"Ramadanfest" oder "Zuckerfest"? Streit um Begrifflichkeiten
Nach vier Wochen geht der Ramadan mit einem dreitägigen Fest zu Ende, das auf Arabisch "Eid" und auf Türkisch "Bayram" genannt wird. Den Begriff "Zuckerfest" kennt man nur im türkischen Kontext.
"Die Bezeichnung 'Zuckerfest' (…) geht auf die osmanische Zeit zurück", erklärt der Wissenschaftler Yunus Ulusoy. "Es gibt unterschiedliche Legenden darüber, warum der Begriff Zuckerfest verwendet worden ist. Eine besagt, weil man gefastet hat und am Ende des Fastenmonats 'schükür', also Dankbarkeit aufweist, dass man es geschafft hat. 'Schükür' und 'scheker', also Zucker, haben denselben Wortstamm, sodass daraus im Laufe der Jahre 'scheker' geworden ist."
Der Mitarbeiter des Zentrums für Türkeistudien in Essen hat sich mit der Herkunft des Begriffs "Zuckerfest" beschäftigt. Er klärt das Missverständnis auf, dass es sich dabei in erster Linie um das Verteilen von Süßem handele - auch wenn das für manche eine Rolle spielt: "Wenn man morgens zum Bayram-Gebet geht, isst man nicht, aber man nimmt etwas Süßes zu sich - der Prophet hat Datteln oder etwas Süßes gegessen. Daraus hat sich dann der Begriff 'Zuckerfest' entwickelt."
Begriff "Ramazan Bayrami" verdrängt "Eid al-Fitr"
Bayram - dieses Wort stammt aus dem Osmanischen und wird daher in der Türkei und in anderen Ländern des früheren osmanischen Reiches wie Bosnien oder Albanien benutzt. In anderen Ländern der islamischen Welt benutzt man dagegen vorzugsweise das arabische Wort "Eid" für Fest, abgeleitet von dem Ausdruck "Eid al-Fitr", das "Fest des Fastenbrechens". Dieses Fest ist neben dem Opferfest, das vier Tage gefeiert wird, das zweite große Fest in der islamischen Tradition. Es wird auch "das kleine Fest" genannt, im Gegensatz zu dem größeren Opferfest. Auch in der Türkei wurde der Ausdruck "Eid al-Fitr" über Jahrzehnte hinweg benutzt, dann aber geändert, hin zum "Ramazan Bayrami", dem Ramadan-Fest, so Yunus Ulusoy: "Der Begriff Ramazan-Fest, wie wir es im Türkischen verwenden, ist etwas neuer. Man hat es früher entweder 'Eid al-Fitr' genannt oder eben 'Zuckerfest'."
Religiöse Türken kritisieren Begriff "Zuckerfest"
Es seien vor allem religiöse Türken, so Ulusoy, die darauf drängen würden, den Begriff "Zuckerfest" nicht mehr zu benutzen - und stattdessen den Begriff "Ramadanfest". Seit einigen Jahren sei eine Debatte um diese Begrifflichkeiten entstanden. "Heute meinen manche Kreise, die sich dem religiösen Spektrum zugehörig fühlen, durch die Bezeichnung 'Zuckerfest' werde der Ramadan abgewertet."
Von Seiten der religiösen Türken, auch in Deutschland, wird zudem oft behauptet, der Begriff "Zuckerfest" sei Mitte des letzten Jahrhunderts seitens der Kemalisten erfunden worden, um sich von dem Ramadan-Fest der Religiösen abzugrenzen - vergleichbar mit der ehemaligen DDR, wo beispielsweise die "Weihnachtsfeier" in "Jahresendfeier" umbenannt wurde. Wissenschaftler Ulusoy ordnet ein: "Wenn jemand Scheker-Bayram gesagt hat, hat er damit natürlich Ramadan-Fest verbunden. Man hat auch nie überlegt, ob man den richtigen oder den falschen Ausdruck verwendet, weil es einfach so gängig war. Dass dann jemand Begrifflichkeiten durchsetzen will, das ist etwas, was ich aus der Türkei kenne."
Disput wird in Social Media weitergeführt
Yunus Ulusoy, der selber fastet, beobachtet, dass die Diskussion um diese beiden Begriffe auch seit einigen Jahren in Deutschland unter den hier lebenden türkeistämmigen Muslim*innen geführt wird: "Der Eine hat vorbildlich 'Ramazan Bayrami' gratuliert, der Andere hat den Begriff 'Zuckerfest' verwendet. Der Unterschied war, dass beide gleichbedeutend waren und akzeptiert wurden. Heute gibt es vor allem durch die sozialen Medien diesen Disput, der dann weitergetragen wird, dass man korrigiert wird. Wenn Du auf Deiner Facebook-Seite sagst: Ich gratuliere allen Muslimen zum Zuckerfest - gibt es mit Sicherheit welche, die unten kommentieren, dass das aber kein Zuckerfest, sondern Ramadan-Fest ist."
Süße Speisen zum Abschluss des Ramadan
Durch die Arbeitsmigration hat sich auch in Deutschland seit Jahrzehnten der Begriff "Zuckerfest" etabliert. Doch egal, welche der möglichen Glückwunschformeln benutzt wird, letztendlich geht es auch bei dem Fest am Ende des Ramadans um den Genuss von süßen Speisen: "Man geht zur Moschee, verrichtet das Gebet, kommt nach Hause, und dann gibt es das Ritual 'Bayram lashmak', das heißt, man grüßt einander und gratuliert einander zum Fest. Man frühstückt gemeinsam, man empfängt viel Besuch und besucht andere, auch Ältere oder Nachbarn. Jeder bringt etwas mit, und das sind in der Regel Süßigkeiten."
