Psychosomatische Symptome und ihre Behandlung

Stand: 03.04.2023 12:49 Uhr | vom Norddeutscher Rundfunk-Logo

Nicht immer lassen sich körperliche Symptome wie Schmerzen auf eine eindeutige Ursache zurückführen. Dann heißt es häufig, die Psyche sei schuld. Ein Fall für die Psychosomatik?

Anhaltende Beschwerden wie Schmerzen, Schwindel oder Verdauungsstörungen sind für die Betroffenen sehr belastend. Umso mehr, wenn körperliche Untersuchungen, Bluttests und bildgebende Verfahren keine klare Ursache finden. Häufig wird dann die Verdachtsdiagnose einer somatoformen Störung gestellt. Der Begriff aus der Psychosomatischen Medizin, oft auch als Psychosomatik bezeichnet, steht für körperliche Beschwerden, die nicht oder nicht allein auf eine organische Krankheit zurückgehen und bei denen man eine seelische Ursache annimmt.

Tatsächlich können sich Stress, Trauer oder ungelöste Konflikte körperlich äußern und zu Schwindel, Schmerzen, Herzrasen oder Verdauungsstörungen führen. Denn Psyche und Körper stehen in enger Beziehung zueinander und beeinflussen sich gegenseitig. Die Vorstellung, dass Krankheiten entweder rein körperlich sind oder rein psychisch, gilt mittlerweile als überholt.

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Heute geht man davon aus, dass es nur Mischungen aus beiden gibt, mit unterschiedlicher Gewichtung. Das bedeutet, dass sich körperliche Symptome und psychische gegenseitig bedingen und verstärken. So kann Angst etwa zu Herzrasen und Atemnot führen - und chronische körperliche Leiden können Depressionen auslösen. Deshalb macht es auch aus Sicht der Betroffenen keinen Sinn, nur das eine oder nur das andere zu behandeln. Bei unklaren Symptomen ist daher eine ganzheitliche, psychosomatische Betrachtung wichtig.

Häufige psychosomatische Symptome

Folgende Beschwerden werden häufig durch seelische Belastungen (z. B. Angst, Stress, Trauer) hervorgerufen oder verstärkt:

Die Beschwerden können leicht sein und nach kurzer Zeit verschwinden, aber auch chronisch verlaufen. In vielen Fällen werden psychosomatische Symptome von großen Ängsten begleitet, an einer bedrohlichen Erkrankung zu leiden.

Diagnose "psychische Ursache" muss abgeklärt werden

Ein Problem: Viele Betroffene erleben die Verdachtsdiagnose einer somatischen Belastungsstörung als stigmatisierend. Das liegt unter anderem an der weit verbreiteten, aber längst überholten Vorstellung, dass psychisch bedingte Beschwerden "nur eingebildet" oder weniger schlimm seien. Das führt dazu, dass Menschen mit unklaren Beschwerden oft Sorge haben, vom Arzt oder der Ärztin nicht ernst genommen und in die Schublade "psychische Ursache" gesteckt zu werden.

Tatsächlich kritisieren Experten, dass die Diagnose "somatische Belastungsstörung " im medizinischen Alltag mitunter vorschnell und ohne die gebotene fachgerechte Abklärung gestellt wird. Das könne ein Ausdruck von Hilflosigkeit sein, wenn weder Röntgenaufnahmen noch Laborwerte einen Hinweis auf die Ursache geben. Problematisch wird es aber, wenn deshalb eine weiterführende Diagnostik unterbleibt. Die Diagnose einer somatischen Belastungsstörung , also einer seelischen Ursache körperlicher Beschwerden, ist keine Ausschlussdiagnose, sondern muss gründlich durch eine psychosomatische Untersuchung abgeklärt werden.

Psychosomatische Diagnostik: Ganzheitliche Betrachtung von Körper und Seele

Es gibt keine laborchemische, bildgebende oder medizintechnische Untersuchung, die eine psychosomatische Ursache einer Erkrankung sicher feststellen kann. Deshalb erfordert die Diagnostik viel Erfahrung und Einfühlungsvermögen. Um den Ursachen schwerer oder lange bestehender, unklarer Symptome auf den Grund zu gehen, ist es daher sinnvoll, eine Fachärztin oder einen Facharzt für Psychosomatische Medizin oder für Allgemeinmedizin mit einer Weiterbildung in Psychosomatischer Grundversorgung hinzuziehen.

