Weiße Tabletten und Blister auf einem Tisch (Bild: colourbox.de) © colourbox.de

Schmerzmittel Tilidin: Wirkung und Nebenwirkungen

Stand: 28.02.2025 09:46 Uhr | vom Rundfunk Berlin-Brandenburg-Logo

Tilidin ist ein Opioid und Schmerzmittel mit Wirkung auf das zentrale Nervensystem. Meist werden Tabletten eingesetzt. Typische Nebenwirkungen sind Schwindel und Übelkeit. Es kann Abhängigkeit auslösen.

von Ursula Stamm

Tilidin ist ein synthetisch hergestelltes Opioid zur Behandlung mittelstarker Schmerzen. Von Opioid - im Gegensatz zu Opiat - spricht man, wenn eine Substanz ähnlich wie Morphin wirkt, aber nicht ursprünglich aus Opium gewonnen wurde. In den 1970er-Jahren kam Tilidin zunächst unter dem Handelsnamen "Valoron" auf den Markt.

Das Schmerzmittel wirkt auf das zentrale Nervensystem und sorgt dafür, dass bestimmte Schmerz übertragende Botenstoffe nicht ausgeschüttet werden. Bei missbräuchlicher Einnahme des Opioids kann es schnell zu körperlicher und psychischer Abhängigkeit kommen.

Anwendung: Wann wird das Schmerzmittel Tilidin eingesetzt?

Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) gibt es ein dreistufiges Schema zur Schmerzbehandlung. Leichte Schmerzen werden mit sogenannten nicht-steroidalen Antirheumatika (NSAR) wie Acetylsalicylsäure, Ibuprofen oder Paracetamol behandelt. Bei mittelstarken bis starken Schmerzen (Stufe II) kommen schwach wirksame Opioide wie Tilidin oder Tramadol zum Einsatz. Und für extrem starke Schmerzen stehen starke Opioide wie Morphium oder Fentanyl zur Verfügung. Morphin - in Deutschland auch Morphium genannt - wirkt ungefähr fünfmal stärker als Tilidin.

Tilidin wird in der Regel von Ärztin oder Arzt dann verschrieben, wenn die Einnahme nicht-steroidaler Antirheumatika (NSAR) nicht mehr gegen starke Schmerzen ausreicht. Das kann zum Beispiel bei Schmerzen nach schweren OPs der Fall sein - oder bei Schmerzen durch Krebserkrankungen. Auch bei chronischen Schmerzen wird Tilidin eingesetzt. Oft wird das Schmerzmittel mit Naloxon kombiniert (Opioid-Antagonist), um dem Missbrauch von Tilidin vorzubeugen. Werden Retardtabletten eingesetzt, also Tabletten, die zeitverzögert wirken, dürfen Tilidin 50/4 retard und 100/8 retard nicht geteilt werden - nur so wird die gleichmäßige Wirkstofffreisetzung der Retardtabletten gewährleistet.

Wirkung: So bekämpft Tilidin Schmerzen

Tilidin wird in der Leber mithilfe bestimmter Enzyme zu Nortilidin umgewandelt. Nortilidin dockt im zentralen Nervensystem an bestimmte Opioidrezeptoren an, die wiederum die Ausschüttung von Neurotransmittern hemmen. Diese sind zur Übertragung von Schmerzsignalen notwendig. Durch Nortilidin werden also Schmerzsignale vermindert weitergeleitet, was die Wahrnehmung der Schmerzen in ihrer Stärke reduziert.

Zusätzlich zur schmerzlindernden Wirkung kann Tilidin auch euphorisierend wirken, was auf die Freisetzung von Dopamin im Gehirn zurückzuführen ist. Das ist auch der Grund dafür, dass Tilidin als Droge missbraucht wird.

Darreichungsformen: Tilidin als Tabletten, Tropfen und Infusion

Tilidin wird von Ärztin oder Arzt hauptsächlich als Tablette, seltener in Tropfenform verschrieben. Im Akutfall kann es auch per Infusion gegeben werden. Bei Einnahme in Tropfenform wirkt Tilidin sehr schnell, was mit einem erhöhten Abhängigkeitspotenzial verbunden ist. Deshalb darf Tilidin in Tropfenform seit dem 1. Januar 2013 nur noch auf einem sogenannten Betäubungsmittelrezept (BTM-Rezept) verordnet werden. Für Tilidin in Tablettenform und als Arzneimittel mit verzögerter Wirkung (beispielsweise als Retardtablette) gilt das nicht. Retardtabletten mit dem Wirkstoff Tilidin - etwa in der Dosierung 50/4 und 100/8 - dürfen nicht geteilt werden, um die gleichmäßige Freisetzung des Wirkstoffs nicht zu gefährden. In Form von Retardtabletten eignet sich Tilidin besonders gut zur Behandlung chronischer Schmerzen, weil der Wirkstoff gleichmäßig über längere Zeit freigesetzt wird.

