Autogenes Training hilft gegen Stress und Bluthochdruck
Autogenes Training nutzt die Kraft der Gedanken für mehr Gelassenheit und Entspannung. Wer es beherrscht, kann sich an jedem Ort entspannen - ohne Hilfsmittel.
Gedanken erzeugen Nervenimpulse. Diese Entdeckung macht sich das autogene Training zunutze: Mit nichts weiter als Konzentration und der eigenen Vorstellungskraft wird der Körper auf Entspannung umgeschaltet. Wer die Methode beherrscht, ist in der Lage, sich binnen weniger Minuten tief zu entspannen. Könner praktizieren das autogene Training selbst in der U-Bahn oder im Job zwischen zwei Meetings. Gesundheitlich hat sie viele positive Wirkungen.
Wissenschaftlich erforschte Methode der Selbsthypnose
Entwickelt wurde die Technik in den 1920er-Jahren vom Nervenarzt Johannes Heinrich Schultz. Der Professor für psychiatrische Medizin war Hypnosespezialist und setzte sich intensiv mit Entspannungsverfahren auseinander, auch mit den Traditionen anderer Religionen und Kulturen. Schultz forschte über Hypnosetechniken, nutzte sie an sich selbst und brachte sie seinen Patienten bei. 1932 dokumentierte er seine Erkenntnisse im Werk "Das autogene Training: Konzentrative Selbstentspannung". Autogen bedeutet dabei "selbst erzeugt" - gemeint ist also ein Konzentrationstraining zur selbst erzeugten Entspannung.
Direkte Entspannung der Bewegungsmuskulatur
Bei Entspannung befinden sich die vegetativen Funktionen wie Atmung, Durchblutung und Pulsschlag in einem Ruhezustand. Meditationen erreichen diesen Zustand meist durch die Konzentration auf das Atmen. Das autogene Training dagegen setzt beim Entspannen der Bewegungsmuskeln an. Die Gliederschwere entspannter Muskeln ist im Grunde jedem Menschen vertraut. Auch die progressive Muskelentspannung - vor rund hundert Jahren vom US-Arzt Edmund Jacobson entwickelt - setzt dort an, wirkt allerdings indirekt, da man bei Jacobsons Methode die Muskulatur zunächst einmal bewusst anspannt.
Autogenes Training lindert viele Beschwerden
Beim autogenen Training werden vegetative Vorgänge beeinflusst, die normalerweise unwillkürlich ablaufen: Die Übungen senken den Blutdruck, verringern die Spannung der Skelettmuskulatur, verlangsamen die Atmung, erhöhen den Speichelfluss und die Darmtätigkeit. Autogenes Training wirkt dadurch positiv bei Herz-Kreislauf-Problemen wie etwa Bluthochdruck, bei chronischen Schmerzen, Migräne, Ein- und Durchschlafstörungen. Die positiven Wirkungen konnten in vielen Studien belegt werden.
Auch bei Muskelverspannungen ist die Methode oft hilfreich. Sportler und Manager machen sich zunutze, dass das autogene Training Konzentration und Stressverträglichkeit fördert, manche Künstler bauen damit ihr Lampenfieber vor dem Auftritt ab.
Grundstufe: Entspannung für Muskeln und Organe
Das autogene Training lässt sich unterteilen in Übungen der Grundstufe und der Oberstufe - wer die Methode für sich selbst erlernt, nutzt meist nur die Grundübungen. Sie beeinflussen die Funktion von Muskeln, Gefäßen und Organen.
Sämtliche Übungen lassen sich gut im Liegen ausführen, aber auch sitzend: entweder leicht angelehnt oder in der sogenannten Kutscherhaltung, also leicht vorgebeugt, die Ellenbogen ruhen auf den Oberschenkeln, der Kopf hängt ganz locker. Die Augen sind geschlossen.
Mit Selbstsuggestionen, also Formeln wie "Ich bin vollkommen ruhig" oder "Mein linker Arm ist warm", werden nun die Gedanken geleitet. Viele Übende finden es hilfreich, die Formeln mit passenden bildlichen Vorstellungen zu unterlegen: also beispielsweise bei der Wärmeübung an eine Sauna, ein heißes Bad oder an ein sonniges Orangegelb zu denken.
Die Übungen im Einzelnen
Mit den Übungen wechselt man vom normalen Wachzustand in einen veränderten, hypnotischen Bewusstseinszustand. Diese sogenannte Umschaltung wird bei Trainingsende jeweils wieder zurückgenommen - außer man nutzt das autogene Training zum Ruhigwerden vor dem Einschlafen. Grundsätzlich können die Übungen jederzeit beendet werden. Dazu spannt man einfach seine Muskeln an, rekelt und streckt sich und öffnet die Augen.
Die zweite Phase des autogenen Trainings (Oberstufe)
In der zweiten Phase, der sogenannten Oberstufe des autogenen Trainings, kann man gewohnte Verhaltensweisen durch formelhafte Vorsatzbildung verändern. Diese Möglichkeiten hatte schon Nervenarzt Professor Schultz beschrieben. Sie werden vor allem in der psychologischen Therapie genutzt, etwa zur Konfliktbewältigung und zum Aufzeigen neuer Lösungswege.
Autogenes Training erlernen
Es gibt Bücher und kostenlose Videos online - das autogene Training ist nicht schwierig zu lernen, aber anfangs gewöhnungsbedürftig. Die Methode setzt etwas Disziplin voraus, denn systematisches, regelmäßiges Training ist nötig. Am effektivsten lernt man es daher in kleinen Gruppen. Viele gesetzliche Krankenkassen bezuschussen solche Kurse und vermitteln Adressen. Häufig finden sich entsprechende Kurse auch in den Breitensportprogrammen der Universitäten.
Es dauert in der Regel zwei bis drei Monate, ehe man die Übungen gut beherrscht. Wer regelmäßig trainiert, taucht dann binnen Sekunden ab in die Welt der Entspannung.