Tabletten aus einem Glasfläschchen ergießen sich auf schwarzen Tisch (Bild: colourbox.de) © colourbox.de

Statine: Wirkung und Nebenwirkungen der Cholesterinsenker

Stand: 04.02.2025 09:17 Uhr | vom Rundfunk Berlin-Brandenburg-Logo

Statine sind Cholesterinsenker. Die Medikamente werden gegen hohes Cholesterin, zum Schutz vor Arteriosklerose, Herzinfarkt und Schlaganfall eingesetzt. Doch sie können Nebenwirkungen haben. Wer braucht sie wirklich?

von Ursula Stamm

Statine sind verschreibungspflichtige Medikamente, die gegen zu hohe Cholesterinwerte im Blut eingesetzt werden. In Deutschland werden laut Arzneiverordnungsreport 2023 Statine für bis zu neun Millionen Menschen verschrieben. Hohes Cholesterin, vor allem das sogenannte LDL-Cholesterin ("low density lipoprotein"), ist ein entscheidender Risikofaktor für Arterienverkalkung (Arteriosklerose) und damit für Herzinfarkt und Schlaganfall. "Verkalken" Gefäße, also bilden sich dort Ablagerungen, besteht die Gefahr, dass sich Teile dieser Ablagerungen (Plaques) ablösen, zu Herz oder Gehirn wandern und dort einen Herzinfarkt oder Schlaganfall auslösen.

Statine sind also extrem wichtige Medikamente. Doch vor der Statineinnahme sollten Nutzen und Risiko durch Nebenwirkungen sorgfältig abgewogen werden. Viele Patienten berichten von Nebenwirkungen wie Muskelschmerzen, außerdem können Statine das Risiko von Diabetes leicht erhöhen.

Statine im Überblick: Die Wirkstoffe der Cholesterinsenker

Es gibt derzeit auf dem deutschen Markt sieben verschiedene Statine (Stand: Januar 2025). Wirkstoffe dieser Cholesterinsenker sind:

  • Atorvastatin
  • Fluvastatin
  • Lovastatin
  • Pitavastatin
  • Pravastatin
  • Rosuvastatin
  • Simvastatin

So wirken Statine

Statine wirken entzündungshemmend, stabilisieren gefährliche Ablagerungen (Plaques) in Gefäßwänden und senken den Cholesterinspiegel im Blut. Diese positiven Effekte entstehen dadurch, dass Statine ein Enzym (HMG-CoA-Reduktase) dabei hemmen Cholesterin aufzubauen. So entsteht weniger Cholesterin in den Zellen. Die Folge: Mehr LDL-Cholesterin wird aus dem Blut aufgenommen, dessen Cholesterinspiegel sinkt und das Cholesterin richtet keine Schäden an Gefäßwänden an.

Die Wirkung von Statinen wird nach etwa sechs Wochen bei einer Blutwertkontrolle sichtbar. Hochdosierte Statine können die Menge an LDL-Cholesterin im Blut halbieren. Bei mittlerer Dosis Statine verringert sich der Wert um 30 bis 50 Prozent. 

Muskelschmerzen als häufige Nebenwirkung von Statinen

Die häufigste Nebenwirkung von Statinen sind Muskelbeschwerden, konkret Muskelschmerzen (Statin-Myopathie) und Muskelkrämpfe. In Beobachtungsstudien gibt fast jeder dritte Patient muskuläre Beschwerden nach Statineinnahme an. Andere Erhebungen fanden diese Nebenwirkung bei etwa jedem Zehnten.

Allerdings fanden Wissenschaftler heraus, dass im Zusammenhang mit Statinen auch einen gewisser Nocebo-Effekt eine Rolle spielt: allein die Erwartung, es könne zu Muskelschmerzen als Nebenwirkung kommen, führt zu Beschwerden am Bewegungsapparat. Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft kommt zu dem Schluss, dass Muskelbeschwerden bei moderat dosierten Statinen innerhalb des ersten Behandlungsjahrs nur bei einem von 100 Nutzenden als Nebenwirkung auftritt.

Auch das Nahrungsergänzungsmittel Coenzym Q10 konnte in kleineren Studien gegen Muskelschmerzen helfen, ohne dass ein Wechsel des Statins in der Therapie nötig wurde. Hintergrund: Statine stören die Energieversorgung in Muskelzellen, reduzieren so auch Q10 und bewirken Muskelbeschwerden. Eine große wissenschaftliche Studie über die Wirksamkeit von Q10 gibt es aber bisher nicht. Manchmal kann es helfen, nach einer Pause in der Therapie von etwa sechs Wochen auf ein anderes Statin umzustellen oder andere Lipidsenker einzusetzen, etwa Ezetimib, Bempedoinsäure oder PCSK9-Hemmer.

