Marie Bäumer - erfolgreich und glücklich
Marie Bäumer ist in Deutschland wohl vor allem als Romy Schneider-Darstellerin bekannt. Die in Hamburg aufgewachsene Regisseurin, Festivaldirektorin und Schauspieldozentin hat inzwischen eine weitere Lebensaufgabe gefunden.
Sie gibt Kurse zur Persönlichkeitsentwicklung - mit Pferden. Das klingt nicht nur nach einem vielseitig interessierten Menschen, sondern spiegelt das wider, was die 53-Jährige im Prinzip schon seit ihrer Schulzeit umtreibt: Bloß nicht zu lange in ausgetretenen Pfaden wandern, sondern abseits davon Ausbrüche wagen. "Escapade" heißt entsprechend ihr vor drei Jahren erschienenes Buch.
Mag das Wort im Deutschen eher negativ konnotiert sein im Sinne von "unbesonnen handeln" und "über die Stränge schlagen", so meint Bäumer eigentlich genau das Gegenteil und hat es in einem "Spiegel"-Interview wie folgt beschrieben: "Mit einem Augenzwinkern einen Aufbruch starten, spielerisch einen Sprung aus der gewohnten Fassung wagen."
Marie Bäumers Drang nach Freiheit
Ihre mehrtägigen Coaching-Seminare, die sie "Escapade-Ateliers" nennt und an verschiedenen Orten anbietet (auch schon in Norddeutschland), sind ihr jüngster "Ausbruch" aus der gewohnten Arbeit. Das Ungewöhnliche: Sie bringt dabei Menschen und Pferde zusammen.
"Pferde legen emotional sehr viel frei bei uns. Im Atelier Escapade bewegen sich, innerhalb eines eingezäunten Bereiches, Menschen und Tiere frei, die Pferde sind ohne Halfter und Strick. Wenn jemand erlebt, dass er 500 Kilo nur durch seine Energie bewegen kann, dann ist er überwältigt", sagt Bäumer mit Blick auf Körpersprache und Ausdrucksstärke des Menschen.
"Das Pferd führt uns unmittelbar zu Klarheit und innerem Gleichgewicht." Marie Bäumer
Mit ihrer Methode, die sie als Schauspielerin und Schauspieldozentin entwickelt hat, will sie "innere Blockaden und Schrauben lösen, sowie unterstützen, die eigenen Gefühle zu entdecken und Energien freizulegen. Die Escapade verstehe ich als einen Sprung in ein Abenteuer, als eine Art Aufbruch in die persönliche Freiheit."
Rollen und Filmpreise en masse
Diese Lebenseinstellung, dieser Drang nach etwas anderem prägte Bäumers Leben schon früh. Die gebürtige Düsseldorferin wechselte einst vom Hamburger Gymnasium Blankenese an die Waldorf-Schule in Nienstedten. Dort genoss sie zwar das Lernen ohne Druck und stand erstmals auf einer Theaterbühne, ging aber dennoch zwei Jahre vor dem Abitur von der Schule ab.
Es folgte die Schauspielausbildung an der Scuola Teatro Dimitri im schweizerischen Verscio (bei Ascona) und im Studio 033 in Hamburg. Von 1994 bis 1996 studierte sie an der Hochschule für Musik und Theater Hamburg. In dieser Zeit gelang ihr der Durchbruch mit Detlev Bucks Filmkomödie "Männerpension" (1995). 2002 gewann sie den Filmpreis "Jupiter" als beste Darstellerin in der Winnetou-Parodie "Der Schuh des Manitou".
Ab und zu muss man seine alten Glaubenssätze aussortieren wie alte Kleider. Marie Bäumer
Wer nun glaubte, Marie Bäumer wäre auf Klaumauk und Komödie festgelegt, sah sich schnell getäuscht. Es folgten vielbeachtete Charakterdarstellungen in zahlreichen Filmen, für die sie ebenso zahlreiche Preise einheimste.
