"The Northman": Robert Eggers über seinen "Macho-Film"
Wikinger, Walküren und Hamlet: Der US-Regisseur Robert Eggers ("The Lighthouse") sprach 2022 in Hamburg über seinen Wikinger-Thriller "The Northman" mit Nicole Kidman, Alexander Skarsgård und Björk.
Robert Eggers ist bekannt für packende Historien-Horrorfilme. Der US-Regisseur, Drehbuchautor und Szenenbildner Robert Eggers aus New Hampshire, Schöpfer von "The Witch" und "The Lighthouse", hat 2022 in Hamburg hat seinen 80-Millionen-Dollar teuren Wikinger-Historienthriller "The Northman" vorgestellt. Darin spielen Ethan Hawke, Nicole Kidman, Björk und in den Hauptrollen Alexander Skarsgård und Anya Taylor-Joy.
"The Northman": Rachetrip des Wikinger-Prinzen Amleth
Der Film spielt im 9. Jahrhundert in Island: Prinz Amleth (Skarsgård) muss den grausamen Tod seines Vaters König Aurvandil (Ethan Hawke) rächen, der vom eigenen Bruder (Claes Bang als Fjölnir) ermordet worden ist. Er will seine Mutter, Königin Gúdrun (Nicole Kidman), befreien, die nach dem Mord entführt worden ist und Fjölnir geheiratet hat. Auf seinem blutigen Rachetrip begegnet er einer Seherin (Björk), die ihm den Weg weist - und mit Olga einer geheimnisvollen Gefährtin, die ihm hilft.
Bereits damals arbeitete Eggers an seinem seinen nächsten Vampir-Historienfilm: über Nosferatu, für den er bereits in Lübeck, Wismar und Transilvanien recherchiert hat. Der US-Autorenfilmer sprach im Interview mit NDR.de über Wikinger, Björk, Hamlet, historische Genauigkeit und seine Faszination für Mythen und Sagen.
Bislang haben Sie zwei Filme über die US-amerikanische Mythologie und Fabelwesen aus New England gedreht, also der Gegend, aus der Sie stammen. Mit ihrem dritten Kinospielfilm wechseln Sie in den europäischen Norden, zur Wikinger-Mythologie mit Thor, Walhall, Odin, den Walküren. Wie kam es zu diesem Wechsel?
Robert Eggers: Ich habe eine Menge Skripts geschrieben, die nicht in Neuengland spielen, die niemand finanzieren wollte. Dieses hier war zufällig das erste, das es geschafft hat (lacht). Um ehrlich zu sein, hatte ich früher absolut kein Interesse an Wikingern. Ich bin sogar irgendwie schockiert, dass ich so einen Macho-Film gemacht habe. Denn bis auf "Conan, der Barbar", den ich als Kind total liebte, waren Wikinger nie mein Ding. Außerdem hat mich immer diese kulturelle Aneignung der Wikinger-Kultur vom rechten Flügel gestört. Die hat dafür gesorgt, dass ich allergisch auf das Thema reagiert habe.
Aber dann bin ich eben vor einiger Zeit nach Island verreist. Diese Landschafts-Panoramen sind atemberaubend! Mir vorzustellen, dass die Menschen in den dunklen Jahrhunderten, also im Mittelalter dort hingereist und nicht einfach gestorben sind, sondern auch noch etwas geschöpft haben - sie haben eine Kultur aus der Taufe gehoben, es ist einfach verrückt!
Ich begann also, deren Sagen und Mythen zu recherchieren und habe mich dann in die Wikinger-Kultur verliebt. In mir keimte der Wunsch: Vielleicht kann ich ja doch einen Wikinger-Film drehen? Denn die sind zwar auf jeden Fall schrecklich und gewalttätig gewesen. Aber: Ihre Dichter haben auch wundervolle Lyrik geschrieben, wunderbare Musik hinterlassen. Sie stehen für eine Gesellschaft eines kulturellen Schmelztiegels, die ich so nicht erwartet hatte. Amleth trägt den ganzen Film etwa eine arabische Münze als Amulett.
Wie ist es dann zu diesem Film gekommen?
Eggers: Vor einigen Jahren habe ich Schauspieler Alex (Alexander Skarsgård, der den Film mit produziert hat, Anm. d. Red.) getroffen, der seit Jahren einen Wikingerfilm machen wollte. Also haben wir gemeinsam entschieden: Wir machen das! Als Neuengländer brauchte ich noch einen isländischen Drehbuchautoren als Ko-Autor.
Bei den Isländern sind die Sagen so verwoben mit ihrer kulturellen Identität und Psyche, dass sogar die Leute, die diese Wikingergeschichten hassen, wissen, in der wievielten Generation sie von wem abstammen. Wenn man sich ihre Landschaften anschaut, ist es nicht verwunderlich, dass heutige Isländer an Feen und Geister glauben. Mein Ko-Autor Sjón Sigurdsson (2022 war er oscarnominiert für das Drehbuch des isländischen Mysteryfilmes "Lamb", Anm. d. Red) ist nicht nur Isländer, sondern auch noch brillanter Drehbuchautor. Ich hatte Glück, dass er mit mir arbeiten wollte.
Inwiefern war Ihnen bewusst, dass es sich bei dieser Saga um Amleth um eine Vorlage für Shakepeares Drama "Hamlet" handelt?
