SHMF-Motto "Istanbul": Wie politisch wird der Festivalsommer?
Aktuell schaut die Welt auf Istanbul - auch beim Schleswig-Holstein Musik Festival steht die Metropole ab dem 5. Juli im Fokus. Die SHMF-Sprecherin Laura Hamdorf sagt im NDR Kultur Interview: "Wir sind kein politisches Festival."
Das SHMF lade nur Künstlerinnen und Künstler ein, die "für ein friedliches Miteinander und für Toleranz" stehen. Seit der Verhaftung des Istanbuler Bürgermeisters Ekrem İmamoğlu schaut die Welt in die Türkei. Dort halten die Proteste in Teilen der Bevölkerung weiter an. Das Schleswig-Holstein Musik Festival (SHMF) hat sich die Stadt Istanbul für diesen Festivalsommer als Motto vorgeknöpft. Das Festival läuft 5. Juli bis 31. August. Im Interview spricht die SHMF-Pressesprecherin Laura Hamdorf darüber, wie politisch der Festivalsommer bei einem der größten europäischen Festivals durch die neue Situation in der Türkei wird.
Seit der Inhaftierung des Istanbuler Bürgermeisters schaut die Welt nach Istanbul - das SHMF hat sich die Stadt in diesem Sommer als Motto vorgeknöpft. Purer Zufall oder weise Voraussicht?

Laura Hamdorf: Unser Städteschwerpunkt Istanbul steht bereits seit einigen Jahren fest. Eine Entscheidung fällt also keinesfalls kurzfristig und nach politischem Tagesgeschehen, sondern aufgrund eines besonderen kulturellen Gehalts. Istanbul ist unglaublich vielfältig - die Stadt verbindet zwei Kontinente, sie war Hauptstadt des Römischen, des Byzantinischen und des Osmanischen Reiches.
Dort treffen unterschiedliche Traditionen, Religionen und Kulturen aufeinander - und all das formt eine hochspannende musikalische Szene, die wir in 60 Konzerten abbilden werden. Wir haben Folk-, Jazz- und Barockmusiker aus der Millionen-Metropole zu Gast. Und wir schlagen große Bögen, bis hin zur ältesten türkischen Komponistin Kassia, die vor 1.200 Jahren gelebt hat. Das Konzertprogramm hat also vor allem mit Kulturgeschichte zu tun.
Die türkische Gesellschaft gilt als zutiefst polarisiert, inwiefern wird sich die gesellschaftliche Spannung auch im Programm des SHMF niederschlagen?
Hamdorf: Ist die türkische Gesellschaft tatsächlich polarisierter als unsere? Wir waren mit einigen Mitgliedern aus dem Festivalteam im letzten Jahr in Istanbul und haben ein unglaubliches Miteinander erlebt. Ob mit Blick auf die Kulinarik, auf Mode oder auf die Sprache - es herrschte eine grundtolerante und gelassene Atmosphäre in der Stadt. Natürlich ist Musik nicht zuletzt immer Ausdruck von gesellschaftlichen Verhältnissen. Wir verstehen uns aber nicht als Festival, das Bezug nimmt auf aktuelle politische Ereignisse. Wir geben Künstlerinnen und Künstlern eine Bühne, die Musik als verbindende Sprache empfinden.
Die Band Light in Babylon etwa besteht aus einer israelischen Sängerin, einem türkischen Santur-Spieler und einem französischen Gitarristen. Sie spielen ein Programm mit dem Titel "Schalom, Salam, Barış" - die hebräische, arabische und türkische Begrüßungsformel für den Frieden. Light in Babylon wurde übrigens 2010 gegründet, da war Istanbul gerade Weltkulturhauptstadt. Die politischen Verhältnisse damals waren nicht anders als heute - und doch blickte die Welt auf die Kultur Istanbuls. Es muss also unbedingt möglich sein, die Kultur einer Stadt mit politischen Spannungen zu würdigen.
Inwiefern beobachtet das SHMF das aktuelle Geschehen in der Türkei und speziell in Istanbul und wird das programmatische Folgen haben?
Hamdorf: Derzeit beobachten wir vor allem das Weltgeschehen. Die aktuellen Ereignisse in Istanbul werden keine programmatischen Folgen für die SHMF-Konzerte haben, denn wir haben ausschließlich Künstlerinnen und Künstler eingeladen, die das Verbindende in den Mittelpunkt stellen und nicht das Trennende.
Wie politisch wird der Festivalsommer nun werden und gibt es Überlegungen, darüber mit Künstlerinnen und Künstlern in den Austausch zu gehen?
Hamdorf: Als Musikfestival können wir die aktuellen politischen Ereignisse in Istanbul nicht beurteilen. Das ist dann eher die Aufgabe der Presse oder der Justiz. Unsere Aufgabe ist es, die Kultur abzubilden. Deshalb blicken wir in erster Linie einem Sommer voller Musik entgegen. Der Austausch zwischen den Künstlerinnen und Künstlern, dem Publikum und uns ist durch die 60 Konzerte mit Istanbul-Bezug bereits gegeben. Wir tauchen in die facettenreiche Kulturwelt Istanbuls ein – die hier in Norddeutschland viel zu wenig bekannt ist, es gibt so Vieles für uns zu entdecken.
Will sich beziehungsweise sollte sich das SHMF politisch positionieren?
Hamdorf: Wir sind kein politisches Festival. Es ist uns aber wichtig, ausschließlich Künstlerinnen und Künstler auszuwählen, die für ein friedliches Miteinander und für Toleranz zu stehen. Und wir sind über die Maßen dankbar für so viele Künstler, auf die genau das zutrifft und die Lust haben, an unserem SHMF-Sommer mitwirken.
Das Interview führte Anina Pommerenke.
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