Zwischen Kunst und Klicks: Museen im Instagram-Zeitalter
Manche Kunstwerke ziehen Smartphone-Kameras magisch an. Doch wie gehen Museen mit den Hypes auf Instagram um? Und lässt sich "instagramable" kuratieren?
Es gibt sie immer wieder: Kunstwerke in norddeutschen Museen, die tausendfach fotografiert oder gefilmt werden und dann auf der Plattform Instagram landen. Dieses Phänomen ist beispielsweise aktuell unter dem Hashtag #Pixelwald zu beobachten, der sich auf die neue Installation "Pixelwald Wisera" von Pipilotti Rist in der Kunsthalle Bremen bezieht.
Schlange stehen für die Ausstellung "Flowers Forever"
Wer die Ausstellung "Flowers Forever" im Bucerius Kunst Forum in Hamburg besucht hat, musste dort zu Stoßzeiten regelrecht Schlange stehen, um einigermaßen ungestört durch die imposante Trockenblumen-Installation der britischen Künstlerin Rebecca Louise Law zu schreiten. Auch hier gaben sich Influencer und Kulturbegeisterte die Klinke in die Hand. Zahlreiche Fotos und Videos der Installation landeten in den sozialen Netzwerken und lockten weitere Neugierige an.
Inwiefern nutzen Museen diesen Effekt für ihre kuratorische Arbeit? Für die Kunsthalle Bremen war die offensichtliche Instagram-Tauglichkeit des Pixelwaldes kein Kriterium bei der Auswahl für diese Installation. Die Inszenierung einer Ausstellung oder eines Kunstwerkes trage entscheidend zu seiner Erfahrung bei, die Qualität eines Kunstwerkes definiere sich aber nicht darüber, wie gut es auf Instagram wiederzugeben ist, heißt es auf Nachfrage von NDR Kultur. Für das Museum, das einen Schwerpunkt auf die Medienkunst der Zukunft legt, zähle am Ende das ästhetische Erlebnis in Kombination mit dem künstlerischen Inhalt. Laut Auskunft der Kunsthalle Bremen erfreut sich das immersive Werk vor allem aufgrund der Produktion von multisensorischen Eindrücken großer Beliebtheit und zieht sowohl das klassische als auch ein neues Publikum an.
"Glitzer": Instagram-Spots überall
Ganz anders sieht es im Museum für Kunst und Gewerbe in Hamburg aus. Hier haben die beiden Kuratorinnen Nina Lucia Groß und Julia Meer von Anfang an überlegt, ob es in der aktuellen Ausstellung "Glitzer" Instagram-Spots geben sollte. Da die zahlreichen Glitzer-Objekte allerdings jede Menge Möglichkeiten für Fotos und Selfies bieten, lassen sie die Exponate für sich sprechen und die Besucher*innen selbst entscheiden, was für sie instagrammable ist. "Es ist eine große Freude, all diese individuellen Auswahlen in den Stories zu sehen", so Julia Meer.
Die beiden Kuratorinnen haben die Posts und Reels von Besucher*innen genau im Blick. Sie freuen sich darüber, dass die Menschen sich gemeinsam mit ihren eigenen Leihgaben in der "Hall of Glitter" fotografieren, oder sich mit ihren Freund*innen vor ihren Lieblingswerken und beim gemeinsamen Abhängen in der rosa Landschaft des "Teenage Glitter"-Raums filmen. Ein weiteres Highlight: Wenn die Besucherinnen und Besucher ihre selbstgebastelten Werke aus dem DIY Space der Ausstellung und ihre Freude und ihren Stolz darüber mit anderen teilen, ergänzt Nina Lucia Groß.
Landesmuseum Hannover: Social Media darf nicht die Inhalte bestimmen
Auch das Landesmuseum Hannover treibt der "richtige" Umgang mit den sozialen Medien um. So werden die Ausstellungen des Hauses zwar nicht extra "instagramable" gestaltet. Denn die feste Überzeugung des Hauses lautet, dass Social Media nicht den Inhalt von wissenschaftlichen Ausstellungen bestimmen dürfe. Auf der anderen Seite stehe das Potenzial, Social Media mitzudenken: "Viele Objekte können ästhetisch präsentiert werden, ohne dass die Information zu kurz kommt", so ein Sprecher des Hauses. In den Ausstellungen werden zudem Bereiche gestaltet, die zum Fotografieren oder Teilen einladen. Eine solche Intervention biete die Möglichkeit zur Interaktion, um das Erlebnis zum Beispiel in einem Foto festzuhalten und schaffe ein größeres Erinnerungspotential.
Gleichzeitig beobachtet das Haus, dass unterschiedliche Zielgruppen unterschiedliche Bedürfnisse mitbringen: "Der ästhetische Eindruck einer Ausstellung und die Empfehlung durch andere werden zunehmend wichtigere Gründe, eine Ausstellung zu besuchen." Es bestehe also die Chance, die Reichweite einer Ausstellung durch Ästhetik und Mundpropaganda zu verstärken.
Beliebtes Fotoobjekt in der Zauberberg-Ausstellung in Lübeck
Auch laut Caren Heuer, der Direktorin des Lübecker Buddenbrookhauses, spielt die Frage, wie werbewirksam oder "instagrammable" die Inhalte in einer Ausstellung inszeniert werden können, im kuratorischen Prozess kaum eine Rolle. "Nichtsdestotrotz entstehen Ausstellungen ja nicht in einem diskursfreien Raum. Soll heißen: Der Blick von Ausstellungsmacher*innen ist durch deren eigene Sehgewohnheiten und Social Media-Rezeption geprägt", so Heuer. Daraus ergebe sich ihrem Eindruck nach fast zwangsläufig, dass Ausstellungen zu Instagram-tauglichen Inszenierungen finden. Ohne dies zu beabsichtigen, habe sich in der vergangenen Ausstellung "Thomas Manns Der Zauberberg. Fiebertraum und Höhenrausch" eine Uhr, die im Kontext von Politik und Gewalt auf fünf Minuten vor zwölf stand, als beliebtes Fotoobjekt der Besucher*innen entpuppt.
Paula Vosse, wissenschaftliche Volontärin und Kuratorin im Günter Grass-Haus in Lübeck, greift gerne zusätzlich ganz gezielt auf die weiterführenden Dynamiken im digitalen Raum zurück. Gerade erst hatte das Haus die Mitmach-Aktion "GrassTober" angestoßen. Dabei geht es in Anlehnung an die Aktion "InkTober" um Tinte und Grafiken, was laut Vosse ganz unterschiedliche Altersgruppen erreichte. Das Ganze ist eine Art digitales Spiel: Die Kultureinrichtung postet eine Art Regelwerk und Begrifflichkeiten aus dem Grass-Kosmos, die Community war dazu aufgerufen, zu den jeweiligen Themen Bilder einzureichen. So entsteht ein Austausch im digitalen Raum. Auch für zukünftige Ausstellungen denkt Vosse bereits über ähnliche Aktionen nach. Das Thema befasst sogar schon die Wissenschaft: Kristina Haase, die Ansprechperson des Hauses bei der Medienagentur Hammelsprung, befasst sich im Rahmen ihrer Masterarbeit mit den Methoden, die sie gemeinsam mit dem Grass-Haus für den digitalen Raum entwickelt hat. Die Ergebnisse dürften auch andere Museen im Norden interessieren.
