte sie bisher aus Sondermitteln mit 200.000 Euro pro Jahr. Zimmerer ging davon aus, dass dies so bleibt. Im April vergangenen Jahres hieß es von der SPD noch, die Forschung sei nicht gefährdet, im Juli aber beschloss der Wissenschaftsausschuss das Ende.
Forschungsstelle an Uni ansiedeln
"Wir hatten immer das Ziel, mit der Einrichtung der Forschungsstelle dieses Thema auf die Agenda zu setzen und einen Anschub zu leisten", erklärt Michael Gwosdz, Bürgerschaftsabgeordneter der Grünen. Aber es sei auch immer der Plan gewesen, dass die postkoloniale Forschung langfristig an der Universität Hamburg verankert werde.
Künftig soll die Forschung also an die Universität Hamburg angedockt werden. Dafür stellt die Stadt 150.000 Euro bereit. Die Uni unterstützt mit eigenen Mitteln, um das Thema im Forschungsprofil zu stärken.
Dass die bisher unabhängige Forschungsstelle eingestellt wird, trifft bei Jürgen Zimmerer auf Unverständnis: "Ich kann bis heute nicht verstehen, was zwischen April und Juli letzten Jahres passiert ist." Das Einzige sei, dass er und sein Team sich immer mal zu Wort gemeldet hätten.
Unbequeme Wahrheiten veröffentlicht

Im Mai vergangenen Jahres hatte die Forschungsstelle der Stadt vorgeschlagen, im Baakenhafen ein Dokumenationszentrum zu bauen. Der Ort gilt als Drehscheibe für den Genozid an den Herero und Nama. Nun soll hier die von Kühne gestiftete Oper gebaut werden. Außerdem wies die Forschungsstelle nach, dass die Bismarck-Statue im Alten Elbpark ein Kolonialdenkmal ist - bezahlt von den Leuten, die vom deutschen Kolonialismus profitierten.
"Ich denke, dass das etwas war, das dem Senat in Teilen vielleicht zu weit ging", sagt Zimmerer. Eine Aufarbeitung des kolonialen Erbes sei schon erwünscht, aber in "homöopathischen Dosen". Dass aber eine unabhängige Forschungsstelle existiere, die selbst Schwerpunkte setze, das aufarbeite und dann auch keine Genehmigung einholen müsse, um die Ergebnisse zu publizieren, das habe dann wohl zu der Entscheidung geführt, die Forschungsstelle nicht weiterzuführen, sagt der Historiker.
Grünen-Politiker Gwosdz weist Kritik zurück
"Die Arbeit, die die Forschungsstelle gemacht hat und auch ihre Kritik an manchen Vorgaben steht in keinerlei Zusammenhang damit, dass wir die Forschung zum postkolonialen Erbe an der Universität Hamburg verstetigen wollen", sagt hingegen der Grünen-Politiker Michael Gwosdz.
Jürgen Zimmerer wird wieder sein altes Arbeitszimmer im Philosophenturm beziehen. Künftig muss er sich mit seiner Forschung um Drittmittel bewerben. Wie die Stadt ihr koloniales Erbe weiterhin aufarbeitet, wird sich zeigen.
