Prinz Harrys Buch "Reserve" könnte britische Monarchie entzaubern
Die Autobiografie "Reserve" von Prinz Harry sorgte schon vor ihrem Erscheinen für reichlich Schlagzeilen. In TV-Interviews mit zwei Sendern äußerte er sich vorab: Er wolle seiner Familie nicht wehtun.
Seit Dienstag, 10. Januar 2023, ist Harrys Buch "Reserve" (im Original: "Spare", soviel wie "Ersatz") auf den Markt. Doch schon vorher sorgte die Autobiografie von Prinz Harry für reichlich Schlagzeilen. Nicht nur in Großbritannien. Etliche Verrisse sind mittlerweile erschienen mit den Attributen "Rachsüchtig, berechnend" oder aber auch "idiotisch".
Prinz Harry veröffentlicht Autobiografie "Reserve" und gibt zwei TV-Interviews
Im britischen Sender "ITV" sowie beim US-Fernsehsender "CBS" wurden gleich zwei Interviews des Prinzen veröffentlicht. Die Biografie soll gespickt sein mit pikanten Details aus Harrys Privatleben sowie Vorwürfen gegenüber seiner Familie. Sie war versehentlich vorzeitig in Spanien in den Buchhandel gekommen. Damit waren auch schon etliche private Details bekannt geworden, über die Prinz Harry schreibt: über seinen Kokainkonsum, über seine Behauptung, beim Militäreinsatz in Afghanistan 25 Taliban getötet zu haben. Warum packt er all diese privaten Dinge auf den Tisch?
Harry im Interview mit CBS: Nichts aus dem Buch solle seiner Familie wehtun
Nichts, was er in seinem Buch schreibt, soll seiner Familie wehtun, so Prinz Harry im Interview mit dem US-Journalisten Anderson Cooper beim TV-Sender CBS. Doch die Interviews, die Harry mit den amerikanischen und britischen Medien geführt hat, haben durchaus das Potential dazu. Denn, wie auch in seinem Buch, gibt es zahlreiche Vorwürfe und intime Einblicke. Harry beschreibt beispielsweise das enge Verhältnis zwischen den Royals und der britischen Boulevardpresse.
Die Presse habe Misstrauen gegen Meghan geschürt, weil sie "eine amerikanische Schauspielerin ist, geschieden, halb-Schwarz". Und seine Familie, besonders sein Bruder, hätten zum einen nichts gegen negative Berichte unternommen, sondern sich zu sehr von den Boulevardmedien beeinflussen lassen - und diese mit Lügen über Meghan gefüttert, so dass sie das Land verlassen mussten.
Handgreiflichkeiten mit Prinz William, "gefährliche" Stiefmutter Camilla
Harry sagt, er wolle mit dem Buch seine Sicht der Dinge darstellen, nicht seine Frau habe die Brüder entfremdet, dies sei schon viel früher passiert. Der traurige Höhepunkt seien die Handgreiflichkeiten gewesen, bei denen William Harry zu Boden gestoßen habe - dieser habe sich dabei am Rücken verletzt. Seine Stiefmutter Camilla beschreibt Harry als "gefährlich", weil sie ihr Image ändern wollte - weg von der dritten Person in der Ehe von Charles und Diana. Dafür habe sie Opfer in Kauf genommen.
Die Beziehung zur Presse, insbesondere der Boulevardmedien und Paparazzi, ist das große Thema - auch, wenn es um die Erinnerungen an seine Mutter Diana geht. Im Interview mit dem britischen Sender "ITV" werden Passagen aus dem Audiobuch eingespielt, von Harry selbst gelesen. Er beschreibt darin, dass er einige Bilder von dem Unfall angeschaut habe, Jahre später als Erwachsener und realisiert habe, dass diese Bilder von den Männern aufgenommen wurden, die seine Mutter "gejagt hätten". Er habe Angst, dass dies auch seiner Frau passieren könnte.
