Album der Woche: NDR Radiophilharmonie spielt Emilie Mayer
2019 begann die NDR Radiophilharmonie mit der Einspielung sämtlicher sechs erhaltenen Sinfonien von der mecklenburgischen Komponistin Emilie Mayer. Jetzt erschien die dritte und letzte CD mit den Sinfonien Nr. 4 und 6.
Die Komponistin Emilie Mayer aus dem mecklenburgischen Friedland wird erst seit den letzten Jahrzehnten allmählich wiederentdeckt. Sie studierte in Stettin bei Carl Loewe und wirkte lange in Berlin. Sie ist wahrscheinlich die erste und eine der wenigen hauptberuflichen Komponistinnen im 19. Jahrhundert überhaupt. Sie war europaweit bekannt, doch ihre Werke gerieten nach ihrem Tod 1883 in Vergessenheit.
Witz, Charme und unendlich viel Fantasie
Resolut und ein bisschen widerborstig klingt das Scherzo-Thema aus der 6. Sinfonie von Emilie Mayer. Die aus Mecklenburg gebürtige Komponistin hat Witz, Charme und vor allem unendlich viel Fantasie! Zwingend baut sie musikalische Höhepunkte auf. Ihre Musik ist energetisch und dramatisch. Das setzt Dirigent Jan Willem de Vriend mit der NDR Radiophilharmonie packend um. Er spürt den an- und abschwellenden Verläufen sensibel nach und schießt dabei weder übers Ziel hinaus noch verliert er den Spannungsfaden.
Ein Trauermarsch mit bedrohlichen Trommeln im Untergrund - das ist der zweite Satz der Sechsten. Klar denkt man schnell an den Trauermarsch aus Beethovens "Eroica"-Sinfonie, aber Emilie Mayer kopiert Beethoven nicht.
Acht Sinfonien hat Emilie Mayer geschrieben, nur sechs sind erhalten, und von der vierten Sinfonie in h-Moll ist nur eine Fassung für Klavier zu vier Händen überliefert. Schon vor ein paar Jahren wurde davon eine Orchestrierung versucht. Die NDR Radiophilharmonie hat jetzt einen der renommiertesten Arrangeure mit einer Neu-Orchestrierung beauftragt: Andreas N. Tarkmann. Der hat sich genauestens an den von Emilie Mayer instrumentierten Sinfonien orientiert - so gut, dass man keinen Unterschied hört.
Emilie Mayer: Der "weibliche Beethoven"
Weil sie so viel nie nachlassende Energie und packenden rhythmischen Drive hat, wurde Emilie Mayer schon zu Lebzeiten "weiblicher Beethoven" genannt. Nachvollziehbar, aber sie ist eine eigenständige Komponistin, und hat auch einen romantischen Ton.
Bei ihren wuchtigen Steigerungen kommt einem Richard Wagner in den Sinn. Kann schon sein, dass Emilie Mayer von Wagners Opern wusste, aber als sie 1851 ihre vierte Sinfonie schrieb, war Wagner noch nicht sehr bekannt.
Wie Emilie Mayer Steigerungen anlegt, wie sie Themen gestaltet und verarbeitet, das ist einfach gekonnt. Dabei wird sie nie banal, sie ist immer originell und zwingend.
Berührend und leidenschaftlich
Jan Willem de Vriend und die NDR Radiophilharmonie haben detailgenau gearbeitet; sie sorgen für Durchsichtigkeit und sie sind leidenschaftlich. Das berührt und zeigt, wie lohnend diese bislang kaum bekannten Sinfonien der mecklenburgischen Komponistin sind. Es ist auch eine Musik, die beim wiederholten Hören immer mehr begeistert.
Emilie Mayer: Sinfonie Nr. 4 h-Moll
- Zusatzinfo:
- Emilie Mayer: Sinfonie Nr. 4 h-Moll rekonstruierte Orchestrierung von Andreas N. Tarkmann, Sinfonie Nr. 6 E-Dur NDR Radiophilharmonie, Jan Willem de Vriend
- Label:
- cpo
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