Jens Harzer verlässt Thalia Theater: "Muss diesen Schritt wagen"
Der Iffland-Ring-Träger Jens Harzer verlässt nach 15 Jahren das Thalia Theater in Hamburg und wechselt 2025 ans Berliner Ensemble. Eine Veränderung sei für ihn künstlerisch notwendig, sagt er im Interview mit NDR Kultur.
Wenn ein Theaterintendant oder eine Theaterintendantin den Posten räumen, dann passiert etwas Besonderes: Das Theaterkarussell beginnt sich zu drehen. Thalia-Theater-Intendant Joachim Lux geht zum Sommer 2025 und schon sickern ein paar Personalien durch. Die haben es selbst für eine Theaterstadt wie Hamburg in sich: Die Schauspielstars Jens Harzer, Marina Galic und Sebastian Zimmler gehen ans Berliner Ensemble.
Jens Harzer, was bedeutet Ihnen persönlich dieser Wechsel nach Berlin, nach immerhin 15 Jahren am Thalia Theater?
Jens Harzer: Was das mit Berlin bedeutet, weiß ich nicht. Ich habe gewisse Vorstellungen, denn ich habe schon in Berlin gearbeitet, aber wichtiger ist erstmal der Weggang von Hamburg. Das ist das entscheidende Motiv. Für mich war klar, dass man nach so einer langen Zeit das Haus verlassen sollte. Das war ein ganz wichtiger Impuls.
Der Impuls wird durch das Ende der Ära von Intendant Joachim Lux ausgelöst. Ist es nach 15 Jahren gut für Sie, zu sagen, "ich schnüre meinen Rucksack und und lasse mich an einem anderen Ort neu inspirieren"?
Harzer: Ja, natürlich. Ich glaube, ich habe ein relativ gut ausgeprägtes Verständnis dafür, wann Dinge vorbei sind. Das liegt daran, dass ich schon als sehr junger Schauspieler sehr lange in einem intensiverem und gewichtigerem Theatersystem gearbeitet habe - mit Dieter Dorn erst an den Kammerspielen und dann in einem Residenztheater.
Damals habe ich genau gespürt, wann man die Möglichkeiten erweitern muss. Eigentlich bin ich per se ein sehr treuer Schauspieler. In Hamburg sagt mir mein Gefühl eindeutig, dass ich trotz des Zugehörigkeitsgefühls zum Thalia-Theater diesen Schritt wagen muss. Ich mache das jetzt schon seit 2018 und ich bin nur noch halb in Hamburg und die andere Hälfte in Bochum. Dort habe ich das auch schon in gewisser Weise in Szene gesetzt, aber jetzt eben mit einem richtigen Wechsel. Wenn man die scheinbaren Bedingungen eines Theaters gut kennengelernt hat, ist es künstlerisch notwendig, den Ort zu wechseln.
Was lockt Sie nach Berlin, ans Berliner Ensemble zu Oliver Reese?
Harzer: In mir ging schon relativ lange die Frage um, wie es nach so einer langen Epoche in Hamburg weitergeht. Ich habe mich gefragt, was ist denn eigentlich in Hamburg übrig geblieben? Was hat man wirklich erreicht? Ich muss ehrlich sagen, die wichtigen Arbeiten in den letzten sieben Jahren habe ich ausschließlich in Bochum gemacht, nicht in Hamburg. Das finde ich bemerkenswert. So war die Überlegung, wie und an welchem Ort werde ich mich als nächstes fest binden, wenn ich das überhaupt mache. Aber die Zeit in Bochum werde ich noch mit Johan Simons zu Ende machen.
Ich kenne Oliver Reese sehr lange und ich habe am Deutschen Theater gearbeitet, da gibt es eine persönliche Verbindung. In Berlin gibt es die Idee, auf Regisseure zu treffen oder Projekte zu machen, die ich in Hamburg nicht gemacht habe. Außerdem will ich gewisse Kontinuitäten mit nach Berlin nehmen. Zum Beispiel das Umfeld von Johan Simons, die ohne mein Hingehen nach Berlin vielleicht nicht dort wären. Das soll nicht kokett klingen.
Es ist noch ein bisschen früh für Rückblicke. Aber ist es auch ein Stück Wehmut, was Sie mit Hamburg verbinden? Und was sind Gedanken, Erinnerungen, vielleicht auch Highlights, die Sie mit Hamburg verbinden?
Harzer: Ich hatte es anfangs relativ schwer in Hamburg anzukommen, aber über die Dauer ist mir dieses Theater schon sehr wichtig geworden. Das Theater ist einfach ein notwendiger Ort. Trotzdem halte ich dieses Haus für eines der stolzesten Theater, die ich kennengelernt habe. Wenn ich weggehe, wird mir dieses ganz stolze innere Thalia-Theater fehlen, was letztlich aus der Zeit von Jürgen Flimm kommt und was wirklich zu spüren ist - auch wenn das lange Zeit her ist. In dem Zusammenhang fühle ich mich dem Haus verbunden und darin auch Menschen, Ankleidern, Beleuchtern, Mitarbeitern, die den sehr speziellen Sound dieses Theaters ausmachen.
Sie merken, dass ich das und nicht andere Sachen betone. Man muss auch für andere Platz machen, und das soll gar nicht altruistisch klingen. Ich hatte die Chance, exponiert arbeiten zu können, zumindest habe ich mir das am Thalia Theater rausgenommen. Man muss für alle, die jetzt kommen, Platz machen, obwohl man eine eigene Familie und Kinder hat. Meine Vorstellung von dem Beruf war nie eine bürgerliche. Wenn man an einem Ort bleibt, wenn man sich zu einem Haus zugehörig fühlt, muss das schon aufgrund einer großen künstlerischen Notwendigkeit sein. Ehrlich gesagt: Ich denke, künstlerisch sind wir vielleicht zu lange dort gewesen. Das ist ein einschneidender Weg, aber ich denke, es ist der richtige.
Das Gespräch führte Peter Helling.