The Velvet Underground: Früher verschmäht, heute geliebt
Die rauen, schrägen Töne von "The Velvet Underground" fanden in ihrer Entstehungszeit kaum Anklang. Warum die Band heute als eine der einflussreichsten in der Rockgeschichte gilt, erklärt Peter Urban im Podcast Urban Pop.
"The Velvet Underground" gilt heute als eine der wichtigsten Bands der Rockgeschichte. Doch das experimentelle Künstlerkollektiv war in seinen Anfängen Ende der Sechziger und Anfang der siebziger Jahre kommerziell nicht besonders erfolgreich, wie NDR Musikexperte Peter Urban im Podcast Urban Pop erzählt: "Während der Zeit, in der die Musik entstand, haben sie nicht viel verkauft - höchstens mal 200.000 Platten. Im Prinzip floppten damals alle Alben."
Schillernde Persönlichkeiten: Andy Warhol, Lou Reed und Nico
Erst später fand die Musik der Band Anklang, erzählt Urban. Einen Grund dafür sieht sein Podcast-Kollege, der NDR Musikredakteur Ocke Bandixen darin, dass sich in und um "The Velvet Underground" so viele Persönlichkeiten versammelten, die heute als schillernde Figuren und Wegbereiter gelten. So war Andy Warhol, der später für seine Pop Art-Kunst weltberühmt wurde, Manager und Förderer der Band. Bandgründer Lewis Allan "Lou" Reed startete nach seiner Zeit bei "The Velvet Underground" 1972 solo mit dem Album "Transformer" durch, auf dem auch sein bekannter Song "Walk On the Wild Side" erschien. Das deutsche Model Christa Päffgen, die als Sängerin Nico bekannt ist, und beim ersten Album als Gastsängerin mitwirkte, gilt heute als Wegbereiterin für die Musikstile des Gothics und des Punks.
1964: Reed und Cale lernen sich kennen
Ihre Anfänge fand "The Velvet Underground" in New York, wo sich Lou Reed und John Cale 1964 kennenlernten. Der als Einzelgänger geltende Reed, der in seiner Schulzeit auf Long Island gemobbt worden war, arbeitete damals als Songschreiber und Musiker für die Plattenfirma Pickwick Records. Arbeiterkind Cale, der aus einem kleinen Dorf in Wales stammte, und in der klassischen Musikszene als musikalisches Wunderkind galt, war für ein Leonard-Bernstein-Stipendium nach New York gezogen.
1965 traten Reed und Cale erstmals als Duo im Folkclub "Café Bizarr" in Greenwich Village auf. Mit dem Gitarrist Sterling Morrison, der ein alter Schulfreund von Reed war und mit Schlagzeugerin Maureen "Moe" Tucker, der Schwester eines Bekannten, formierte sich "The Velvet Underground".
Elektrische Bratsche, Gebrüll, schiefe Töne und rote Pegel
Cale und Reed liebten es, in Songs nur einen Ton zu spielen und diesen immer lauter und krachender werden zu lassen. Für das Stück "The Ostrich" ihrer ersten Band "The Primitives" hatte Reed alle sechs Saiten seiner Gitarre auf einen Ton gestimmt. Urban erzählt amüsiert: "Reed schlägt immer wieder auf diesen Ton, singt dazu 'The Ostrich' und brüllt - das beeindruckte Cale."
Der Sound einiger "The Velvet Underground"-Songs lässt sich als roh, laut, kompromisslos und ungewöhnlich beschreiben. Reeds und Cales Vorliebe für hohe Lautstärken und schräges Gebrüll kombiniert mit Cales elektronisch verstärkter Bratsche, die für den Sound von "The Velvet Underground" typisch wurde, ergab laut Urban eine chaotische Mischung.
Einer Anekdote nach fand ein Toningenieur, der einmal mit Reed und Cale im Studio war, ihre Musik unerträglich. "Er sagte zu ihnen: 'Ihr nehmt viel zu laut auf, die Pegler sind ständig im roten Bereich.' Also machte der Toningenieur ihnen den Aufnahmeknopf an und ging weg, einen Kaffee trinken. Daraufhin soll der Song 'Sister Ray' entstanden sein", erzählt Urban amüsiert.
Woher der Bandname stammt
"The Velvet Underground" bedeutet übersetzt "Der samtene Untergrund". Der Name stammt aus einem Buch von Michael Leigh. Es beschäftigte sich mit versteckten sexuellen Subkulturen und verbotenen Gelüsten - ein passender Name für eine Band, die in ihrer Musik schon damals Tabuthemen wie Drogen, Gewalt und Sexualität behandelte. So handelt der Song "Venus in Furs" von Sadomasochismus, zur damaligen Zeit ein Skandal. Doch es musste nicht immer laut und schräg sein: So veröffentlichte die experimentelle Band durchaus auch sanfte Songs wie "Sunday Morning" oder "Pale Blue Eyes".
