Multimodale Therapie: Chronische Schmerzen behandeln

Stand: 20.02.2022 13:22 Uhr

Schmerzen sind eine individuelle Erfahrung. Sie werden von Mensch zu Mensch und von Situation zu Situation unterschiedlich empfunden und können chronisch werden. Helfen kann eine multimodale Schmerztherapie.

Wissenschaftlich belegt ist, dass unzureichend behandelte akute Schmerzen einer der wichtigsten Risikofaktoren für die Entwicklung chronischer Schmerzen sind. Schmerzen sind dann chronisch, wenn sie länger als drei bis sechs Monate bestehen. In Deutschland leben nach Angaben der Deutschen Gesellschaft zum Studium des Schmerzes mehr als zwölf Millionen Menschen mit chronischen Schmerzen. Oft beschreiten Betroffene einen jahrelangen Leidensweg, bevor sie tatsächlich Hilfe finden.

Ausgangspunkt für chronische Schmerzen sind häufig Erkrankungen oder Fehlhaltungen des Bewegungs- und Stützapparats wie Muskelverspannungen, Arthrose, Osteoporose und rheumatische Erkrankungen. Verspannungen an einer Körperstelle wie beispielsweise dem Becken können starke Auswirkungen auf Beine und Rücken teilweise bis zur Halswirbelsäule haben.

Chronische Schmerzen mindern die Lebensqualität

Aber auch Nervenschmerzen - sogenannte neuropathische Schmerzen - infolge von Operationen, Verletzungen, Stoffwechselerkrankungen oder Krebsleiden können die Lebensqualität dauerhaft beeinträchtigen. Die Schmerzen können in allen Bereichen des Körpers auftreten. Häufig betroffen sind Beine, Hände, Kopf und der Magen-Darm-Bereich.

Zu den chronischen Schmerzerkrankungen zählen auch das Fibromyalgie-Syndrom sowie das Komplexe Regionale Schmerzsyndrom (CRPS). Zudem können Schmerzen das Leitsymptom einer psychischen Erkrankung sein.

So entsteht eine Schmerzspirale

Akute Schmerzen sollen dem Körper helfen. Sie signalisieren: "Achtung - da ist etwas kaputt." Im Gehirn beurteilen mehrere Regionen, wie intensiv wir den Schmerz wahrnehmen. Doch wenn akute Schmerzen über Monate anhalten und nicht richtig behandelt werden, dann können sich daraus chronische Schmerzen entwickeln. Sie haben die ursprüngliche Funktion des Schmerzes verloren, ein Warnsignal vor körperlicher Gefährdung zu sein. Stattdessen sind sie zu einer eigenen Krankheit geworden.

"Schmerzgedächtnis": Der Körper lernt Schmerzen

Unzureichend behandelte akute Schmerzen - etwa durch wiederkehrende Überlastung - können Spuren im Zentralnervensystem hinterlassen. Sie machen die Nervenzellen, das Rückenmark und auch das Gehirn empfindlicher für Schmerzreize. Die Folge ist, dass bereits leichte Reize als Schmerz empfunden werden. Im Verlauf der Erkrankung bildet sich ein Schmerzgedächtnis (zentrale Sensitivierung) aus, das auch bestehen bleibt, während die eigentliche Schmerzursache schon nicht mehr vorhanden ist. Es entsteht ein sich selbst verstärkender Mechanismus - eine Schmerzspirale. Das Schmerzgedächtnis lässt sich nicht einfach "löschen". Es muss überschrieben werden. Dies ist ein längerer Prozess.

Stress, soziale Isolation und Depression können Folge sein

Durch die schmerzbedingte Inaktivität kommt es oft zu sozialer Isolation. Betroffene verlieren ihre Lebensfreude, meiden Kontakte, leiden unter Stress oder gar Depressionen. Auch beruflich geraten Menschen mit chronischen Schmerzen schnell ins Abseits - vielen droht der Verlust des Arbeitsplatzes oder gar die Frühverrentung.

Gefahr für chronische Schmerzen steigt im Alter

Ältere Menschen klagen häufig weniger über ihre Schmerzen als junge. Die weit verbreitete Vorstellung, dass Schmerzen im Alter normal sind, führt dazu, dass sie selten angemessen behandelt werden. Altersbedingte Hirnveränderungen wiederum beeinflussen die Schmerzwahrnehmung: So ist die Schmerzschwelle im Alter erhöht, die Schmerztoleranz dagegen vermindert.