Der Begriff Psychosomatik ist aus den griechischen Wörtern "Psyche" für Seele und "Soma" für Körper abgeleitet. Dieses Fachgebiet befasst sich also mit dem Zusammenspiel von Körper, Psyche und Krankheit. Die Experten schauen sich alle körperlichen Vorbefunde an und führen zusätzlich eine psychologische Diagnostik mit Gesprächen und Fragebögen durch. So werden zum Beispiel aktuelle Belastungsfaktoren, die berufliche und familiäre Situation, Vorerkrankungen oder Medikamente abgefragt.

Auf diese Weise verschaffen sich die Ärzte und Ärztinnen ein Bild, ob es plausible Auslöser für die Beschwerden gibt und ob bestimmte Symptomkonstellationen und Verhaltensmuster vorliegen, die mit einem psychosomatischen Krankheits-Modell erklärbar sind. Eine auf diese Art gestellte psychosomatische Diagnose bedeutet jedoch nicht, dass damit eine körperliche Erkrankung ausgeschlossen ist.

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Behandlung von psychosomatischen Symptomen

Oft verschwinden leichte psychosomatische Symptome von allein, häufig reicht es aus, wenn die Ärztin oder der Arzt einfühlsam erklärt, woher die Beschwerden kommen und dass sie vermutlich harmlos sind. Die Vereinbarung einer Kontrolluntersuchung nach einiger Zeit und eine Absprache, wann bei neuen oder stärkeren Symptomen eine Wiedervorstellung erfolgen sollte, können den Betroffenen Sicherheit geben und eventuelle Ängste lindern.

Normale Alltagsaktivität, Sport, Hobbys und der soziale Kontakt mit anderen Menschen wirken psychosomatischen Symptomen entgegen. Gegebenenfalls können Medikamente zur Linderung der Symptome, Entspannungsverfahren und psychotherapeutische Unterstützung zusätzlich helfen. Auch der Austausch mit anderen Betroffenen, die unter ähnlichen Symptomen leiden, etwa in einer Selbsthilfegruppe, kann die Angst vor den Symptomen lindern helfen. Bei schweren Verläufen ist gegebenenfalls eine interdisziplinäre Kooperation unterschiedlicher Therapeutinnen und Therapeuten nötig. Auch eine stationäre Therapie, eine tagesklinische Behandlung oder eine Reha-Maßnahme können sinnvoll sein.

Behandlung mit Medikamenten

Abhängig vom Beschwerdebild können auch Medikamente zur Behandlung der Symptome eingesetzt werden, zum Beispiel gegen Schmerzen, Durchfall oder Verstopfung oder Herzrasen. Bei chronischen Schmerzen oder einer zusätzlichen Depression können Antidepressiva hilfreich sein.

Psychotherapie: Konflikte aufarbeiten

Ein Weg, die Auslöser der Symptome oder Konflikte in der Vergangenheit aufzuarbeiten und Wege zu entwickeln, sie zu bewältigen, ist eine Psychotherapie. Dabei können unterschiedliche Verfahren zum Einsatz kommen, zum Beispiel eine tiefenpsychologisch orientierte Psychotherapie oder eine Verhaltenstherapie.

Entspannungsverfahren und Biofeedback

Unterstützend können Entspannungsübungen wie Autogenes Training oder die Progressive Muskelentspannung nach Jacobson wirken. Mit Hilfe des sogenannten Biofeedbacks lernen Betroffene, eigentlich unbewusste Funktionen ihres Körpers gezielt zu beeinflussen. Dafür werden Messwerte wie Muskelspannung, Hautwiderstand oder Herzschlag in sicht- oder hörbare Signale umgewandelt, die den Übenden zum Beispiel ihren Anspannungs- oder Entspannungszustand verdeutlichen. So lernen sie, ihre Entspannung gezielt zu steuern.

Prävention: Stress rechtzeitig abbauen

Da Stress ein wesentlicher Faktor bei der Entstehung und Aufrechterhaltung einer psychosomatischen Erkrankung ist, sollte aufkommender Stress rechtzeitig abgebaut werden. Das lernen Betroffene bei einem Stressbewältigungstraining. Ein Emotionstraining kann helfen, mit Gefühlen wie Ärger, Wut, Traurigkeit, Einsamkeit oder Hilflosigkeit besser umzugehen.

Die Prävention kann auch die sogenannte Katastrophisierung verhindern. Erwarten die Betroffenen die Symptome, kann genau das diese verstärken. Auf diese Weise führt die enge Verzahnung von Körper und Psyche in einen Teufelskreis, der erkannt und durch eine Therapie unterbrochen werden muss, um den Betroffenen wirklich zu helfen. Dabei lernen sie, ihre Situation rationaler und realistischer zu sehen und sich eher "von außen" zu beobachten als emotional voll einzusteigen.

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NDR Fernsehen | Visite | 04.04.2023 20:15

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