Nebenwirkungen: Statine erhöhen Risiko für Diabetes

Eine Therapie mit Statinen kann das Risiko erhöhen, an Diabetes Typ 2 zu erkranken, weil Statine die Wirksamkeit des körpereigenen Insulins herabsetzen. Dieses Risiko wird aber als relativ klein angesehen und kann zum Beispiel durch entsprechende Lebensstilveränderungen wie gesunde Ernährung und Bewegung reduziert werden. Eine Studie aus den Niederlanden mit Probanden zwischen 55 und 75 Jahren kam zu dem Ergebnis, dass diejenigen, die Statine einnahmen, ein um 38 Prozent höheres Diabetes-Risiko hatten. Die Ergebnisse besagten im Detail: Wenn das Risiko eines Menschen, in den nächsten zehn Jahren an Diabetes zu erkranken, bei fünf Prozent liegt, erhöht es sich durch Statineinnahme auf etwa 6,5 bis 7 Prozent.

Atorvastatin und Rosuvastatin: Studie untersucht Nebenwirkungen

Mit dem Risiko für Diabetes Typ 2 beschäftigt sich auch die sogenannte LODESTAR-Studie. In dieser Studie wurden die Statine Atorvastatin und Rosuvastatin in Hinblick auf ihre Wirksamkeit (Absenken des LDL-Cholesterins) und das Ansteigen des Risikos für Diabetes Typ 2 sowie die Entstehung eines Grauen Stars (Katarakts) untersucht. Dabei zeigte sich, dass Rosuvastatin den LDL-Cholesterinspiegel im Blut etwas stärker absenkt als Atorvastatin. Dafür ist die Risikozunahme für die Entstehung von Diabetes Typ 2 bei Rosuvastatin auch höher (7,2 Prozent) als bei Atorvastatin (5,3 Prozent). Das gilt auch für das Risiko einer Kataraktoperation (Rosuvastatin: 2,5 Prozent, Atorvastatin 1,5 Prozent).

Seltene Nebenwirkung von Statinen: Muskelzerfall

Eine extrem seltene Nebenwirkung von Statinen ist die Rhabdomyolyse: ein Verfall von Muskelzellen und Muskelfasern. Rhabdomyolyse tritt schätzungsweise bei ein bis drei Fällen unter 100.000 Patienten auf, die mindestens ein Jahr lang Statine einnehmen. Rhabdomyolyse lässt sich früh an diesen Symptomen erkennen:

  • extreme Muskelschmerzen
  • ausgeprägte Muskelschwäche
  • bräunlich gefärbter Urin
  • Fieber
  • Unwohlsein und Erbrechen

Weitere Nebenwirkungen von Statinen

Zu den eher seltenen Nebenwirkungen der Statineinnahme gehören Magen-Darm-Beschwerden, Kopfschmerzen und erhöhte Leberwerte.

Eine Gewichtszunahme durch Statine wird vermutlich nicht durch das Medikament selbst hervorgerufen, sondern dadurch, dass Patienten und Patientinnen sich weniger gesundheitsbewusst ernähren, weil sie auf den Effekt der Statintherapie setzen. Das zeigt unter anderem eine US-amerikanische Studie von 2014.

Zu den häufigsten Irrtümern über Statine - unter anderem bezüglich ihrer Nebenwirkungen - informieren die Deutsche Herzstiftung e.V. und die European Society of Cardiology.

Wechselwirkungen: Das sollten Patienten zur Einnahme von Statinen wissen

Die gleichzeitige Einnahme von Statinen mit anderen Arzneimitteln, aber auch mit bestimmten Lebensmitteln, kann zu unerwünschten Wechselwirkungen führen. Insbesondere für Simvastatin, Atorvastatin und Lovastatin gilt Vorsicht bei der gleichzeitigen Gabe von Calciumantagonisten (Verapamil, Diltiazem, Amlodipin), die zur Blutdrucksenkung eingesetzt werden. Das gilt auch für Medikamente gegen Herzrhythmusstörungen (Amiodaron), für bestimmte Antibiotika (Erythromycin, Clarithromycin) und für bestimmte HIV-Medikamente (HIV-Protease-Inhibitoren).

Auf den Verzehr von Grapefruitsaft sollte bei Einnahme einiger Statine verzichtet werden, weil das Medikament dann nicht richtig abgebaut werden und es öfter zu Muskelschmerzen und anderen Nebenwirkungen kommen kann. Das gilt auch hier insbesondere für die Statine Simvastatin, Atorvastatin und Lovastatin.

Alkohol und Statine vertragen sich ebenfalls nicht gut, weil Statine den Leberstoffwechsel ungünstig beeinflussen können und dadurch die Gefahr von Muskelschäden steigt. Hinzu kommt: Alkoholkonsum erhöht den Anteil von LDL-Cholesterin sowie anderer Blutfettwerte, wie Triglyceride.

Wer sollte Statine einnehmen?

Ob eine Statintherapie verordnet wird, ist abhängig davon, wie stark die individuellen Risikofaktoren des Patienten oder der Patientin im Vergleich zu den Nebenwirkungen von Statinen sind. Je mehr Risikofaktoren durch hohes Cholesterin bestehen, desto eher sollten Statine verschrieben werden. Wichtigste Fragen sind dabei:

  • Hatte der Patient oder die Patientin bereits einen Herzinfarkt oder Schlaganfall?
  • Leidet der Patient oder die Patientin bereits an einer koronaren Herzerkrankung?
  • Gibt es entsprechende Vorerkrankungen in der Familie (Herzinfarkt, koronare Herzerkrankungen, Schlaganfall)?

