Grandios, zäh, verstörend: "Ubu" am Thalia Theater Hamburg
"Ubu" von Alfred Jarry, eine wilde Farce über Despotismus und gelebte Allmachtsfantasien, wurde 1896 uraufgeführt und ist noch immer aktuell. Das Theaterstück hatte am Freitag Premiere im Thalia Theater Hamburg.
Man meint ihn zu kennen, diesen Mann, der hier, angestachelt von seiner Frau, brutal nach der Macht greift und den gesamten Staatsapparat an sich reißt, nur auf den eigenen Vorteil bedacht.
Berauscht von der eigenen Grobheit
- Wir verändern die Gesetze!
- Ja, Du bist so klug!
- Wir bauen die Justiz um, komplett von A-Z!
- Ja, genau, genau.
Bühnenzitat aus "Ubu"
Dafür verlassen die beiden dann auch einmal ihr Haus. Die meiste Zeit jedoch hocken sie drinnen, kochen hier ihr blutiges Süppchen: Was sich hinter den Wänden abspielt, verfolgt das Publikum über große Leinwände. Es sieht zwei Menschen, die sich in ihrer Grobheit gefallen. "Das war ein herrliches Zusammenspiel von Jens Harzer und seiner Frau, grandioses Spiel, ganz toll", lobt eine Theaterbesucherin.
Wiedergängerin von Lady Macbeth
Mutter Ubu, eine Wiedergängerin von Shakespeares Lady Macbeth, hat keine große Mühe, ihren Mann davon zu überzeugen, den König umzubringen und sich selbst die Krone aufzusetzen. Jens Harzer spielt diese fiese Strippenzieherin, die hier deutlich mehr in den Vordergrund tritt als bei Jarry, mit viel Spaß an der Überzeichnung. Marina Galic wiederum spielt ebenbürtig den tumben, brutalen Vater Ubu.
Der erste Teil des gut zweistündigen Abends ist getragen von der Energie dieses intensiven Miteinanders. Der Regisseur Johan Simons, ein Weggefährte des scheidenden Intendanten Joachim Lux, setzt ganz auf diese beiden. Er zeigt die Ermordung des Königs und anderer Menschen als Spiel im Spiel - mit Hilfe von Puppen und Wäschestücken. Zudem kreiert er eindringliche Bilder, die die ganze Brutalität, Selbstherrlichkeit und auch Lächerlichkeit der Despoten zeigen. Das Publikum ist geteilter Meinung: "Ich fand die erste Stunde sehr überzeugend, vor allem getragen von Jens Harzer, und dann war irgendwie die Luft raus", sagt ein Theaterbesucher. "Ich habe mich zum Schluss wahnsinnig gelangweilt, ich hatte das Gefühl, dass sie nicht fertig geworden sind", bemerkt ein anderer.
Vom Herrscher zum Knecht
Alfred Jarry hat sich mehrfach mit der Figur des Ubu befasst. Johan Simons verbindet in seiner Fassung verschiedene Stücke. Nachdem die Ubus als Herrscher gescheitert sind, beschließen sie u.a., sich als Knechte zu verdingen, nicht ohne Hintergedanken.
Wir wollen aller Welt dienen, aller Welt Dienstboten sein. Und wir wollen aus all diesen freien Menschen Herren und Meisterinnen machen, damit sie uns endlich ihre Befehle erteilen. Bühnenzitat aus "Ubu"
Alfred, Eleuteria und Camille, die nun neu dazu kommen, haben allerdings kein Interesse - bedeutet das doch auch, Freiheit aufzugeben. Aber die Ubus fackeln nicht lange und zwingen die beiden.
Schales Ende nach intensivem Beginn
Das Ensemble findet nach dem intensiven Beginn nicht sofort zusammen, die Inszenierung verliert ihre konzentrierte Form. Es wird reflektiert - über Leben und Tod, den kleinen Tod beim Liebesakt, die Liebe sowieso, das Gefühl beim Schlangestehen, Ameisen, und manche dieser Sätze wirken seltsam schal oder banal. "Ich konnte mit dem Stück überhaupt nichts anfangen", erzählt ein Theaterbesucher. Er habe es Zuhause liegen und müsse es erstmal lesen. "Ich wusste gar nicht, was ich denken sollte, das war wie so ein Fiebertraum", sagt eine Besucherin. Ein anderer Zuschauer bewertet das Stück als: "Grandios und verstörend zugleich."
Zunehmend zäh arbeitet sich der Abend auf sein Ende hin. Nur den Ubus geht nicht die Luft aus. Sie machen immer weiter. Bis heute. Schon nach der Uraufführung schrieb ein Kritiker: Ubu ist unter uns.
Grandios, zäh, verstörend: "Ubu" am Thalia Theater Hamburg
Das Publikum hat die wilde Farce über Despotismus und Allmachtsfantasien mit gemischten Gefühlen aufgenommen.
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Thalia Theater
Alstertor
20095 Hamburg
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