Stand: 27.03.2023 20:15 Uhr

Cholesterinsenker: Wie wirkungsvoll sind diese Nahrungsmittel?

Eine Reihe von Nahrungsergänzungsmitteln verspricht eine natürliche Senkung des Cholesterinspiegels. Prof. Robert Fürst ist pharmazeutischer Biologe an der Uni Frankfurt und hat sich mit Visite die Produkte angesehen.

Herr Prof. Dr. Fürst, bei einem Produkt auf dem Markt handelt es sich um ein Hafer-Pulver, das laut Hersteller besonders reich an Beta-Glucanen sein soll. Was sind Beta-Glucane und um wie viel Prozent können sie schlechte Blut-Fett-Werte effektiv senken?

Porträtfoto von Prof. Dr. Robert Fürst. © Prof. Dr. Robert Fürst Foto: Prof. Dr. Robert Fürst
Prof. Dr. Robert Fürst ist Geschäftsführender Direktor für Pharmazeutische Biologie an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main.

Beta-Glucane sind Kohlenhydrate. Sie kommen beispielsweise in Pilzen vor, vor allem aber in Getreide wie Hafer und Gerste. Das Besondere ist, dass unser Körper diese Beta-Glucane nicht verdauen kann, er hat die Enzyme dazu nicht. Es sind also Ballaststoffe. Diese binden im Darm Gallensäuren. Die Leber muss dann Gallensäuren nachproduzieren und nutzt dafür Cholesterin aus dem Blut. So kann man sich diesen cholesterinsenkenden Effekt dieser Beta-Glucane vorstellen. Allerdings muss man über die Effektgröße reden und die liegt so etwa bei fünf Prozent, wenn es ein bisschen besser läuft, vielleicht bis zu zehn Prozent. Und das muss man wiederum vergleichen mit Arzneimitteln in diesem Bereich. Statine sind da sehr bekannt. Und da schaffen selbst niedrige Dosierungen schon 20 oder 30 Prozent. Das ist also eine ganz andere Liga, in höheren Dosierungen schaffen die Arzneistoffe noch viel mehr. Beta-Glucane aus Hafer können also den Cholesterinspiegel senken, aber die Effekte sind gering.

Wer dennoch seinen Cholesterin-Spiegel mithilfe von Beta-Glucanen zum Beispiel aus Hafer positiv beeinflussen möchte, braucht der dafür Nahrungsergänzungsmittel, die einen speziellen Hafer mit einem hohen Beta-Glucan-Anteil verwenden? Oder genügen auch ganz normale Hafenflocken aus dem Supermarkt?

Empfohlen werden drei Gramm Beta-Glucane pro Tag zur Cholesterinsenkung. Dafür reichen 40 bis 50 Gramm handelsübliche Hafenflocken aus, es braucht keine speziellen Nahrungsergänzungsmittel. Aber wohl gemerkt, eine Cholesterinsenkung mittels Beta-Glucanen zum Beispiel aus Hafer geht nicht von heute auf morgen. Es braucht hier eine langfristige Einnahme über mehrere Wochen, damit eine Wirkung zu beobachten ist.

Weitere Informationen
Verstopfte Arterie mit Blutplättchen und Cholesterin-Plaque dargestellt in einer Grafik. © panthermedia Foto: ralwel

Cholesterin senken: Worauf bei der Ernährung achten?

Cholesterin ist ein lebenswichtiges Blutfett. Ist der Wert aber zu hoch, sollten Betroffene ihre Ernährung umstellen. mehr

In Apotheken, Drogerien und im Online-Handel werden diverse Nahrungsergänzungsmittel angeboten, deren Werbung verspricht, sie könnten auf rein pflanzlichem Weg das schlechte Cholesterin signifikant senken. Können Nahrungsergänzungsmittel solche Effekte haben?

Man muss sich folgendes klar machen, Nahrungsergänzungsmittel sind Lebensmittel. Sie dürfen und vor allem können keine Krankheiten behandeln. Ein Nahrungsergänzungsmittel darf nicht pharmakologisch wirken, das kann man ganz klar sagen. Damit kann und darf man auch keine Krankheiten behandeln. Wenn es um große Effekte auf den Cholesterinspiegel gehen würde, dann müssten die Produkte definitiv als Arzneimittel zugelassen werden.

Einige Hersteller veröffentlichen aber auf ihren Internetseiten Studien, die die Wirksamkeit der Nahrungsergänzungsmittel belegen sollen. So soll zum Beispiel ein Extrakt aus Bergamotte dafür sorgen können, dass das schlechte LDL-Cholesterin sinkt und es zu weniger Ablagerungen in Gefäßen kommt, was wiederum das Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall reduziert. Sie haben sich diese Studie für uns angesehen. Wie schätzen Sie sie ein?