Weitere Risikofaktoren sind:

Das persönliche Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen lässt sich in einem ersten Schritt mithilfe von Online-Tests bestimmen, zum Beispiel mit demPROCAM-Gesundheitstestoder dem SCORE2 vom Bundesverband Niedergelassener Kardiologen. Das Ergebnis sollte aber immer mit Hausarzt oder Kardiologen besprochen werden. In der Regel ist die Wirksamkeit der Statine wichtiger als das Diabetes-Risiko, das sich durch Sport und gesunde Ernährung begrenzen lässt. Wichtig ist jedoch, den Blutzuckerspiegel regelmäßig kontrollieren zu lassen.

Das können Statine gegen hohes Cholesterin leisten

Statine können effektiv vor massiven Gefahren durch hohen Cholesterinspiegel schützen: In einer Metaanalyse von 26 randomisierten kontrollierten Studien konnte gezeigt werden, dass jede Senkung des LDL-Cholesterins um 39 mg/dl (1 mmol/l) durch eine Behandlung mit Statinen schwerwiegende Gefäßereignisse, wie einen Herzinfarkt, Schlaganfall oder den Tod durch koronare Herzerkrankung um 22 Prozent reduzieren konnte.  

Der Nutzen von Statinen ist besonders groß

  • wenn viele individuelle Risikofaktoren für Herz-Kreislauferkrankungen vorliegen 
  • wenn das LDL Cholesterin am Beginn der Therapie besonders hoch ist
  • wenn das LDL-Cholesterin bei Statineinnahme deutlich gesenkt wird
  • wenn das Statin langfristig eingenommen wird.

Grenzwerte: Wie stark Statine das LDL-Cholesterin senken sollten

Wie weit der Wert des LDL-Cholesterins gesenkt werden soll, hängt vom individuellen Risiko eines Patienten ab. Die European Society of Cardiology (ESC) und die European Atherosclerosis Society (EAS) empfehlen in ihrer gemeinsamen Leitlinie von 2019 folgende Zielwerte:

  • <116 mg/dl (<3,0 mmol/l) für sonst Gesunde mit niedrigem Risiko für Herzkreislauferkrankungen und ohne weitere Risikofaktoren.  
  • <100 mg/dl (<2,6 mmol/l) für Menschen mit moderatem Risiko: zum Beispiel bei Diabetes mellitus seit weniger als zehn Jahren, bei Übergewicht oder leichtem Bluthochdruck
  • <70 mg/dl (<1,8 mmol/l) für Personen mit hohem Risiko, beispielsweise weil sie seit über zehn Jahren Diabetes haben, Bluthochdruck ausgeprägt oder die Nierenfiltrationsrate herabgesetzt ist und bei Rauchern. 
  • <55 mg/dl (<1,4 mmol/l) für Patienten mit sehr hohem Risiko, die beispielsweise bereits unter Organschäden durch Diabetes oder an einer Herzerkrankung leiden oder bei denen Gefäße nachweislich verengt sind. 
  • <40 mg/ dl (<1,0 mmol/l) für Menschen mit extrem hohem Risiko: Besteht, wenn trotz medikamentöser Cholesterin-Behandlung binnen zwei Jahren ein zweites Herz-Kreislauf-Ereignis auftritt.

Alternativen zu Statinen: weitere Cholesterinsenker

Wird die Einnahme von Statinen dauerhaft nicht vertragen (Statinintoleranz) oder reicht deren Wirkung nicht aus, kommen folgende Medikamente als Cholesterinsenker zum Einsatz:  

  • Ezetimib reduziert die Cholesterinaufnahme aus der Nahrung und kann den Spiegel des LDL-Cholesterins im Blut um etwa 20 Prozent senken gesenkt. 
  • Bempedoinsäure hemmt in der Leber die Neuproduktion von Cholesterin und verstärkt die Wirkung von Statinen.
  • PCSK9-Hemmer müssen unter die Haut gespritzt werden. Bei den Wirkstoffen handelt es sich um Antikörper bzw. kleine RNA-Moleküle. Sie kommen nur dann zum Einsatz, wenn die LDL-Werte auch mit Kombinationstherapien nicht ausreichend gesenkt werden können. 

Statine können früher verordnet werden

Im Dezember 2024 hat der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA), der auch die Zweckmäßigkeit von Therapien beurteilt, die Verordnungsmöglichkeit für Statine verändert. Patienten, deren Risiko für Herzinfarkt oder Schlaganfall in den nächsten zehn Jahren bei mindestens zehn Prozent liegt, können nun mit Statinen beziehungsweise anderen Medikamenten zur Senkung ihres Cholesterinspiegels behandelt werden. Zuvor lag die Grenze bei 20 Prozent. Ein hohes Risiko besteht auch dann, wenn ein Diabetes Typ 1 sowie eine familiäre Hypercholesterinämie vorliegt.

 

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