Bildband "Der Garten": Lehrreich, amüsant und fast immer erhellend
Seit Jahrhunderten zieht es Menschen in das selbst angelegte, gepflegte, gehütete Stück Natur. Der Garten-Historiker Hans von Trotha erzählt in seinem neuen Buch die europäische Garten-Geschichte vom Mittelalter bis ins Jahr 1900.
Üppiges Grün, überall wuchernd … Büsche, Bäume, alles schwankt im Wind. Graublaue Wolkenfetzen am Himmel, durch die doch Sonnenschein dringt, der die Blätter im Garten gold-orange einfärbt. Und um den Garten herum: eine steinerne Mauer, auch sie warm beschienen. Wahrscheinlich sitzen hier und da und dort Eidechsen in den Mauerritzen, man sieht sie nicht.
"Jeder Garten ist von seiner Umgebung getrennt. Das definiert ihn als Garten. Sowohl das seinem Ursprung nach germanische Wort 'Garten', als auch das aus dem altpersischen stammende Wort 'Paradies' gehen auf Begriffe für die Einfriedung eines Geländes zurück. Hinter der Mauer gelten andere Regeln. Hinter der Mauer, die der Maler sich hier vorstellt, in diesem Garten scheint tatsächlich alles möglich."
Unerschöpfliche Vielfalt
Mit dem ersten von 333 Bildern zeigt Hans von Trotha bereits sein Können: Zum einen versteht sich der Historiker und Autor auf die Kunst der knappen, informativen Bildunterschrift. Zu jeder Abbildung weiß er etwas mitzuteilen, mal lehrreich, manchmal amüsant, fast immer erhellend. Zum anderen ist seine Bild-Auswahl frappierend: Gärten als Sujet von Gemälden, Zeichnungen, Kupferstichen und Holzschnitten, Buch-Titelblättern, Wandteppichen, Landschaftsplänen oder Florilegien sind in ihrer Vielfalt unerschöpflich. Und doch wiederholen sich Motive, lernt man beim Blättern Grundregeln der Gartenkunst kennen.
Quellen und Fontänen: Die Grundregeln der Gartenkunst
Zum Beispiel die absolut nötige Begrenzung gegen die übrige Landschaft oder gegen die Stadt. Der jahrhundertelang übliche Brunnen in der Mitte; eine Erfindung des Mittelalters, als quadratische Gärten in Klöstern angelegt wurden, mit einer Wasserstelle im Zentrum. In Renaissancegärten saßen turtelnde Paare um den sprudelnden Quell (das erotische Spiel in Boccaccios Decamerone!), die Barockzeit brachte später die mächtige Fontäne inmitten der gestutzten Buchsbaumhecken hervor (welcher Herrscher hat die längste, höchste, am mächtigsten spritzende?!).
Aus dem biblischen Paradies wurde der höfische Liebesgarten, der "hortus conclusus", in dem die Jungfrau abgeschirmt sitzt und durch Engelsboten von ihrer Schwangerschaft erfährt. Oder es geht gleich handfester zur Sache, wenn Jünglinge und Mägde einander haschen und kichernd im Gebüsch verschwinden.
"1543 erschien in Basel das New Kreüterbuch, eine Sammlung von über 500 Pflanzenarten. Herausgeber war der Mediziner Leonhart Fuchs. Ihm zu Ehren wurde später eine aus Südamerika eingeführte Pflanzengattung Fuchsie genannt."
... erfahren wir - und haben an der Stelle noch nicht einmal ein Viertel des Buches durchstöbert; gerade erst Dürers Aquarell "Großes Rasenstück" bestaunt, mit dem der Nürnberger Meister einzelne Grashalme und verblühte Köpfe von Löwenzahn nahezu fotorealistisch abbildet.
Romantisches Gartenglück von Caspar David Friedrich
Mit Wucht vorangeblättert, landet man bei zweimal Caspar David Friedrich: Die "Gartenterrasse" von 1811 und die "Gartenlaube" von 1818 zeigen romantisches Gartenglück: Spätes Tageslicht, Menschen unter Baum und Hecke in der Sicherheit hinter der Gartengrenze - doch mit weitem Blick darüber hinaus in die Ferne.
Ein Aufbruch der Kunst, verrät Hans von Trotha: "Mit einerseits dem Ziel, die Unendlichkeit der Natur hautnah erlebbar zu machen, und andererseits einer Abwehrbewegung genau dagegen, da dieses Erlebnis auch als Bedrohung empfunden wurde. Es ist der Zweitakt von Romantik und Biedermeier", der sich gerade erstaunlich ähnlich in der Gegenwart beobachten lässt, zwischen grenzenloser Reiselust und dem Rückzug in die kuschelige Privatheit.
"Der Garten": Ein bildstarkes Nachschlagewerk
"Der Garten - seine Geschichte in 333 Bildern" ist kein stupides Sammelsurium von hübschen Bildchen. Sondern ein stupend bildstarkes Nachschlagewerk, das sich lesen oder anschauen, zum Lernen oder zur Zerstreuung aufschlagen lässt.
Sein größter Nachteil liegt in der klugen Selbstbeschränkung auf europäische Gärten in dem Jahrtausend zwischen 900 und 1900. Was ließe sich nicht noch alles aus Japan und China erfahren, aus Arabien oder Persien! Doch dann wären es wohl 999 Bilder geworden - und das ohnehin dicke Buch wäre dreimal so dick.
Der Garten. Seine Geschichte in 333 Bildern
- Seitenzahl:
- 384 Seiten
- Verlag:
- Hatje Cantz
- Bestellnummer:
- 978-3-7757-5831-4
- Preis:
- 44 €
