Vor 25 Jahren: Michael Jacksons seltsamer Zoo-Besuch in Hamburg
Am 31. März 2000 steht plötzlich der "King of Pop" in Hagenbecks Tierpark, füttert Elefanten, streichelt Orang-Utans und bestaunt das Walross "Antje". Ist er es wirklich? Oder handelt es sich um einen verfrühten Aprilscherz?
Als die beiden schwarzen Limousinen mit den dunklen Scheiben das Eingangstor von Hagenbecks Tierpark passieren, weiß der Zoo-Chef Joachim Weinlig-Hagenbeck: Der Moment der Wahrheit naht. Entweder steigt hier gleich wirklich Superstar Michael Jackson aus dem Auto und schüttelt ihm die Hand. Dann dürfte ihm die Bewunderung seines Teams, seiner Familie und der Öffentlichkeit gewiss sein. Oder es ist doch nur ein Jackson-Double und das ganze Spektakel ein gemeiner Bluff - und er blamiert bis auf die Knochen. "Mir war klar: Zu 80 Prozent werden wir jetzt behumst. Das war Risiko", sagt Weinlig-Hagenbeck 2025 im Gespräch mit dem NDR. "Sie können sich gar nicht vorstellen, was da für eine Spannung in der Luft lag."
Heimlicher Besuch - keine Presse, keine Paparazzi, keine Fans
Am Tag zuvor hatte im Zoo das Telefon geklingelt: Ein deutscher Promi-Agent war am Apparat und kündigte an, am Freitag, dem 31. März 2000, abends nach Toresschluss werde Michael Jackson vorbeikommen. Es gelte absolute Diskretion. Der Park müsse bis auf wenige Mitarbeiter menschenleer sein, keine Presse, keine Paparazzi, keine Fans. Der damalige Tierpark-Leiter Weinlig-Hagenbeck lässt sich auf das Spiel ein, denn: Was, wenn es wahr wäre? "Das gäbe eine wunderbare Presse, und das war alles, was mich daran interessierte", erzählt er. Und genau deshalb verstößt er beim Besuch von "Jacko" auch gegen eine Regel des Agenten: Er schleust einen Fotografen von der Deutschen Presse-Agentur (dpa) mit in den Park.
Weinlig-Hagenbeck schwingt sich auf ein Rad und geleitet die Limousinen zur ersten Station des Besuchs: zum Elefanten-Gehege. Die Fahrzeuge halten, die Türen gehen auf, mehrere Menschen steigen aus. Das ist der Moment. Weinlig-Hagenbeck spricht gerade mit den Elefanten-Pflegern und sieht die Menschen hinter sich nicht - und trotzdem weiß er in dieser Sekunde, dass jetzt der echte Michael Jackson in seinem Tierpark steht. Er sieht es an der Reaktion seiner Mitarbeiter: "Die Pfleger waren komplett erstarrt. Ich spürte, dass sie dachten: Jetzt wird das wahr, was sie nicht für möglich gehalten hatten. Das war eine irre Wirkung."
Jacksons größte Erfolge liegen hinter ihm
Michael Jackson ist zu diesem Zeitpunkt 41 Jahre alt. Ein Großteil seiner sagenhaften Musikkarriere liegt bereits hinter ihm. Sein Album "Thriller" - das mit rund 67 Millionen Exemplaren meistverkaufte Album aller Zeiten - erschien 1982, die Alben "Bad" und "Dangerous" folgten 1987 und 1991. Jackson steht seit Jahrzehnten im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses, und es gibt kaum Menschen, die keine Meinung über ihn, seine Musik, seine spektakulären Live-Auftritte oder sein sich wandelndes Äußeres haben. Oder die ihn nicht zumindest ein bisschen nachahmen können - etwa sein ständiges "I love you" oder den ikonischen Moonwalk.
Kindesmissbrauch? Anschuldigungen, aber kein Gerichtsurteil
Auch damals gibt es schon Gerüchte und Anschuldigungen gegen Jackson, er habe Kinder missbraucht; verurteilt wurde er dafür bis zu seinem Tod im Jahr 2009 nie. Der "King of Pop" gilt als absoluter Exzentriker, er lebt in einem eigenen Vergnügungspark mit Karussells, Kino, Eisenbahn und exotischen Tieren: auf seiner kalifornischen "Neverland-Ranch", benannt nach einem Ort aus dem Kinderbuch-Klassiker "Peter Pan", in dem es um einen Jungen geht, der nie erwachsen wird. Und ganz nah bei sich hat er immer ein Haustier, das durch ihn selbst zum Star wurde: Schimpanse "Bubbles". Michael Jackson ist im Jahr 2000 eine mindestens skurrile Figur.