Behandlung mit multimodalem Therapieansatz

Obwohl chronische Schmerzen als eigenständige Krankheit anerkannt sind, ist es oft problematisch, den Weg zu einem Spezialisten zu finden. Auch müssen sich Betroffene darüber im Klaren sein, dass eine Therapie langwierig und schwierig sein kann.

Eine Frau hält ihren schmerzenden Arm. © Fotolia Foto: absolutimages
Schmerzen können unterschiedliche Ursachen haben - körperliche wie psychische.

Inzwischen etabliert sich immer mehr die sogenannte multimodale Schmerztherapie: Dabei arbeiten mehrere medizinische Fachrichtungen eng zusammen und versuchen herauszufinden, was akuter und was chronischer Schmerz ist und wie die passende Therapie aussieht. Es greifen letztlich Behandlungsverfahren aus verschiedenen Fachbereichen ineinander, so wie auch der Schmerz oft mehrere, ganz verschiedene Ursachen hat - körperliche wie psychische.

Bei einer multimodalen Therapie können medikamentöse Behandlung, Physiotherapie, manuelle Therapie, Massagen, Psychotherapie, Ergotherapie und Entspannungstherapien wie Meditation oder Progressive Muskelentspannung zum Einsatz kommen. Führt eine ambulante Therapie nicht zum Erfolg, kann der stationäre Aufenthalt in einer Schmerzklinik sinnvoll sein. Zentrales Behandlungsziel ist die Erhöhung der Lebensqualität - notfalls mit dem Schmerz, der in vielen Fällen nie völlig verschwindet.

Individuell angepasstes Training

Besonders wichtig ist das körperliche Training, vor allem bei Gelenkerkrankungen oder Muskelverspannungen. Es sollte an die individuelle Leistungsfähigkeit des Einzelnen angepasst sein. Dabei gilt es, neben der Beweglichkeit auch Kraft und Ausdauer sowie Koordination und Gleichgewicht zu trainieren. Wichtig ist das richtige Maß von Anspannung und Entspannung.

Psychologische Maßnahmen, wie zum Beispiel Entspannungsverfahren, Gesprächstherapien und Hilfen zur Bewältigung des Schmerzes, unterstützen die Therapie. Zudem kann soziales Training dabei helfen, den Weg aus der Isolation zurück in den Alltag zu finden.

Einnahme von Schmerzmedikamenten mit Arzt absprechen

Schmerzmedikamente können einen chronischen Schmerz sogar verschlimmern. Opiate zum Beispiel helfen zwar gut bei starken akuten Schmerzen, verlieren aber über längere Zeit an Wirkung. Die Betroffenen werden langsam abhängig, leiden im Alltag unter den Nebenwirkungen.

Die langfristige Einnahme von Schmerzmedikamenten sollte unbedingt unter der Aufsicht eines Arztes erfolgen und möglichst von physiologischen und gegebenenfalls von psychologischen Therapien begleitet werden. Aufgabe der Schmerzmittel ist es, die Schmerzintensität permanent zu dämpfen und so die Schmerzen etwas erträglicher zu machen. Folglich ist eine regelmäßige Einnahme unbedingt zu empfehlen. Die Schmerzreduktion ist oft Voraussetzung für ein Bewegungstraining und deshalb besonders wichtig, um den Ursachen entgegenzuwirken.

Große Vorsicht ist allerdings bei der Einnahme von frei verkäuflichen Schmerzmitteln, sogenannten nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) - wie Acetylsalicylsäure (ASS), Diclofenac und Ibuprofen - geboten. Bei längerer Einnahme kann es zu erheblichen Nebenwirkungen wie Magenbluten sowie Leber- und Nierenschädigungen kommen. Außerdem müssen die Schmerzmedikamente sorgfältig mit anderen erforderlichen Medikamenten abgestimmt werden, um das Risiko unerwünschter Nebenwirkungen zu verringern.

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Dieses Thema im Programm:

Die Bewegungs-Docs | 21.02.2022 | 21:00 Uhr

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