Buchcover: Michael Töteberg und Alexandra Vasa, "Ich gehe in ein anderes Blau. Rolf Dieter Brinkmann – Eine Biografie" © Rowohlt
Buchcover: Michael Töteberg und Alexandra Vasa, "Ich gehe in ein anderes Blau. Rolf Dieter Brinkmann – Eine Biografie" © Rowohlt
Buchcover: Michael Töteberg und Alexandra Vasa, "Ich gehe in ein anderes Blau. Rolf Dieter Brinkmann – Eine Biografie" © Rowohlt
AUDIO: Neue Bücher: "Ich gehe in ein anderes Blau. Rolf Dieter Brinkmann - Eine Biografie" (5 Min)

"Ich gehe in ein anderes Blau": Biografie über Rolf Dieter Brinkmann

Stand: 15.04.2025 06:00 Uhr

Rolf Dieter Brinkmann gilt als einer der bedeutendsten deutschen Lyriker der Nachkriegszeit, aber auch als einer der schwierigsten. Michael Töteberg und Alexandra Vasa haben nun eine Biografie vorgelegt, die ihn wieder ins Gespräch bringt.

1957 wurde im Gymnasium in Vechta Wolfgang Borcherts "Draußen vor der Tür" aufgeführt - in der Hauptrolle war der Schüler Rolf Dieter Brinkmann. Erstaunlich früh hat er, ohne dass man sagen könnte, woraus sich dieses Selbstvertrauen speiste, ein Bewusstsein dafür entwickelt, dass er ein Künstler, ein Dichter sei. Seine ersten Gedichte schickte er damals an namhafte Literaturzeitschriften, bekam sie zurück und schickte bald darauf neue. Auch an den Rowohlt Verlag sandte er Gedichte. Der Lektor damals hieß Peter Rühmkorf, der diese Texte für bemerkenswert, aber noch nicht druckbar hielt.

Texte, Briefe und Gedichte aus Brinkmanns Nachlass

1962 erschien in einem kleinen Verlag Brinkmanns erster Gedichtband. Später wurden seine Gedichte mit ihrem Widerstandsgeist, dem Gestus der Revolte und seinem ganz eigenen Pathos zum Grundsound der 70er-Jahre. Der Titel der Biografie von Michael Töteberg und Alexandra Vasa bezieht sich auf eines der Gedichte: "Das endet damit: 'Und das soll das ganze Leben gewesen sein? Ich gehe in ein anderes Blau.'", erzählt Töteberg. "Diese Unzufriedenheit mit dem, was er sah, diese ganze Umwelt und die Gesellschaft - Brinkmann ist einer, der sehr aus der Opposition schreibt. Der berühmte Brinkmann'sche Zorn treibt ihn an, und wenn man genau hinguckt, sieht man auch, dass nicht immer alles nur Zorn ist, sondern dass er einen Blick hat für die beiläufige Schönheit des Alltags."

Michael Töteberg und Alexandra Vasa haben den umfangreichen Nachlass sichten können und tatsächlich Neuland betreten, denn viele dieser Texte, Briefe und Gedichte sind bisher nicht zugänglich gewesen. "Das war ein großer Glücksfall, dass wir in den Nachlass gucken konnten, den bisher Maleen Brinkmann unter Verschluss gehalten hat. Das sind sehr viele Briefe. Brinkmann war eigentlich ein manischer Schreiber, einer, wo es noch ganz viel zu entdecken gibt. Das ist für einen Biografen wunderbar", so Töteberg.

Ein gefürchteter Wüterich mit einer zarten Seite

Rolf Dieter Brinkmann war ein Mensch voller Widersprüche. Er hatte allerdings neben seiner Schärfe im Umgang mit Anderen eine große Fähigkeit zu Freundschaften, die jetzt in seinem Nachlass durch tausende Briefe sichtbar werden. Zum Beispiel die, die er während seines Aufenthaltes in Rom in der Villa Massimo schrieb. "Deshalb weiß man relativ viel, was er gemacht hat", sagt Töteberg. "Man weiß sehr genau über diesen Alltag Bescheid, und dann sieht man, dass er doch nicht nur der Wüterich war. Er war immer ein bisschen problematisch; man wusste nie genau, wann er seinen Ausbruch kriegt. Aber es gibt auch einen Brinkmann, der die zärtlichsten Liebesbriefe an seine Frau geschrieben hat, die ich kenne."