Vorläufiger Höhepunkt war 2019 der Deutsche Filmpreis für ihre beeindruckende Darstellung als Romy Schneider in "3 Tage in Quiberon". Auch in ihrer Wahlheimat Frankreich - sie lebt seit 15 Jahren in einem kleinen Dorf in der Nähe von Avignon - ist sie aus vielen TV- und Filmproduktionen bekannt.
Bäumers eigenes Theaterstück an Hamburger Kammerspielen
Stets offen für Neues präsentiert sich Bäumer auch im Theater: Sie spielte in Hamburg und in Salzburg, wo sie die Buhlschaft in Hugo von Hofmannsthals "Jedermann" gab. Sie hat mit "Abschied" ein eigenes Theaterstück geschrieben, bei dessen Inszenierung in den Hamburger Kammerspielen sie selbst Regie führte. In der Hansestadt, aber auch in anderen Städten leitet sie Schauspielkurse und -workshops. Innovative Wege geht sie außerdem seit mehreren Jahren als Festivaldirektorin und Juryleiterin eines Drohnen-Filmfestivals in Deutschland.
"Vergangenheitsverdrängerin" mit starken Kraftquellen
Die kreative Ader habe sie von ihren inzwischen verstorbenen Eltern - die Mutter war Ergotherapeutin, der Vater Architekt - mitbekommen, verriet sie im Interview mit "Bunte quarterly": "Denn eigentlich bin ich pausenlos am Kreieren. Das ist eine meiner stärksten Kraftquellen, aus denen ich schöpfe. Das permanente Gestalten."
Zurück blickt Bäumer, die sich als "Vergangenheitsverdrängerin" bezeichnet, dabei nicht. Sie entrümpelt regelmäßig ihren kompletten Hausstand und empfindet das als "unglaublich befreiend". Die "Dinge des Lebens" plane sie selten, so die Mutter eines mittlerweile erwachsenen Sohns. Von dessen Vater, dem Thalia-Schauspieler Nicki von Tempelhoff, trennte sie sich 2009.
"Ich lasse das Leben auf mich zukommen"
Die Hochphase der Corona-Pandemie, in der sie keine Filme drehen konnte - und auch nicht wollte -, nutzte sie für den Ausbau ihres Lebensmittelpunkts in der Provence, wo jetzt auch ihr "Atelier Escapade" zu Hause ist und ihr Hauptaugenmerk auf der Arbeit mit den Pferden liegt.
Den entscheidenden Bewusstseinsschub dafür bekam sie 2014, als sie für eine TV-Dokumentation auf drei Pferden in den USA von Montana nach Arizona ritt. "Das war für mich der absolute Flash. Da wurde mir klar, ich möchte dieses unermessliche Freiheitsgefühl nicht mehr aufgeben", sagte Bäumer, die inzwischen zwei Hengste und einen Wallach besitzt.
Ich baue mein Leben um die Pferde herum. Sie sind mir das Wichtigste. Marie Bäumer
"Ich lasse das Leben auf mich zukommen und öffne mich seinen vielfältigen Möglichkeiten", sagt die 53-Jährige, die voller Energie in die Zukunft blickt: "Mein Traum ist es, mit den Tieren unterwegs zu sein, mit meinem Atelier durch Europa zu touren. Ich möchte Menschen spontan begegnen, Verbindungen eingehen, Musik machen, tanzen und Leichtigkeit leben! Und die Essenz von all dem möchte ich den Menschen vermitteln." Und ein Filmprojekt zum Thema "Mensch und Pferd" ist natürlich auch dabei.
So darf man auf weitere Eskapaden in Marie Bäumers Leben hoffen. Für sie ist es perfekt: "Ich mache, was ich liebe. Da bin ich ein bisschen so wie Pippi Langstrumpf. Die macht auch nur, was ihr gefällt. Und das macht am Ende doch ziemlich glücklich."