Ein Mann mit grauen, lockigen Haaren und einer Brille lächelt nach vorne in die Kamera und trägt ein weißes Hemd und darüber einen beigen Pullover. © Daniel Bödeker
Ein Mann mit grauen, lockigen Haaren und einer Brille lächelt nach vorne in die Kamera und trägt ein weißes Hemd und darüber einen beigen Pullover. © Daniel Bödeker
Ein Mann mit grauen, lockigen Haaren und einer Brille lächelt nach vorne in die Kamera und trägt ein weißes Hemd und darüber einen beigen Pullover. © Daniel Bödeker
AUDIO: 75 Jahre Knabenchor Hannover - Tradition und Aufbruch (55 Min)

75 Jahre Knabenchor Hannover - Tradition und Aufbruch

Stand: 14.04.2025 00:01 Uhr

Fast 25 Jahre ist Jörg Breiding jetzt Chorleiter vom Knabenchor Hannover. Was den Job für ihn so besonders macht und wie er die schwierige Coronazeit überstanden hat, erzählt er im Interview.

von Beate Scheibe

In diesem Jahr feiert der Knabenchor Hannover sein 75-jähriges Bestehen. Mit vielen Konzerthöhepunkten erwartet der Chor unter der Leitung von Jörg Breiding in dieser Saison sein Publikum, darunter natürlich das Festkonzert, das am 4. Oktober mit Joseph Haydns Schöpfung im Kuppelsaal veranstaltet wird. Neben den Vorbereitungen auf die vielen Konzerte, musste sich der Knabenchor Hannover auf eine große Veränderung einstellen: Im vergangenen Jahr hat er seine langjährige Heimat, das Chorheim in der Meterstraße, verlassen und ist auf den Campus Knabenchor Hannover umgezogen. Eine ideale Chorheimat mit besten Probenbedingungen. Unterstützt wird der Chor dabei vom Bund für die aufwendigen Umbau- und Sanierungsarbeiten. So ist das Jubiläumsjahr des Chores ganz sicher eine große Herausforderung für alle Beteiligten. Die Stimmung aber ist "hoffnungsvoll positiv", so Leiter Jörg Breiding: "Das wird ein toller Ort für die Kinder- und Jugendmusikkultur". Über seine Pläne auf dem neuen Campus spricht Jörg Breiding mit Beate Scheibe in NDR Kultur à la carte.

Fast 25 Jahre singt der Chor unter deiner Leitung. Das ist ein beeindruckender Zeitraum. Hast du damals, als du den Chor von Heinz Hennig übernommen hast, daran gedacht, dass ihr so lange zusammenbleiben werdet?

Jörg Breiding: Ehrlich gesagt, habe ich daran gedacht. Ich war in einer Phase mit Herrn Hennig, wo er einen Nachfolger suchte und ich habe noch ein Jahr mit ihm als sein Assistent zusammengearbeitet, war im Grunde unter Beobachtung und konnte viel von ihm lernen. Herr Hennig sprach damals immer davon, dass man so einen Knabenchor als seine Lebensaufgabe übernimmt.

Aber das weiß man nicht, wenn man Anfang 30 ist, oder?

Breiding: Das war damals eine Grundvoraussetzung für ihn. Darauf habe ich mich auch eingelassen. Sicherlich ging er da auch sehr von sich aus, denn er hat diesen Chor gegründet und 50 Jahre lang geleitet. Ich denke, was er meinte, und das versuche ich auch nach wie vor und weiterhin so auszuüben, dass man sich mit seinem vollen Engagement in diese Sache hineingeben muss. Das macht man nicht mal nur eine Zeit lang. Ich denke, diese Einstellung dazu ist wichtig, und die habe ich nach wie vor. Das macht Riesenspaß, mit diesem tollen Chor zu arbeiten und mit den Kindern und Jugendlichen zusammen zu musizieren.

Was macht dich persönlich stolz, wenn du auf diese Zeit zurückblickst?

Breiding: Zum Beispiel, dass wir diese ganz schwierige Zeit der Pandemie überstanden haben. Da haben wir uns wirklich Sorgen gemacht, ob der Chor das überleben wird. Hätten wir aufgehört, in der Zeit überhaupt mit den Kindern in Kontakt zu sein, wäre es schwierig geworden, den Chor aufrecht zu erhalten. Wir haben die ganze Zeit immer weiter unterrichtet, also online am Rechner. Das war für uns alle furchtbar. Aber wir haben es geschafft, dass die ganzen Gruppen, von den kleinen Kindern über die etwas älteren dabeiblieben. Deshalb konnten wir danach wieder aufbauen. Eine Neugründung nach dieser Zeit hätte so lange gedauert, bis der Chor wieder genug Nachwuchs und genug Sänger gehabt hätte.

Was würdest du sagen, ist es, was dich erfüllt, sodass du sagen kannst, dafür lohnt es sich, so viel Energie und Herzblut in die Arbeit mit den Kindern hineinzustecken?

