"Ich gehe in ein anderes Blau": Biografie über Rolf Dieter Brinkmann
Rolf Dieter Brinkmann gilt als einer der bedeutendsten deutschen Lyriker der Nachkriegszeit, aber auch als einer der schwierigsten. Michael Töteberg und Alexandra Vasa haben nun eine Biografie vorgelegt, die ihn wieder ins Gespräch bringt.
1957 wurde im Gymnasium in Vechta Wolfgang Borcherts "Draußen vor der Tür" aufgeführt - in der Hauptrolle war der Schüler Rolf Dieter Brinkmann. Erstaunlich früh hat er, ohne dass man sagen könnte, woraus sich dieses Selbstvertrauen speiste, ein Bewusstsein dafür entwickelt, dass er ein Künstler, ein Dichter sei. Seine ersten Gedichte schickte er damals an namhafte Literaturzeitschriften, bekam sie zurück und schickte bald darauf neue. Auch an den Rowohlt Verlag sandte er Gedichte. Der Lektor damals hieß Peter Rühmkorf, der diese Texte für bemerkenswert, aber noch nicht druckbar hielt.
Texte, Briefe und Gedichte aus Brinkmanns Nachlass
1962 erschien in einem kleinen Verlag Brinkmanns erster Gedichtband. Später wurden seine Gedichte mit ihrem Widerstandsgeist, dem Gestus der Revolte und seinem ganz eigenen Pathos zum Grundsound der 70er-Jahre. Der Titel der Biografie von Michael Töteberg und Alexandra Vasa bezieht sich auf eines der Gedichte: "Das endet damit: 'Und das soll das ganze Leben gewesen sein? Ich gehe in ein anderes Blau.'", erzählt Töteberg. "Diese Unzufriedenheit mit dem, was er sah, diese ganze Umwelt und die Gesellschaft - Brinkmann ist einer, der sehr aus der Opposition schreibt. Der berühmte Brinkmann'sche Zorn treibt ihn an, und wenn man genau hinguckt, sieht man auch, dass nicht immer alles nur Zorn ist, sondern dass er einen Blick hat für die beiläufige Schönheit des Alltags."
Michael Töteberg und Alexandra Vasa haben den umfangreichen Nachlass sichten können und tatsächlich Neuland betreten, denn viele dieser Texte, Briefe und Gedichte sind bisher nicht zugänglich gewesen. "Das war ein großer Glücksfall, dass wir in den Nachlass gucken konnten, den bisher Maleen Brinkmann unter Verschluss gehalten hat. Das sind sehr viele Briefe. Brinkmann war eigentlich ein manischer Schreiber, einer, wo es noch ganz viel zu entdecken gibt. Das ist für einen Biografen wunderbar", so Töteberg.
Ein gefürchteter Wüterich mit einer zarten Seite
Rolf Dieter Brinkmann war ein Mensch voller Widersprüche. Er hatte allerdings neben seiner Schärfe im Umgang mit Anderen eine große Fähigkeit zu Freundschaften, die jetzt in seinem Nachlass durch tausende Briefe sichtbar werden. Zum Beispiel die, die er während seines Aufenthaltes in Rom in der Villa Massimo schrieb. "Deshalb weiß man relativ viel, was er gemacht hat", sagt Töteberg. "Man weiß sehr genau über diesen Alltag Bescheid, und dann sieht man, dass er doch nicht nur der Wüterich war. Er war immer ein bisschen problematisch; man wusste nie genau, wann er seinen Ausbruch kriegt. Aber es gibt auch einen Brinkmann, der die zärtlichsten Liebesbriefe an seine Frau geschrieben hat, die ich kenne."
Öffentlich hat er gern verbal rund um sich herum ausgeteilt. Bei einer großen Literaturveranstaltung beschimpfte er in wüster Weise die damaligen Großkritiker Rudolf Hartung und Marcel Reich-Ranicki. Manche Menschen hatten geradezu Furcht vor ihm. An guten Tagen versprühe er Hohn und Spott, an seinen schlechten Tagen Gift und Galle, hieß es. Ohne zu psychologisieren, zeichnet die Biografie dieses schwer zu lebende Leben nach.
1975 wurde er zu einer Literaturveranstaltung nach Cambridge eingeladen und hielt dort eine Lesung, die sein internationaler Durchbruch hätte werden können. Bei einem Spaziergang durch London starb Brinkmann, den Heiner Müller das "einzige Genie der Nachkriegsliteratur" nannte, bei einem Unfall.
Ich gehe in ein anderes Blau. Rolf Dieter Brinkmann - Eine Biografie
- Seitenzahl:
- 400 Seiten
- Genre:
- Roman
- Verlag:
- Rowohlt
- Bestellnummer:
- 978-3-498-00392-0
- Preis:
- 35 €
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Romane
