"Das Leben ein Traum": Großes Schauspiel, aber zu viel gewollt
Das Thalia Theater in Hamburg gibt einem Regie-Star die Bühne: dem Niederländer Johan Simons, der hier schon ganz große Abende inszeniert hat. Diesmal ist es Pedro Calderón de la Barcas "Das Leben ein Traum", ein barockes und selten gespieltes Stück von 1635.
Knapp über der Bühne hängt regungslos eine Weltkugel, von einem Scheinwerfer getroffen. Und ringsum bauen die Schauspieler und Schauspielerinnen Tische auf ein sich langsam drehendes Podest. Ein meterhoher Spiegel dreht sich mit und reflektiert das Licht. Ein großes, barockes Bild - auf der gefühlt leeren Bühne.
Die Tür steht offen, ist ein finsteres Loch, aus dem die Nacht geboren und sich am Tag ins Innere zurückzieht. Zitat aus "Das Leben ein Traum"
Marina Galic fällt ständig der künstliche Schnurrbart ab, sie hat Reserven in der Jackentasche: Alles lebt von der Poesie der Mittel. Das Ensemble wirkt wie eine Gauklertruppe, hellwach, lebendig. Ein König, würdevoll und intensiv gespielt von Christiane von Poelnitz, hat seinen eigenen Sohn ins Verlies gesperrt. Die Sterne hätten ihm prophezeit: Wenn der mal König wird, wird er ein monströser, brutaler Herrscher.
Die Prophezeiung lässt sich vielleicht mildern, denn der freie Menschenwille steht doch über allen Sternen, das möchte ich jetzt überprüfen. Zitat aus "Das Leben ein Traum"
Jens Harzer brilliert als Prinz Sigismund
Also lässt er ihn frei, für einen Tag, gibt ihm den Thron. Jens Harzer spielt Prinz Sigismund: Er wird in künstlichen Schlaf versetzt, aus dem Kerker geholt. Im schlimmsten Fall kann man ihn ja wieder einschläfern und sagen, es war alles nur ein Traum. Der Plan geht gründlich schief. "Es war anstrengend, ohne Pause, und ein schweres Thema. Es war großartig gespielt, aber gewöhnungsbedürftig", sagt eine Theaterbesucherin.
Wie Harzer im Palast aufwacht, wie er von den Höflingen angekleidet, weiß geschminkt wird, ist sensationell gespielt: Er wirkt wie ein tapsiger Clown, ein gefährliches alt gewordenes Kind, mit vorgestellter Hüfte, hochgezogener Hose, wie ein Stummfilmstar.
Nichts ist, wie es scheint, so träum ich, aber es stimmt nicht, ich kann ja sehen, dass ich wach bin. Ich fühle nämlich, was ich bin. Zitat aus "Das Leben ein Traum"
Clownerie, Tanznummern, Schwertkämpfe
"Mir kam es manchmal so vor wie absurdes Theater, wie ein Stück von Beckett oder sowas, das hat mir besonders gut gefallen, dass es auch eine gewisse Sinnlosigkeit hatte", zeigt sich ein Besucher angetan. Schminke, Theaterblut, Eiscreme - es wimmelt nur von Ideen, von Clownerie, es gibt spanische Tanznummern und Schwertkämpfe, die schön missraten. Und: Dies ist eine Geschichte der unterdrückten Dämonen. Wenn wir sie wegsperren, kehren sie als Monster zurück. Vor allem - wenn sie ohne Liebe aufwachsen.
Sigismund, das schmerzt mich sehr, denn ich bin hierhergekommen, um zu sehen, wie du die Sterne und dein böses Los besiegst, aber ich seh dich lediglich als Sklaven deines Jähzorns Zitat aus "Das Leben ein Traum"
Jens Harzer spielt gefährlich, toxisch, lauernd, dann wieder verletzlich, ein ungeliebtes Kind, das ist ganz große Bühnenkunst. Und plötzlich entfesselt der träumende Prinz einen Bürgerkrieg, ist er der große Befreier - oder ein neuer Diktator?
Inszenierung zäh und zu lang
Leider bleibt der Abend in der Regie von Johan Simons in seinem Ideenreichtum stecken, der Abend, der brillant begann, wird zäh, wird zu lang. "Die schauspielerische Leistung war klasse, aber das Stück an sich - what for? Ich fands unterirdisch, langweilig, selbstgefällig, ohne Sinn und Verstand", kritisiert ein Premierenbesucher. Eine Zuschauerin ergänzt: "Ich fand ein paar Ideen ganz toll, insgesamt war es mir ein bisschen zu lang."
Großes Schauspiel, aber zu viel gewollt: Ein am Ende eitler Abend, der sich leider selbst bespiegelt und nichts mehr aussendet. Wie ein traumloser Schlaf.