Ein Mann greift sich mit beiden Händen an den Brustkorb. © picture alliance Foto: picture alliance / Erwin Wodicka/Shotshop | Erwin Wodicka

Herzrasen als Symptom: Herzneurose erkennen und behandeln

Stand: 07.01.2025 09:38 Uhr | vom Norddeutscher Rundfunk-Logo

Herzrasen oder Herzstolpern: Solche Symptome machen manchen Menschen richtig Angst. Betroffene der Herzneurose geraten oft in einen Teufelskreis. Als Behandlung hilft Psychotherapie und Bewegung.

von Elena Zelle-Möhlmann

Ein Stich in der Brust, Stolpern oder Rasen des Herzens, plötzlicher Druck in der Brust: Zehn bis 25 Prozent der Erwachsenen verspüren gelegentlich solche vorübergehenden Symptome. Manche Menschen bekommen dann starke Angst oder sogar eine Panikattacke. Sie haben eine Herzneurose, auch Herzangst, Herzphobie oder Cardiophobie genannt.

Betroffene fürchten, eine lebensbedrohliche Herzkrankheit zu haben oder dass ihr Herz sie plötzlich im Stich lässt. Die Folge: Menschen mit Herzangst leben in ständiger Besorgnis, vermeiden Belastungen und ziehen sich zurück - bis hin zur sozialen Isolation. Betroffen sind vor allem Menschen über 40 Jahre, häufiger Männer als Frauen.

Herzneurose hat psychische Ursachen

Körperliche Ursachen für ihre Symptome lassen sich in aller Regel nicht finden. Die Herzneurose ist eine psychische Erkrankung und gehört zu den Angststörungen. Die Herzangst kann die Folge eines auslösenden Ereignisses sein. Nach einem Herzinfarkt oder einer Herz-OP können deutliche psychische Belastungsreaktionen wie Angst und Depression entstehen.

Wer so eine Herzerkrankung selbst oder bei einem nahestehenden Menschen erlebt, fürchtet oft einen erneuten Infarkt beziehungsweise beim nächsten Mal selbst betroffen zu sein. Diese nachvollziehbare Reaktion kann sich zu einer bleibenden Herzangst entwickeln. Menschen mit Herzangst verzichten dann auf Sport oder Unternehmungen, um ihr Herz nicht zu gefährden - und genau das kann dem Herz schaden. Wer so ein Verhalten oder eine große Angst ums Herz bei sich bemerkt, spricht am besten mit seiner Ärztin oder seinem Arzt. Früh erkannt, lässt sich leichter gegensteuern.

Ungelöste Konflikte - aktuelle oder aus der Vergangenheit - können dazu beitragen, dass eine Herzneurose entsteht. Herzrasen oder -stolpern sowie Medienberichte oder Erzählungen aus dem Bekanntenkreis über Herz-Kreislauf-Probleme verstärken die Angst.

Herzrasen und Angst führen in einen Teufelskreis

Die Angst kann wiederum die Beschwerden verstärken, denn auf die Angst reagiert der Organismus automatisch und unbewusst mit einer Stressreaktion: Botenstoffe versetzen den Körper in Alarmbereitschaft und lösen körperliche Symptome wie Schwindel, Herzklopfen, Herzrasen, Atemnot, Zittern oder Schwitzen ("Angstschweiß") aus. Die Angst vor einem Herzstillstand oder Herzinfarkt kann den Blutdruck steigen oder fallen lassen. Mediziner sprechen in diesem Zusammenhang von einer funktionellen Störung des Herz-Kreislauf- und Atemsystems. Körperliche Symptome und die Angstreaktion darauf schaukeln sich bei Betroffenen gegenseitig hoch - ein Teufelskreis.

Da Menschen mit Herzneurose in einer Art permanentem Alarmzustand leben, reichen bei ihnen oft schon Kleinigkeiten (ein lautes Geräusch, nervliche Belastung, ein kleiner Infekt), um den Kreislauf der Angst zu schüren: Körperliche Symptome wie ein erhöhter Puls führen zur Angst ums Herz und daraus folgen noch stärkere Herz-Kreislauf-Beschwerden - bis hin zu Panikattacken.

Todesangst und Herzrasen: Symptome der Herzangst

Die Gedanken kreisen bei Betroffenen ständig um die eigene Herztätigkeit. Sie horchen immer wieder in sich hinein, messen ihren Puls oder Blutdruck. Vermeintlich wahrgenommene Unregelmäßigkeiten wie etwa ein kurzes flaues Gefühl führen zur Angstreaktion. Mögliche Symptome der Herzneurose sind:

  • Angst vor einer Herzerkrankung
  • Todesangst
  • Panikattacken
  • Herzrasen/stark erhöhter Puls
  • Herzstechen Herzrhythmusstörungen (Stolpern, Aussetzer)
  • Übelkeit
  • Schwindel
  • Schwitzen, Schweißausbrüche
  • erhöhter Blutdruck
  • Zittern
  • Atemnot, Hyperventilation
  • Brustenge - Schmerzen in der Brust, die in den linken Arm oder Rücken, bis in den Unterkiefer oder in den Magen ausstrahlen können.

Oft lassen die Symptome in Gegenwart einer Ärztin oder eines Arztes nach.