Breiding: Ich glaube, es sind die Momente im Konzert, wo man merkt, jetzt sind alle ganz aufmerksam. Die gucken wirklich auf die Fingerspitzen und es entsteht ein Klang. Das ist schön, da bekomme ich Gänsehaut und das berührt mich. Wenn das Publikum danach kommt und sagt, "Ich war so gerührt, ich wusste gar nicht, dass Stimmen oder ein Chor so etwas mit mir macht." Ich finde auch diese Jungs toll, die zum Teil kindlich und ganz unbefangen mit Dingen umgehen und offen sind für Vieles. Aber ich schätze auch die Chorgemeinschaft, das Feierabendgetränk mit den Männern danach. Das ist einfach eine sehr schöne Gemeinschaft und auch ein tolles Team hinter den Kulissen.

Die Corona-Zeit war ein großer Einbruch in der Kulturlandschaft. Chöre waren besonders hart betroffen, weil Zusammenkünfte einfach nicht mehr möglich waren in so großer Zahl Das hat euch auch massiv getroffen. Es gab berechtigte Existenzängste. Hat sich der Knabenchor gut erholt von dieser schwierigen Zeit?

Breiding: Ich finde schon. Man hört es dem Chor schon lange nicht mehr an. Wir haben noch ein paar Gruppen, die vielleicht etwas kleiner besetzt sind als früher. Aber ich würde das jetzt gar nicht unbedingt auf die Corona-Zeit schieben wollen, sondern die Kindheit. Was mache ich am Nachmittag? Wie gehe ich mit diesen vielen Anforderungen als Familie um? Das hat sich alles verändert. Das kann man eigentlich gar nicht so sagen. Wir können eigentlich sagen, Corona ist für uns abgehakt. Wir haben das toll überstanden und sind jetzt wieder in alter Blüte.

Schaffen die Kinder das gut in Kombination mit den schulischen Herausforderungen?

Breiding: Es ist eine große Herausforderung, auch für die Familien und Eltern. Da kann ich immer nur Danke sagen, dass das von uuhause unterstützt wird. Es kommt auch vor, dass das Kind müde ist oder nicht so Lust hat auf die Probe. Für mich ist es auch immer ein schönes Erlebnis, wenn die Probe vorbei ist, denn wir proben mit den Konzertchor-Knaben zweimal drei Stunden in der Woche. Das ist viel Zeit. Die Kleineren fangen mit einer Stunde pro Woche an. Aber wenn sie aus der Probe gehen und trällern noch ein Liedchen, was man gerade gesungen hat, ist das ein schönes Kompliment. Die Eltern spiegeln oft zurück, dass die Kinder anfangs noch ein bisschen müde waren, aber sie kamen nach Hause und erzählen, dass es sehr viel Spaß gemacht hat.

Wie ist es mit euren Nachwuchszahlen? Es gibt in Deutschland durchaus Knabenchöre, die sehr um den Nachwuchs kämpfen müssen. Wie ist das bei euch?

Breiding: Wir sind jetzt sehr aktiv. Bei der diesjährigen Aufnahmeprüfung gab es etwas niedrigere Zahlen als sonst. Wir nehmen in der Regel 25 Kinder pro Jahr auf. Man kann eigentlich sagen, gerade wenn sie mit fünf oder sechs Jahren kommen, nehmen wir alle. Der Knabenchor Hannover nimmt erst einmal wirklich jeden und macht dann was draus. Eigentlich erreicht bei uns auch jeder Sänger den Konzertchor. Wenn man wegzieht oder merkt, die Interessenslage verändert sich, dann ist das im beiderseitigen Interesse, dass das Kind etwas anderes macht oder vielleicht einen anderen Schwerpunkt in seiner Freizeit betreibt. Aber das finde ich so großartig an unserer Institution. Ich hoffe, dass Eltern erkennen, was für einen Wert Musik hat. Es ist nicht nur die Musik alleine, sondern auch das Singen, was die Kinder bei uns Knabenchor lernen. Wir nennen das gerne eine Schule fürs Leben. Die Kinder lernen in der Probe eine Dreiviertelstunde das Handy wegzulegen. Sie lernen, dass sie Verantwortung füreinander übernehmen, dass man ein Teil des Klanges ist. Nicht ein Solist macht den tollen Chorklang aus, sondern der Chor als Gesamtheit. Wir haben junge Knaben und ältere Männerstimmen, und die haben wiederum auch miteinander zu tun. Sie passen in der Freizeit aufeinander auf. Es ist eine wirklich wunderbare Gemeinschaft. Somit kann man sagen, in einer prägenden Zeit des Erwachsenwerdens lernen sie mit solchen Dingen wie Disziplin und Verlässlichkeit, sich auch mal zurücknehmen zu können und geduldig zu sein. Das ist, glaube ich, eine Sache, die durch das Medium Musik, den Kindern und Jugendlichen eine Menge bringt, ich glaube, auch fürs ganze Leben.

Das Gespräch führte Beate Scheibe. Einen Ausschnitt davon lesen Sie hier, das ganze Gespräch können Sie oben auf dieser Seite und in der ARD Audiothek hören.

 

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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | NDR Kultur à la carte | 14.04.2025 | 13:00 Uhr

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