Die Studie ist sehr klein, heißt es haben nur wenige Probanden teilgenommen. Zudem erfüllt sie nicht den Goldstandard. Also sie ist nicht randomisiert, sie ist nicht verblindet und sie ist auch nicht kontrolliert, weder gegen Placebo noch gegen irgendeine andere Kontrolle und damit ist es eben keine besonders aussagekräftige Studie. Allenfalls ein Hinweis, dass man dieser Sache weiter nachgehen könnte.

Ein weiterer Hersteller erklärt auf seiner Internetseite, dass Kurkuma, Mariendistel, Bockshornklee-Samen und Bromelain sich positiv auf den Cholesterinspiegel auswirken. Wie schätzen Sie als pharmazeutischer Biologe das Potential der Inhaltsstoffe zur Cholesterinsenkung ein?

Meiner Einschätzung nach hat Kurkuma keinen relevanten Einfluss auf die problematischen Blutfettwerte, das ist vor allem LDL und das Gesamt-Cholesterol. Was man weiß, dass Kurkuma die Triglyzeride etwas senken kann. Aber das Cholesterin und LDL, diese zwei gefährlichen, werden eben kaum bis gar nicht beeinflusst. Bromelain kann man vergleichen mit Kurkumin. Die Studienlage ist hier schwach und wenn überhaupt, dann hat es nur einen Effekt auf die Triglyzeride - auch wieder nicht auf das schlechte LDL und das Gesamt-Cholesterol. Bei Mariendistel und Bockshornklee-Samen werden zwar leichte Effekte auf die Blutfettwerte berichtet, das ist aber alles viel zu schlecht untersucht, als dass man hier klare Schlüsse ziehen könnte und man muss immer noch dazu sagen, wenn es Effekte bei diesen pflanzlichen Zubereitungen gibt, dann sind die sehr gering. Also im Bereich von 5 bis max. 10 Prozent. Sobald es um krankhaft erhöhte Blutfettwerte geht, die eben dann auch mit Krankheiten verbunden sind, da können Nahrungsergänzungsmittel überhaupt nichts ausrichten. Da braucht man Arzneimittel.

Gibt es denn dann neben den Beta-Glucanen überhaupt Pflanzenstoffe, die sich positiv auf den Cholesterinspiegel auswirken?

Das vielleicht prominenteste Beispiel sind Flohsamenschalen. Das ist deswegen prominent, weil auch die europäische Arzneimittelbehörde deren Wirksamkeit bestätigt hat. Hier gibt es genügend klinische Daten, die sagen, dass sich der Cholesterinspiegel leicht, die Betonung liegt wirklich auf leicht, beeinflussen lässt. Denn auch bei Flohsamenschalen liegen wir in einem Bereich von knappen 10 Prozent Reduktion.

Experte zum Thema

 

Weitere Informationen
Ein Reagenzglas mit einer roten Flüssigkeit wird gehalten. © colourbox Foto: Alik Mulikov

Hypercholesterinämie: Zu hohe Blutfettwerte oft vererbt

Ein deutlich zu hoher Cholesterinspiegel kann erblich bedingt sein, doch viele Betroffene ahnen nichts von ihrem Risiko. mehr

Eine schön dekorierte Platte mit vielen Gemüsen, Kohl, Früchten, Beeren, Ölen, Nüssen, Samen, Pilzen und Salat. © NDR Foto: Oliver Zydek/Moritz Schwarz

Ernährung bei Fettleber: Die Leber braucht Pausen

Mediterrane Kost heilt die Leber. Das bedeutet: Kohlenhydrate und schlechte Fette reduzieren - dafür mehr gute Öle essen. mehr

Verstopfte Arterie mit Blutplättchen und Cholesterin-Plaque dargestellt in einer Grafik. © panthermedia Foto: ralwel

Fettstoffwechselstörungen erkennen und behandeln

Fettstoffwechselstörungen sind schwer zu erkennen. Mit der richtigen Ernährung lässt sich das Cholesterin aber häufig senken. mehr

Dieses Thema im Programm:

Visite | 28.03.2023 | 20:15 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Ernährung

Bluthochdruck

Mehr Gesundheitsthemen

Ein Arzt hält eine Röntgenaufnahme einer Hüfte in der Hand. © Colourbox Foto: Syda Production

Hüft-TEP OP: Wann beide Gelenke gleichzeitig operieren?

Etwa zehn Prozent der Betroffenen benötigen gleichzeitig auf beiden Seiten eine neue Hüfte. Für wen kommt diese OP infrage? mehr

Gesundheits-Themen

Ratgeber

Das Logo von #NDRfragt auf blauem Hintergrund. © NDR

Umfrage zum Fachkräftemangel: Müssen wir alle länger arbeiten?