Skurril, witzig, dynamisch: Tschechows "Die Möwe" in Hamburg
Am Hamburger Thalia Theater in der Gaußstraße hat Tschechows Dauerbrenner "Die Möwe" am Samstagabend Premiere gefeiert. Die Regisseurin hat das Stück auf einen Badmintonplatz und an ein Filmset versetzt. Ein spannender Kniff.
In so einem Setting ist "Die Möwe" vermutlich noch nicht gespielt worden: Das Publikum blickt auf einen Badmintonplatz: Die Federbälle fliegen zwischen den beiden Teams hin und her, während im Foyer des Theaters die Dreharbeiten für einen Film beginnen sollen.
Leute, was ist das denn? Ich habe gesagt, ich will einen Palast haben und nicht so eine Scheiß-Eisdiele. Was ist das? Ich werde noch wahnsinnig. Sind wir im Kindergarten, oder was? Bühnenzitat aus "Die Möwe"
Spiel mit Geschlechterrollen
Kostja ist hier - anders als bei Tschechow - eine Frau und auch keine angehende Autorin, sondern: Filmregisseurin. Der Dreh wird auf eine Leinwand in den Zuschauerraum übertragen.

Sonst bleibt die Figurenkonstellation im Wesentlichen bestehen: Kostjas Mutter, die gefeierte Schauspielerin Arkadina ist mit ihrem jüngeren Liebhaber, dem Dichter Trigorin zu Gast auf dem Gut ihres Bruders. Während des Besuchs verliebt sich die von Kostja angebetete Nina in Trigorin - bei Merlin Sandmeyer ein geschmeidiger, vom Leben frustrierter und überforderter Mann. Doch für Nina ist er ein Star, der wie die Arkadina für eine ganz andere Kunst steht, als Kostja sie machen möchte.
Ich meine, ist doch alles schon da gewesen. Ein tot subventionierter Saftladen ist das hier. Tot tot tot. Ich meine, es werden doch immer die zehn selben Stücke aufgeführt, geschrieben von irgendwelchen Schriftstellern vor hundert Jahren für irgendwelche tausend Jahre alten weißen Bonzen, deren einziges Problem ist, ob sie nach der Vorstellung noch die letzte S-Bahn kriegen! Bühnenzitat aus "Die Möwe"
Es kommt zum Eklat, denn die Arkadina kann mit dem Film ihrer Tochter nichts anfangen. Sie interessiert sich ausschließlich für sich und ihre Bühnenwelt.
Und wenn ich mein Leben noch einmal von vorne anfangen könnte: Ich weiß nicht, ob ich noch einmal Mutter werden würde.
Ist das Dein Ernst? Wie kannst Du sowas sagen? Das ist furchtbar.
Findest Du?
Bühnenzitat aus "Die Möwe"
Badminton als bildliche Übersetzung für Alltag
Tschechows "Möwe" ist ein Dauerbrenner auf deutschen Bühnen. Die junge Regisseurin Charlotte Sprenger hat ihren Tschechow verinnerlicht, das Zweifeln am eigenen Tun und Sein, das unglückliche Verliebtsein, der Tod - alles drin, doch gewinnt "Die Möwe" durch ihre Inszenierung an Witz und Dynamik. Sie spielt mit Geschlechterrollen, das Ensemble ist viel in Bewegung. Die Schauspieler:innen flitzen zwischen Foyer und Bühne hin und her - oder schwingen die Badminton-Schläger: eine schöne, bildliche Übersetzung für den durch ständige Wiederholungen geprägten Alltag. "Oft ist für mich Tschechow sehr langsam und düster und traurig und melancholisch. Das hat es hier auch, aber halt nicht nur. Es war auch bunt und lustig und heutig. Das mit dem Badminton fand ich super. Dadurch bekommt es eine Skurrilität und ich denke anders über die Dinge nach, die verhandelt werden", so ein Theatergast.
Komödie, wie von Tschechow gewollt
Das tolle Ensemble hat sichtlich Spaß am Spiel, an kleinen Einfällen und Improvisationen. Die Kostüme von Aleksandra Pavlović sind ebenso elegant wie übertrieben - aus jeder Zeit gefallene Hingucker. Diese "Möwe" ist eine Komödie, wie von Tschechow gewollt - und das Zuschauen lohnt unbedingt.
Skurril, witzig, dynamisch: Tschechows "Die Möwe" in Hamburg
Tschechows Dauerbrenner hat am Samstagabend im Thalia-Theater Premiere gefeiert. Ein lohnender Theaterabend.
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- Bühne
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- Ende:
- Ort:
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Thalia Theater
Gaußstraße 190
22765 Hamburg
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