Ausstellung: Wikinger-Zeitenwandel auf Schloss Gottorf
Schatzfunde aus Gold und Silber, Jahrhunderte alte Schriften und der sensationelle Nachdruck eines 68 Meter langen Weltdokuments: In der Ausstellung "Wikingerdämmerung. Zeitenwende im Norden" dreht sich alles um die späte Wikingerzeit.
Seit Jahrhunderten fasziniert die Geschichte der Wikinger und das wilde Volk wird kopiert. Aber Stopp: "Es gibt kein Volk der Wikinger", erklärt Volker Hilberg vom Museum für Archäologie im Schloss Gottorf. "Man geht auf Wikinga. Man geht auf Beutefahrt, auf Raubzug", so der Experte. Draufgängerisch waren sie also schon, diese Männer aus dem Norden. "Was sie sicherlich sehr besonders macht, ist die Abenteuerlust, dass man neue Inseln, neue Kontinente erschließt, dass man in diesen kleinen offenen Schiffen die offenen Meere überquert hat, dass man sich den staatlichen Strukturen widersetzt und auf Plünderzug geht. Das hat sicherlich zu ihrer Attraktivität beigetragen."
Exponate aus vielen Teilen Europas in der Ausstellung
Die Halbkreissiedlung Haithabu bei Schleswig war ihr internationaler Handwerker- und Handelsplatz. Hier wurde hergestellt, was gestandene Wikinger so brauchten. Im Schloss Gottorf bei Schleswig haben die Archäologen Exponate aus vielen Teilen Europas zusammengetragen: Die Schau "Wikingerdämmerung" zeigt uns deren Aufstieg und Fall - eine "Zeitenwende im Norden."
Aber schauen wir an, was sie uns hinterlassen haben: Bergkristall-Rohmaterial aus Köln für Ringe, Kleiderfibeln und sonstiges Gehänge. Erstaunlich, welch filigranen Schmuck sie vor mehr als 1.000 Jahren hergestellt und gehandelt haben. Edle Armreife aus Gold, aber auch rein Praktisches, wie Speerspitzen und Schwerter. Das ging schon immer. "Wir haben ein riesiges Fundmaterial, das in die Hunderttausende, wenn nicht sogar bis in die Millionen geht", so der Wikinger-Experte, "wenn wir alle Artefakte aus Knochenbruchstücken, aus Keramikscherben, oder aus Specksteingefäßfragmenten hinzuziehen." Jede Menge Münzen, wie zum Beispiel einen Silberschatz, den man in Morsum auf Sylt fand.
Zerstörung Haithabus leitet eine Zeitenwende ein
Mitte des 11. Jahrhunderts sehen die Archäologen einen großen Umbruch: Im Jahr 1066 wird die Handelsstadt Haithabu von den Slawen zerstört, so Hilberg der die Schau kuratiert hat: "Mit 1066 endet unserer Vorstellung nach das Zeitalter der heidnischen Wikinger und geht über in ein christlich-dominiertes Mittelalter. Aus Wikingern werden damit Dänen."
Aber, was bedeutet das? Das Christentum bestimmt als Religion alle Gesellschaftsbereiche. Die Stadt Schleswig wird gebaut, und hier wird christlich produziert: Galten bislang Thor-Hämmer um den Hals als hipp, sind es jetzt immer mehr Kreuze. Seriell produziert in rauen Mengen.
Neue Strukturen - neue Religion
Der Wikinger-Drachenkopf, die Stilikone schlechthin, gilt bald als alter Zopf. Die Nordmänner und -frauen schmücken ihre Häuser jetzt immer öfter mit christlichem Design. Und überhaupt gibt es jetzt neue Strukturen. "Es entstehen Königreiche, so wie wir sie heute noch kennen: Dänemark, Norwegen, Schweden", so Volker Hilberg. "Man wird christlich, man schwört den alten Göttern ab."
Apropos Zeitenwende: Die gibt es 1066 auch im heutigen England: Die Normannen besiegen die Angelsachsen. Die legendäre Schlacht von Hastings, dargestellt auf dem fast 70 Meter langen "Teppich von Bayeux". Ein Nachdruck des Weltkulturerbes ist in der Gottorfer Ausstellung zu sehen - als Kopie auf Papier, aber immerhin! Blutig war die Schlacht, es rollen Köpfe, Leichen werden gefleddert, man reißt den Toten die Kettenhemden vom Leib.
Kreuzzüge statt Raubzüge - auch nicht besser
Wirtschaftlich ging es nun bergab. "Die Münzen verlieren an Silbergehalt, an Wert, der Schmuck wird nicht mehr aus Edelmetall hergestellt, sondern bevorzugt aus Zinn, oder einer Blei-Zinnlegierung", erklärt der Kurator. "Letzten Endes fehlt dann den Königen die wirtschaftliche Basis, um die Herrschaft über England wieder an sich zu reißen." Die sehenswerte Wikinger-Ausstellung in Schleswig kann freilich nicht alle Fragen klären. Schriftlich haben sie uns ja nicht viel hinterlassen, und man muss immer noch viel spekulieren.
Wer allerdings auf friedlichere Zeiten für unsere Männer und Frauen aus dem Norden hoffte, das Mittelalter blieb dunkel. "Es kommt nicht mehr jedes Jahr ein anderer Anführer, mit dem man sich schwer tut, mit dem man neu verhandeln muss, einen neuen Frieden aushandelt, das war eben im 8. und 9. Jahrhundert so gang und gäbe. Es sind keine Überfälle mehr von plündernden, heidnischen Wikingern, sondern es sind jetzt christliche Krieger, die nun auf Kreuzzug gehen, die aber auch Nachbarländer überfallen." Kreuzzüge statt Raubzüge, auch nicht besser. Irgendwie bleibt doch immer alles beim Alten.
