Eine Ziehharmonika als Bungalow: Schau zur Raumerweiterungshalle
An der Ostseeküste stand sie als Gaststätte, in der Feldberger Seenlandschaft gab es sie als Ferien-Bungalows, in Schwerin wurde sie als Kaufhalle genutzt. Das sind nur einige wenige Beispiele für die Raumerweiterungshalle. Jetzt steht sie in Wismar.
In der DDR war die Raumerweiterungshalle allgemein bekannt unter dem Namen Ziehharmonika-Halle, weil sie mit ihren mehreren Teilen wie eine auseinandergezogene Ziehharmonika aussah. Diese Halle wurde bis 1989 in der Boizenburg produziert. Ihrer Geschichte widmet sich nun eine kleine Schau im Wismarer Phantechnikum. Die Sonderausstellung ist bis zum 2. November zu sehen.
Geschichte der Raumerweiterungshalle begann in Boitzenburg
Die Geschichte der Raumerweiterungshalle begann 1959 in der westmecklenburgischen Kleinstadt Boizenburg. Das Prinzip der Halle war, dass sie mit einem Fahrzeug in viele Hallenflächen transportiert werden sollte, erzählte Klaus Both 2012 in einem ausführlichen NDR-Gespräch. "Das ging mit dieser Art des Zusammenbaus, wo Seitenwände und Dächer gleichzeitig in der Firma vorgefertigt werden." Eine günstige Lösung, sagt Both. Sein Vater war Helmut Both, er hatte Ende der 1950er-Jahre die Halle auf den Weg gebracht: "Mein Vater hatte sich damals mit einigen anderen Firmen zusammengeschlossen, um neue Dinge auf den Markt zu bringen. Da kam dann eine Eisverkaufsbude auf Rädern heraus." Die Entwicklung brachte dann eine Vergrößerung. "Es musste größer werden und auseinanderschiebbar sein."
Raumerweiterungshalle auch auf Baustellen
Zunächst wurden bis 1966 in der Boizenburger Maschinenbaufirma genau 50, zunächst kleinere Hallen gefertigt. Ingenieur Klaus Both entwarf dann eine größere Halle, die ursprünglich als Provisorium gedacht war: "Bei allen Hallen, die als Kaufhalle oder Gaststätten geliefert wurden, war in der Regel von den Gemeinden vorgesehen, auch mal was Festes zu bauen. Die Idee war es Baustelleneinrichtungen zu bauen, sodass die Baustelle wandert." Also sind die Hallen in den Tagebauten damals rund um Leipzig mitgewandert, sagt Ingenieur Klaus Both.
Auf- und Abbauen: Grundidee der Raumerweiterungshalle
Dieses Auf- und Abbauen, wie eben in Tagebauten, war die Grundidee der Raumerweiterungshalle. Es gab kein Fundament, die Halle stand auf Platten, sagt Both: "Der erste Tunnel ist fest verschweißt gewesen. Die Tunnel zwei bis acht wurden von Hand ausgeschoben." In der Regel gab es für diese Montage immer sechs Fachkräfte, erklärt Both. "Die Tunnel zwei bis acht liefen immer auf Rollen in den Laufschienen." Wenn der Fußboden ausgelegt war und der achte Tunnel angeschoben wurde, dann gelang es, dass die anderen Tunnel alle mit rausgezogen wurden. So funktionierte die Raumerweiterungshalle.
Bis April 1989 entstanden in Boizenburg rund 3.400 Raumerweiterungshallen (REH). Dann wurde die Produktion eingestellt, unter anderem, weil die Idee sich kaum für den Export eignete. Es konnten nur einige wenige Hallen in die Sowjetunion, die Niederlande, Ägypten und den Iran verkauft werden.
Nachlass von Klaus Both übernahm Hochschule in Wismar
Klaus Both starb 2020, seinen Nachlass übernahm die Hochschule in Wismar. Mit ihrer Hilfe entstand diese kleine Schau im Phantechnikum. Professor Matthias Ludwig beschäftigt sich seit Jahren mit der Raumerweiterungshalle: "Das Besondere ist auf jeden Fall dieses Konzept eines mobilen und erweiterbaren Raumes und der Mobilität von Architektur. Denn normalerweise sind Häuser, also Immobilien immobil. Die Raumerweiterungshalle ist dagegen mobil." Ein interessantes Konzept, findet Ludwig. Es sei eine technologisch sehr interessante Herausforderung gewesen, diese Halle zu bauen und zu konstruieren. "Wir finden es schade, dass von den Hallen momentan noch sehr wenige zu finden sind. Ich würde das auf jeden Fall auf das Niveau von einem schützenswerten Baudenkmal heben."
Auf der Suche nach einem Original für die Ausstellung
Im Mittelpunkt der neuen Schau steht ein 1:50 Modell, das dem Boizenburger Stadtmuseum gehört. Daneben erfährt der Besucher auf mehreren Tafeln Wissenswertes über die Geschichte der Halle. Der Direktor des Phantechnikum, Michael Rahnfeld, würde gerne eine Original-Raumerweiterungshalle im Technischen Landesmuseum zeigen: "Wir hatten seit 2022 schon drei Hallen in den Blick genommen. Da sind wir auch zwischen Stuttgart, dem Weimarer Land und dem lokalen Umfeld auf Reise gegangen. Das hat bisher noch nicht gefruchtet. Wir suchen weiter."
Sollte sich eine Halle für das Museum finden, müsste diese aber auch in einem entsprechenden Zustand sein, um sie überhaupt nach Wismar zu transportieren, erklärt Rahnfeld: "Wichtig ist, dass die Hallen in Benutzung sind. Wenn sie in Benutzung sind, dann sind sie oftmals in einem guten Zustand." Preislich würden sie sich um die 30.000 bis 35.000 Euro bewegen, sagt Rahnfeld. Michael Rahnfeld hofft bei einem Ankauf auf Fördermittel und schaut auf die kommenden Jahre: "Wir haben schon die eine oder andere Förderung in den Blick genommen." Richtig Fahrt aufgenommen werde ab 2026. Danach könnten noch drei bis vier Jahre ins Land gehen, bis eine REH auf dem Gelände des Phantechnikums steht.
Raumerweiterungshallen in Stralsund und auf Rügen
Wer nicht so lange warten möchte, für den gibt es beim Hostel Stralsund eine Raumerweiterungshalle aus Boizenburg zu sehen, ebenso auch auf Rügen auf dem "Krüger Naturcamping-Platz" im Nationalpark Jasmund. Dort gibt es die Gaststätte "Zur Spechthöhle".