Wie sich "The Velvet Underground" als Band formierte
Erzählungen zufolge kam der exzentrische Künstler, Filmemacher und Verleger Andy Warhol aufgrund von Empfehlungen seiner Entourage ins Café Bizarr, um sich "The Velvet Underground" anzusehen. Und obwohl die Band immer wieder aus dem Café geschmissen wurde, weil sie den Laden leerspielte, heuerte der faszinierte Warhol sie als Begleitband für Ausstellungen, Filmdrehs und Fotoshootings in seiner Factory an. Die radikale Experimentierfreude der Band und ihre rohe, laute, kompromisslose, einzigartige Musik - das schien Warhol zu gefallen. Er nahm sich ihrer als Manager an, produzierte ihr erstes Album und brachte Nico als Sängerin für die erste Platte ins Spiel.
Warum Nico die Band verließ

Das Debütalbum "The Velvet Underground & Nico", das im Jahr 1967 veröffentlicht wurde, ist heute berühmt für sein Cover, auf dem eine von Andy Warhol gestaltete Banane im Pop Art-Stil zu sehen ist.
Doch bereits nach dem ersten Album endete die Zusammenarbeit der Band mit Nico wieder. So soll die Stimmung zwischen Nico und einigen Bandmitgliedern von Spannungen geprägt gewesen sein. Eine Zeit lang waren sie und Reed ein Paar, auch Eifersucht soll eine Rolle gespielt haben. Zudem soll Päffgens Drogenkonsum zu Problemen geführt haben.
Rausschmiss von Andy Warhol und John Cale
Aufgrund des ausbleibenden kommerziellen Erfolgs der Band soll Reed mit Warhol als Manager unzufrieden gewesen sein, woraufhin ihre Zusammenarbeit 1967 endete, Warhol wurde entlassen. "The Velvet Underground" veröffentlichten insgesamt fünf Alben, wobei sich die Formation oft änderte. Nach dem Erscheinen des zweiten Albums "White Light/White Heat" soll Reed 1968 von den Bandmitgliedern Morrison und Tucker verlangt haben, dass sie Cale aus der Band werfen. "Zwischen Reed und Cale stand angeblich immer die Frage im Raum, wer von ihnen der Boss der Band ist", berichtet Urban. Auf die Frage, was der Grund für seinen Ausstieg war, gab Cale in einer Dokumentation jedoch keine Antwort.
Ausstieg von Lou Reed und Doug Yule als Kopf der Band
Kurz darauf wurde der junge, aber erfahrene Musiker Doug Yule Teil der Band. Der Sound von "The Velvet Underground" wurde daraufhin sanfter. Einige Jahre später verlor Reed die Lust an der Band. Nach einem Auftritt im Sommer 1970 wandte er sich an Moe Tucker, die sich zu dieser Zeit in einer Schwangerschaftspause befand und ein Konzert der Band besucht hatte: "Er sagte ihr: 'Moe, I'm leaving' und fuhr weg, ohne jemand Anderem etwas zu sagen", so Urban. Doug Yule wurde daraufhin Kopf der Band. Das letzte Album "Squeeze" erschien 1973. "Aber das hat eigentlich nichts mehr mit 'The Velvet Underground' zu tun, das ist ein Doug Yule-Album", findet Urban.
1972 fanden sich Reed, Cale und Päffgen für eine kleine Reunion in der Pariser Konzerthalle "Bataclan" zusammen. Im Jahr 1988 verstarb Päffgen nach einem Fahrradunfall auf Ibiza. Reed und Cale versuchten sich in den Neunzigern an einer Reunion. Doch weil es zwischen ihnen schon bald wieder zu Streitigkeiten kam, wurde die Tour abgebrochen. Im Jahr 2013 verstarb Reed im Alter von 71 Jahren an Leberversagen.
Musik von The Velvet Underground: Nicht perfekt, aber zeitlos
Bandixen resümiert: "Die Geschichte von 'The Velvet Underground' ist verlustreich. Von Platte zu Platte hat man Abgänge zu verkraften - zuerst Nico, dann John Cale, später Reed. Aber es bleiben unfassbare Aufnahmen - vor allem auf dem ersten Album." Urban pflichtet ihm bei: "Die Platten sind vielleicht nicht perfekt produziert. Aber sie stecken voller zeitloser Größen, die auch heute noch beeindrucken."
Alle Folgen von Urban Pop hören Sie in der ARD Audiothek.
Schlagwörter zu diesem Artikel
Rock und Pop