Öffentlich hat er gern verbal rund um sich herum ausgeteilt. Bei einer großen Literaturveranstaltung beschimpfte er in wüster Weise die damaligen Großkritiker Rudolf Hartung und Marcel Reich-Ranicki. Manche Menschen hatten geradezu Furcht vor ihm. An guten Tagen versprühe er Hohn und Spott, an seinen schlechten Tagen Gift und Galle, hieß es. Ohne zu psychologisieren, zeichnet die Biografie dieses schwer zu lebende Leben nach.

1975 wurde er zu einer Literaturveranstaltung nach Cambridge eingeladen und hielt dort eine Lesung, die sein internationaler Durchbruch hätte werden können. Bei einem Spaziergang durch London starb Brinkmann, den Heiner Müller das "einzige Genie der Nachkriegsliteratur" nannte, bei einem Unfall.

Ich gehe in ein anderes Blau. Rolf Dieter Brinkmann - Eine Biografie

von Michael Töteberg / Alexandra Vasa
Seitenzahl:
400 Seiten
Genre:
Roman
Verlag:
Rowohlt
Bestellnummer:
978-3-498-00392-0
Preis:
35 €

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Neue Bücher | 15.04.2025 | 12:40 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Romane

Rote und rosafarbene Bücher stehen vor einen rosafarbenen Hintergrund. © IMAGO / Panthermedia

Neue Bücher 2025: Was erschienen ist - und was noch kommt

Neues gibt es beispielsweise von Wolf Haas, Antje Rávik Strubel oder Kristine Bilkau und vielen weiteren. Ein Blick aufs Literaturjahr. mehr

Logo vom NDR Kultur Podcast "eat.READ.sleep" © NDR Foto: Sinje Hasheider

eat.READ.sleep. Bücher für dich

Lieblingsbücher, Neuerscheinungen, Bestseller – wir geben Tipps und Orientierung. Außerdem: Interviews mit Büchermenschen, Fun Facts und eine literarische Vorspeise. mehr

Eine Grafik zeigt einen Lorbeerkranz auf einem Podest vor einem roten Hintergrund. © NDR

Legenden von nebenan: Wer hat Ihren Ort geprägt?

NDR Kultur erzählt die Geschichte von Menschen, die in ihrer Umgebung bleibende Spuren hinterlassen haben - und setzt ihnen ein virtuelles Denkmal. mehr

Der Arm einer Frau bedient einen Laptop, der auf einem Tisch in einem Garten steht, während die andere Hand einen Becher hält. © picture alliance / Westend61 | Svetlana Karner

Abonnieren Sie den NDR Kultur Newsletter

NDR Kultur informiert alle Kulturinteressierten mit einem E-Mail-Newsletter über herausragende Sendungen, Veranstaltungen und die Angebote der Kulturpartner. Melden Sie sich hier an! mehr

NDR Kultur App Bewerbung © NDR Kultur

Die NDR Kultur App - kostenlos im Store!

NDR Kultur können Sie jetzt immer bei sich haben - Livestream, exklusive Gewinnspiele und der direkte Draht ins Studio mit dem Messenger. mehr

Mehr Kultur

Ein Schiffsmodell steht in einer Vitrine. © Screenshot

"Titanic"-Ausstellung in Hamburg: 300 Fundstücke aus dem Wrack

Die Schau "Titanic: Eine Immersive Reise" startet am 17. April in einer eigens errichteten Halle an der Willy-Brandt-Straße. mehr

Kleine Spielzeughäuser aus Kunststoff stehen auf einem Abgabenbescheid für die Entrichtung der Grundsteuer. In die zähen Verhandlungen von Bund und Ländern über eine Reform der Grundsteuer hat Schleswig-Holstein einen neuen Kompromissvorschlag eingebracht. © picture alliance/dpa | Jens Büttner Foto: picture alliance/dpa | Jens Büttner

Umfrage: Reform der Grundsteuer - gerecht oder ungerecht?