Hypercholesterinämie: Zu hohe Blutfettwerte oft vererbt
Haben schlanke Menschen trotz viel Bewegung und gesunder Ernährung dauerhaft zu hohe Cholesterinwerte, kann eine erbliche Hypercholesterinämie vorliegen. Ursachen, Symptome und Therapie.
Die familiäre oder primäre Hypercholesterinämie ist eine der häufigsten genetischen Stoffwechselkrankheiten in Deutschland. Einer dänischen Studie zufolge betrifft sie weltweit ungefähr einen von 300 Menschen, aber nur etwa 15 Prozent der Betroffenen wissen von ihrer Erkrankung und dem damit verbundenen Risiko. Allein in Europa gehen Expertinnen und Experten von einer Dunkelziffer von mehr als zwei Millionen Betroffenen aus.
Studie mit Kindern sorgt für Aufsehen
Normalerweise fällt die Erkrankung meist erst spät auf, da weder Kinder noch Erwachsene routinemäßig auf eine familiäre Hypercholesterinämie untersucht werden. Für eine internationale Studie wurden mehr als 166.000 Kinder mit einem einfachen Bluttest auf erbliche Formen von Diabetes mellitus und Hypercholesterinämie untersucht.
Im Rahmen dieser Studie wurden 305 Kinder mit einer familiären Hypercholesterinämie entdeckt, deren erhöhtes Arteriosklerose- und Herzinfarktrisiko nun durch gezielte Behandlung mit Medikamenten gesenkt werden kann. Das ist von entscheidender Bedeutung, denn die Betroffenen haben bereits von Kindesbeinen an hohe Cholesterinwerte, die ihre Gefäße schädigen können. Mit den Jahren summiert sich dieser Effekt, sodass Menschen mit familiärer Hypercholesterinämie bereits früh, oft bereits vor dem 30. oder 40. Lebensjahr, einen Herzinfarkt oder Schlaganfall erleiden können.
In der Folge der Kinderstudie wurden auch enge Verwandte der von familiärer Hypercholesterinämie betroffenen Kinder getestet - und tatsächlich wiesen einige von ihnen ebenfalls einen erblich erhöhten Cholesterinspiegel auf und konnten von einer rechtzeitigen Therapie profitieren.
Ursachen: Wie sich eine familiäre Hypercholesterinämie entwickelt
Wegen eines Gendefekts können die Zellen das "schlechte" LDL-Cholesterin nicht oder nur zu einem geringen Teil aufnehmen, sodass es im Blut verbleibt und früh eine Arteriosklerose auslösen kann. Die wiederum führt oft zu einem Herzinfarkt oder Schlaganfall, vor allem in Verbindung mit weiteren Risikofaktoren wie Rauchen, Bluthochdruck und Übergewicht. Bleibt die Hypercholesterinämie über längere Zeit unentdeckt, steigt das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen um das bis zu 26-Fache.
"Gutes" Cholesterin HDL und "schlechtes" Cholesterin LDL: Wo ist der Unterschied?
Damit das wasserunlösliche Cholesterin im Blut transportiert werden kann, ist es an bestimmte Eiweißstoffe (Lipoproteine) gebunden. Es gibt zwei verschiedene Arten von Transporteiweißen: Das "schlechte" Cholesterin LDL (Low Density Lipoprotein) transportiert das Cholesterin von der Leber über die Blutgefäße zu den Organen, während das "gute" Cholesterin HDL (High Density Lipoprotein) dem Rücktransport aus den Organen und Gefäßwänden zur Leber dient.
Symptome der Hypercholesterinämie
Bei Betroffenen sind die LDL-Cholesterinwerte im Blut oft um das Fünf- bis Zehnfache erhöht. In der Regel sind die Blutwerte schon in der Kindheit auffällig, trotz gesunder Ernährung. Doch oft wird nach Ansicht von Experten nicht nach genetischen Ursachen dieser Befunde geforscht. Der Verdacht auf eine familiäre Hypercholesterinämie besteht, wenn der LDL-Spiegel Werte von über 190 Milligramm pro Deziliter erreicht und mehrere Familienmitglieder früh einen Herzinfarkt erlitten haben (Frauen unter 60 Jahren, Männer unter 55 Jahren).
Stoffwechsel-Experten untersuchen in solchen Fällen nicht nur die verschiedenen Blutfettwerte, sondern erfragen vor allem die Familiengeschichte der Betroffenen. Sie ergibt meist deutliche Hinweise auf eine genetische Ursache der Fettstoffwechselstörung, die sich durch einen einfachen Gentest bestätigen lässt. Ein Warnzeichen sind Fetteinlagerungen am Auge (Xanthelasmen) oder gelbe Knötchen (Xanthome) in der Haut, vor allem an der Achillessehne und den Fingergelenken.
Cholesterin senken: Therapie mit Medikamenten, Ernährung und Bewegung
Wird der Gendefekt rechtzeitig entdeckt, kann eine frühzeitige Behandlung mit cholesterinsenkenden Medikamenten (Statinen), in einigen Fällen unterstützt durch spezielle Antikörper, das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen auf das normale Niveau senken. Auf diese Weise lassen sich nach Einschätzung von Experten bis zu 90 Prozent der Herzinfarkte vermeiden.
Sie raten deshalb jedem Menschen, schon in jungen Jahren seinen LDL-Cholesterin-Wert mindestens einmal überprüfen zu lassen. Ziel ist ein LDL-Cholesterinwert von unter 100 Milligramm pro Deziliter, bei bereits geschädigten Gefäßen von weniger als 70 Milligramm pro Deziliter. Wichtig ist außerdem eine Ernährung mit reichlich Ballaststoffen und gesunden Fettsäuren, Nikotin-Verzicht und viel Bewegung.
Reicht die Therapie nicht aus oder führen die Medikamente zu unkontrollierbaren Nebenwirkungen, können Ärzte überschüssiges Cholesterin per Blutwäsche (Lipidapherese) aus dem Blut filtern. Das aufwendige Verfahren wird aber nur in Einzelfällen von den Krankenkassen bezahlt. Eine Lipidapherese-Behandlung kostet rund 50.000 Euro pro Jahr. Voraussetzung für eine Kostenübernahme ist eine über zwölf Monate dokumentierte diätetische und medikamentöse Therapie ohne eine ausreichende Senkung des LDL-Spiegels.
Risikofaktor Blutfett Lipoprotein (a)
Zunehmend wird auch einem weiteren Blutfett, dem Lipoprotein (a), eine entscheidende Bedeutung bei der Entwicklung arteriosklerotischer Veränderungen zugesprochen. Es ist in seiner Struktur dem LDL-Cholesterin sehr ähnlich und gilt inzwischen als unabhängiger Risikofaktor für die Entstehung von Arteriosklerose beziehungsweise einer koronaren Herzerkrankung. Ab einem Wert von 30 Milligramm pro Deziliter gilt das Risiko für eine koronare Herzerkrankung als erhöht.
Die Menge an Lipoprotein (a) im Blut ist in hohem Maße erblich bedingt. Sie kann durch Medikamente wie den Wirkstoff Ezetimib und sogenannte PCSK9-Antikörper etwas gesenkt werden. Es ist aber bisher nicht geklärt, ob das ausreicht, um das Risiko sicher zu reduzieren. Die erfolgreichste Behandlung zur Senkung von Lipoprotein (a) ist bislang die sogenannte Lipidapherese (Blutwäsche).
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