Eggers: Ich wollte eine Story über Amleth schreiben und habe es erst bei der Arbeit zu diesem Film herausgefunden. Das war mir so peinlich, denn mein Vater ist College-Professor, ich habe "Hamlet" inszeniert und ich habe ihn sogar selbst gespielt! Ich hatte vorher keine Ahnung, dass Hamlet auf der Wikingersaga von Amleth basiert. Die Parallelen sind da: abgeschnittene Köpfe, das Opfer einer Frau bei einer Bestattung. Die Offenbarung war dann aber, dass mir beim Schreiben klar wurde: Mein Film wird ein breites Publikum ansprechen.
In Ihrem letzten Film "The Lighthouse" haben sich zwei Leuchtturmwärter in der Einsamkeit der Insel bekämpft, in "The Northman" rächt ein Prinz seinen König, Männer überfallen Dörfer. Thematisieren Sie besonders die toxische Maskulinität?
Eggers: Mythen, Sagen, Feengeschichten, Religion, Kult, das interessiert mich am meisten. Das interessiert mich sogar mehr, als das Filmemachen. Ich bin so privilegiert und glücklich, dass ich Geschichten erzählen darf, die ein breites Publikum erreichen. Wenn ich mal wieder frustriert bin, denn Filmemachen ist ein harter Job, sage ich mir, dass ich meine Kunst nicht im stillen Kämmerlein mache.
Das Wichtigste bei meinen Geschichten ist, dass ich versuche, die Menschen so handeln und denken zu lassen, wie es zu ihrer Zeit logisch und üblich war. Das bilde ich ab, ohne ein Urteil darüber abzugeben. Ich bin so objektiv, wie nur möglich.
Deswegen koexistiert in meinen Filmen das Übernatürliche ganz selbstverständlich neben dem Realistischen. In der Wikinger-Ära wusste wirklich jede und jeder, wer Odin ist. Es gab keine atheistischen Wikinger. Ich möchte keine bestimmt Botschaft vermitteln. Ich möchte nur eine Geschichte erzählen.
Haben Sie viele Wikinger-Filme aus der Filmgeschichte für Ihre Recherche angesehen?
Eggers: Nicht wirklich, denn seit Richard Wagner macht jeder so ziemlich jeder, was er aus den Wikingersagen machen will. Ich dachte also nicht, dass es da viel Neues zu lernen gibt.
Sie sind nicht nur Autor und Regisseur, sondern auch Szenenbildner. Waren Sie für die Recherche der Wikingerschiffe, der Textilien, der Waffen im dänischen Ort Roskilde, wo man im Wikingermuseum selbst Waffen anfertigen kann und Wikingerboote segeln kann?
Eggers: Na klar (lacht)! Ein Bonuspunkt bei so einer Recherche ist, man kriegt eine Privattour im Wikingermuseum in Roskilde. Wir haben dort mit den besten Archäologen und Historikern zusammengearbeitet. Auch mit experimentellen Archäologen, die testweise zu Wikingern werden, um zu überprüfen, ob das, was die Archäologen über die Wikingerzeit erforschen, wirklich im Alltag funktioniert. Für mich als Filmemacher waren diese Expertinnen und Experten sehr hilfreich.
Um das alles umzusetzen, braucht man viel Geld, mit dem Filmstudio müssen immer Kompromisse geschlossen werden. Welche waren das hier?
Eggers: Ich hatte schon immer Experten an Bord meiner Filme, nur war dieses Mal die Menge beeindruckend. Aber ich habe viel weniger Kompromisse schließen müssen, als Sie denken. Es gab zwei große, die ich nicht mochte. Der erste: Ich durfte keine Penisse zeigen. Diese wären in einer langen Szene zu sehen gewesen.
Aber mein Film muss auch auf kleinen Bildschirmen im Flugzeug und auch in China funktionieren. Der andere Kompromiss war bedingt durch Covid. Viele der Szenen hätten in Island gefilmt werden sollen. Das ging dann aber durch die Pandemie nicht mehr, das heißt, wir haben manchmal Island per Computereffekten in das Bild eingefügt, die wir in Irland gefilmt haben.
So etwas machen andere in der Branche zwar ständig, das ist aber nicht mein Stil und hat mich frustriert. Ich habe noch nie so hart gearbeitet, wie für diesen Film. Das werde ich nie wieder tun, aber: Dieser Druck hat den Film besser gemacht und dabei ist das entstanden, wofür ich bei den Produzenten vorab geworben hatte: den unterhaltsamsten aller Robert-Eggers-Filme. Ich bin stolz auf diesen Film.
Sie arbeiten bereits am nächsten Film, Ihrer Version des Klassikers Nosferatu….
Eggers: Das Einzige, was ich aktuell darüber sagen kann, ist, dass Harry Stiles nie dafür im Gespräch war, Count Berlock den Vampir zu spielen …
Ich meinte eher, wo Sie dafür alles recherchiert haben, denn Nosferatu wurde vor mehr als 100 Jahren zum Teil in Norddeutschland gedreht. Wo waren Sie überall für historische Drehorte?
Eggers: Ich war in Wismar, in Lübeck, in Gdansk und in Transsilvanien.
Würden Sie gern dort leben?
Eggers: Nein, obwohl gerade Transsilvanien eine unheimliche Zeit-Maschine ist. Man erlebt noch Schäfer in ihren zerlumpten Mänteln gegen die Kälte, wie sie Schafe hüten. Wie sie Pfeife rauchen, das ist sehr romantisch. Aber ich würde ungern in der Vergangenheit leben. Aber ich liebe Recherche! Jeden Aspekt daran.
Das Gespräch führte Patricia Batlle, NDR Kultur. Der Film ist in diversen Streaming-Diensten online zu sehen.