Kombinationspräparate mit Naloxon senken Risiko für Sucht

Um das Abhängigkeitspotenzial zu verringern, wird Tilidin in Deutschland als Kombinationspräparat mit dem Wirkstoff Naloxon angeboten. Naloxon kann die Wirkung von Opioiden dämpfen und so die Suchtgefahr verringern. Deshalb wird Naloxon auch angewendet, wenn es als Nebenwirkung einer Opioidvergiftung zur Atemdepression gekommen ist.

Mögliche Nebenwirkungen von Tilidin

Die häufigsten Nebenwirkungen von Tilidin sind:

Tilidin kann die Aufmerksamkeit und das Reaktionsvermögen einschränken, was insbesondere beim Autofahren und dem Bedienen von Maschinen berücksichtigt werden sollte.

Wechselwirkungen: Diese Medikamente nicht kombiniert mit Tilidin einnehmen

Vor allem in Kombination mit Beruhigungsmitteln oder Alkohol kann sich die dämpfende Wirkung von Tilidin auf das zentrale Nervensystem verstärken. Diese sich verstärkende Wirkung kann bis hin zu einer Atemdepression führen, die im schlimmsten Fall Atemlähmung und Tod bedingen kann.

Vorsicht vor Wechselwirkungen ist auch geboten, wenn Tilidin in Kombination mit anderen Opioiden, Antidepressiva und Gerinnungshemmern (Blutverdünnern) eingenommen wird: Durch die gleichzeitige Gabe von Gerinnungshemmern kann es zu einer Verlängerung der Blutgerinnungszeit und damit zum vermehrten Auftreten von Blutungen kommen. Antidepressiva wirken auf das körpereigene Serotonin-System und können in Kombination mit Tilidin zum sogenannten Serotonin-Syndrom führen, welches unter anderem Angst, Unruhe, Muskelkrämpfe und Verwirrtheit auslösen kann.

Opioid Tilidin wird oft als Droge missbraucht

Durch seine schmerzstillende Wirkung, aber vor allem weil Tilidin euphorisierend wirkt, hat der Wirkstoff ein hohes Suchtpotenzial. Das gilt allerdings weniger für die langsam wirkenden Retardtabletten, sondern besonders für die schnell wirksamen Tropfen, die seit 2013 auch nur per BTM-Rezept (Betäubungsmittelrezept) verordnet werden können. Obwohl diese Regelung streng ist, kommen durch Rezeptfälschungen aber auch leichtfertige Verordnungen von Ärzten Menschen an Tilidin, die das Medikament missbräuchlich anwenden.

Seit 2019 haben bekannte Rapper wie Capital Bra und Samra Tilidin in ihren Songs zum Thema gemacht. Auffällig ist, dass in dieser Zeit die Anwendung des Arzneimittels in der Altersgruppe von 15 bis 20 Jahren stark angestiegen ist. Auch eine vom Bundesministerium für Gesundheit durchgeführte Studie kam zu dem Ergebnis, dass Tilidin unter den bis 30-Jährigen das am häufigsten eingenommene Opioid ist. Von den Befragten hatten 36 Prozent im Monat zuvor Tilidin konsumiert.

Entzug: Abhängigkeit von Tilidin bekämpfen

Besteht eine Abhängigkeit von Tilidin, muss beim Absetzen des Opioids mit körperlichen Entzugserscheinungen wie Krämpfen, Herzrasen, vermehrtem Schwitzen und psychischen Entzugserscheinungen gerechnet werden. Wird eine vom Arzt verordnete Therapie mit Tilidin beendet, sollte die Dosis langsam reduziert werden, um Entzugssymptome zu vermeiden.

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MDR I MDR AKTUELL I Süchtig auf Rezept I 21.04.2023 I 09:47 Uhr

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