Harry will die Oberhand über die Erzählung seines Lebens
Die Absicht ist klar; hier will jemand die Oberhand über seine Geschichte und die Erzählung seines Lebens gewinnen. Unter anderem mittels einer eigenen Dokumentation auf Netflix, zahlreichen Interviews und nun der Biografie "Reserve". Die Royals dürften alles andere als begeistert sein. Nach eigener Aussage habe Harry keinen Kontakt zu seinem Vater Charles oder seinem Bruder William. Trotzdem hoffe er auf eine Versöhnung. "Meghan und ich haben immer wieder gesagt, dass wir uns offen für alles entschuldigen werden. Es muss ein konstruktives Gespräch geben, eines, das privat stattfinden kann." Ob ihm dies mit dem Erscheinen seiner Biografie gelingt, ist äußerst fraglich.
Anstehende Veröffentlichung der Autobiografie beherrscht britische Schlagzeilen
Harrys Buch "Reserve" beherrscht die britische Berichterstattung. "Oh Spare us", titelt die "Daily Mail" in Anlehnung an den englischen Buchtitel: "Verschone uns", und die "i" spricht von der schwersten Krise der Monarchie seit 30 Jahren. Jetzt geht es ans Eingemachte, um Sex, Gewalt und Verrat. In dem ITV-Interview, in dem Harry zum Buch befragt wird, sagt er über die Mitglieder der Königsfamilie, sie hätten überhaupt keine Bereitschaft zur Versöhnung gezeigt. Sie würden es besser finden, ihn und seine Frau weiterhin als Schurken zu betrachten.
Im Interview mit "CBS" sagt Harry: Immer wenn er etwas privat habe klären wollen, seien Dinge durchgestochen und Geschichte gezielt an die Presse gegeben worden. Harry spricht von Verrat, muss sich diesen Vorwurf inzwischen aber auch selbst machen lassen. Der BBC-Königshaus-Experte Nick Witchell betont, dass nun Harry derjenige ist, der mit seinen Memoiren Privates an die Öffentlichkeit zerrt: "Bei aller Fairness muss man sein Urteilsvermögen infrage stellen. Dass er in seine eigene Privatsphäre eindringt, ist seine Sache, aber er verletzt auch die Privatsphäre seiner Familienmitglieder und das führt zu einem Vertrauensbruch."
Viele Details dürften die Königsfamilie in Rage bringen: die Aussage etwa, dass Charles gefühlskalt ist und es nicht geschafft hat, Harry in den Arm zu nehmen, als die Familie von Dianas Tod unterrichtet wurde; die Behauptung, dass William und Kate ihn, Harry, ermutigt hätten, zu einer Kostümparty in Nazi-Uniform zu gehen; und dass er und Willam Charles bekniet hätten, Camilla nicht zu heiraten, weil die sich als böse Stiefmutter entpuppen könnte. Harrys Buch hat das Zeug dazu, die Monarchie zu entzaubern. Eine Aussöhnung in der Königsfamilie ist jetzt in noch weitere Ferne gerückt, meint die Autorin der "Palace Papers", Tina Brown: Harry habe sich zu einer menschlichen Handgranate entwickelt, gerade wo sein Vater seine Regentschaft angetreten hat.
Andere Details des Buches beziehen sich stärker auf Harry selbst: dass er mit 17 Kokain ausprobiert und danach häufiger gekokst hat, und dass er bei seinem ersten Sex von einer deutlich älteren Frau wie ein junger Zuchthengst behandelt wurde. Für Gesprächsstoff sorgen in Großbritannien aber nicht nur die familiären und intimen Enthüllungen, sondern auch Harrys Aussage, als Soldat im Afghanistan-Einsatz 25 Taliban getötet zu haben. Oberst Richard Kemp, der einst britischer Kommandant in Afghanistan war, hält Harrys Einlassung für unklug: "Er ist ohnehin schon bedroht, und diesen Einsatz nun auf diese Weise wieder ins Bewusstsein zu bringen, untergräbt seine eigene Sicherheit." Außerdem kritisiert Kemp Harry für seine Ausdrucksweise. Harry spricht von den Taliban als Schachfiguren und entmenschliche damit die Opfer. Das entspreche nicht dem Verständnis der britischen Armee.