Schonung und soziale Isolation als Folge von Herzneurose

Aus ihrer Angst heraus entwickeln Betroffene ein ausgeprägtes Vermeidungsverhalten, um das Herz zu schonen. Sie vermeiden körperliche Anstrengung und überprüfen alle Aktivitäten dahingehend, ob sie für das Herz gefährlich sein könnten. Das schränkt sie im Alltag meist immer stärker ein. Sie begeben sich möglichst in keine Situation, in denen keine Ärztin oder kein Arzt in der Nähe ist oder in denen sie schon einmal Herzbeschwerden hatten. So erscheinen beispielsweise Sport, Ausflüge oder Reisen nahezu unmöglich - es sei denn, es gibt eine ärztliche Versorgung unmittelbar vor Ort.

Psychosomatische Diagnose der Herzangst

Menschen mit Herzangst sind meist häufiger beim Arzt, wobei in aller Regel keine körperlichen Ursachen gefunden werden, die die Herzbeschwerden erklären. Möglicherweise stellen die Ärztin oder der Arzt leichte Veränderungen von Blutdruck oder Puls fest. Untersuchungen wie Ruhe-EKG, Belastungs-EKG oder Herzultraschall sind meist unauffällig. Allerdings spielt die Herzangst auch bei Menschen mit einer körperlichen Herzerkrankung eine Rolle, dann müssen gefährliche Anzeichen besonders sorgfältig von psychosomatischen Beschwerden abgegrenzt werden.

Die psychosomatische Diagnostik erfordert viel Erfahrung und Einfühlungsvermögen. Um Symptome, Ursachen und Verhaltensmuster nach einem psychosomatischen Krankheitsmodell zu ergründen und einzuordnen kann es sinnvoll sein, eine Fachärztin oder einen Facharzt für Psychosomatische Medizin oder für Allgemeinmedizin mit einer Weiterbildung in Psychosomatischer Grundversorgung hinzuziehen.

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Behandlung der Herzneurose

Im Akutfall kann meist schon die bloße Anwesenheit eines Arztes zur Beruhigung beitragen. Langfristig ist oft eine psychologische, psychosomatische oder psychiatrische Betreuung nötig, um die Beschwerden in den Griff zu bekommen. Sich dies einzugestehen, ist für viele Betroffene nicht leicht. Sie fühlen sich unverstanden und als Hypochonder abgestempelt, was zusätzlich belasten kann. Zeit und einfühlsame Gespräche sind ein wichtiger Faktor in der Behandlung.

Entspannungstechniken gegen Cardiophobie

Ein erster Schritt zur Besserung ist oft das Erlernen von Entspannungstechniken wie zum Beispiel Progressive Muskelentspannung oder Autogenes Training. Damit können Betroffene ihren generellen Stresspegel senken und Herzneurose-Symptome wie Herzrasen selbst mildern.

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Bewegungs- und Psychotherapie hilft gegen Herzphobie

In einer Psychotherapie lernen Menschen mit Herzangst, dass auftretende Symptome zwar nicht eingebildet, aber meist harmlos und nicht organisch bedingt sind. Oft ist eine kognitive Verhaltenstherapie mit bewegungstherapeutischen Inhalten hilfreich. Ziel ist, das Vertrauen ins eigene Herz zurückzugewinnen. Betroffene erfahren dabei durch ärztlich überwachte Übungen, dass ihr Herz körperliche Anstrengung sehr wohl verkraftet.

Sicherheit fürs Training mit der Borg-Skala

Um die Sporteinheiten später auch ohne ärztliche Überwachung mit einem sicheren Gefühl fortführen zu können, bietet sich ein Belastungscheck mit der Borg-Skala an: Hier wird zunächst gemeinsam mit der Ärztin oder dem Arzt bei einer gleichzeitigen Messung der Herzfrequenz die empfundene Anstrengung beim Sport bewertet. Die 6 bedeutet "gar nicht anstrengend" und entspricht etwa dem Ruhepuls, während die 20 für eine Anstrengung steht, die man nicht aushält und die der maximalen Herzfrequenz entspricht. Damit wird ermittelt, in welchem Anstrengungsbereich die Bewegung für den Patienten sinnvoll und sicher ist. Dann können Menschen mit Herzangst die Skala selbst anwenden, um wieder ein besseres Gefühl für den eigenen Körper zu entwickeln und sich Aktivitäten wieder zuzutrauen.

Sport stärkt Vertrauen in das Herz

Schonung und Bewegungslosigkeit sind die wahre Gefahr fürs Herz: Dauerhafte körperliche Passivität erhöht das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen erheblich. Deshalb ist ein bewegter Alltag mit leichten Sporteinheiten wie Radfahren, Walking oder Schwimmen lebenswichtig. Sport stärkt die Vitalität und das Vertrauen in den eigenen Körper. Studien zufolge wirkt Bewegung wie ein natürlicher Betablocker, reduziert Stress und Ängste, sorgt für mehr seelische Stabilität. Ein angeleiteter, sicherer Einstieg für Betroffene in einen aktiveren Alltag kann beispielsweise auch im Rahmen einer Herzsportgruppe erfolgen.

Medikamente bei Herzangst

Experten sehen Medikamente in der Herzneurose-Therapie kritisch. Betablocker können kurzfristig die psychosomatische Stressreaktion mildern. Eine Behandlung damit darf allerdings nicht als "Therapie fürs Herz" missverstanden werden. Aufgrund der Nebenwirkungen sind sie aber nicht auf Dauer geeignet, ebenso wenig wie Beruhigungsmittel (Tranquilizer). Antidepressiva kommen nur selten in Frage, wenn eine Depression zugrunde liegt. Nachhaltig hilfreich ist für Betroffene nur, mit fachkundiger Unterstützung den Weg aus der Angst hinauszugehen und das Vertrauen in sich selbst und das Herz zurückzugewinnen.

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