"So was habe ich noch nie gesehen"
Und nun steht er da in Stellingen und füttert Elefanten. Während sein Team noch ganz baff ist, sichert sich Joachim Weinlig-Hagenbeck schnell das, was er möchte: eine Unterschrift des Stars im Goldenen Buch des Tierparks und Fotos. Zu zweien lässt sich Michael Jackson überreden, eins beim Handschlag mit dem Zoo-Chef, eins vor Elefantendame "Mogli". Für die Fotos entfernt er sogar kurz "diese merkwürdige Gardine, die er vor der Nase hatte", so der Zoo-Chef. Viel von seinem Gesicht zu sehen ist trotzdem nicht: Er trägt eine große Sonnenbrille. Als sich Michael Jackson über das Goldene Buch beugt, um zu unterschreiben, kann Weinlig-Hagenbeck kurz hinter die Brillengläser schauen: "Der hatte sehr merkwürdige Augen. Die sahen aus wie gesplittertes Glas. So was habe ich noch nie gesehen", sagt er 25 Jahre nach dem Ereignis, immer noch merklich angetan.
"Der wusste was von Tieren"
Vom Elefanten-Gehege aus schlendert Michael Jackson nun mit einem Teil seiner Entourage "ganz entspannt und bescheiden und ohne jede Show", wie Weinlig-Hagenbeck sagt, durch den Hamburger Tierpark. Der Star schaut sich alles an: Zebras, Pelikane, Nasenbären, Leoparden, Eisbären. Und "Antje", das Walross, das Maskottchen des NDR, das damals noch lebt. Eine besondere Station ist das Orang-Utan-Haus, das Michael Jackson sogar betreten darf. "Das", sagt Weinlig-Hagenbeck im Jahr 2025, "würde man heute natürlich nicht mehr tun, aus Sicherheitsgründen und um die Übertragung von Krankheiten zu vermeiden."
Im Jahr 2000 aber darf Michael Jackson ganz nah an die Tiere heran - und die an ihn. "Orang-Utans sind ungeheuer schöne, sanfte Tiere. Das Lustige war aber: Die hangelten sich von der Decke runter zu Michael Jackson und haben ihm als Erstes diesen Schleier abgenommen", erzählt Weinlig-Hagenbeck und lacht laut. "Er hat aber ganz cool reagiert." Überhaupt habe man dem Star angemerkt, dass er Erfahrung im Umgang mit Exoten habe, so Weinlig-Hagenbeck: "Der wusste was von Tieren. Der war ganz scheulos, ist direkt auf die Tiere zu und hat sie gestreichelt."
Michael Jackson in Hagenbecks Tierpark? Niemals!
Nach rund zwei Stunden verabschiedet sich Michael Jackson von seinem Gastgeber, setzt sich in eine der Limousinen und verschwindet ins selbe Nichts, aus dem er gekommen war. Von einem Deutschland-Aufenthalt des Stars ist zu diesem Zeitpunkt nichts bekannt. Das macht das, was nun folgen sollte, schwieriger, und auch der Zeitpunkt ist ungünstig: Joachim Weinlig-Hagenbeck will die sensationelle Geschichte der Presse verkaufen und kontaktiert die "Welt am Sonntag".
Doch die glaubt an einen Aprilscherz. Michael Jackson heimlich in Hagenbecks Tierpark? Niemals! Die Bilder des dpa-Fotografen sind auch kein Beweis, denn Jackson-Doubles gibt es damals reichlich. Und so bleibt der Leiter des Tierparks erst mal auf seiner Geschichte sitzen. Bis wenig später noch etwas Kurioses passiert und eine Polizeistreife den Jackson-Tross an der Autobahn Richtung Hannover kontrolliert. Und unversehens den Pass der Musik-Legende in der Hand hält. Jetzt ist endgültig und amtlich klar: Der Mann in Hagenbecks Tierpark war wirklich Michael Jackson.
