Warum haben wir Angst vor Künstlicher Intelligenz?

Stand: 05.04.2023 12:04 Uhr

Viele Menschen fürchten sich vor den Auswirkungen der KI-Revoltion. Tech-Experten fordern in einem Offenen Brief ein Memorandum für die Entwicklung neuer KI-Modelle. Sind die Sorgen berechtigt?

"Künstliche Intelligenz spiegelt uns. Sie kann sich manchmal sehr menschenähnlich verhalten. Das macht uns Angst, weil es gespenstisch wirkt", sagt der Designer Mark Rolston. Es geht um Macht, Ressourcen und die Frage, wer Wahrheit definiert.

Sarah Spiekermann © NDR
Sarah Spiekermann leitet seit 2009 das Institut für Wirtschaftsinformatik & Gesellschaft an der Wirtschaftsuniversität Wien.

"Wir haben hier eine Intelligenz, die kommt von irgendwo: Man weiß nicht genau, wer die betreibt, wer die kontrolliert", sagt die Wirtschaftsinformatikerin Sarah Spiekermann. "Wenn Sie mich jetzt als Privatperson fragen, habe ich keine Angst vor dieser Technologie. Ich fühle mich der Technologie gewachsen, aber ich fürchte mich für die Gesellschaft." Spiekermann befürchtet, dass KI die Gesellschaft spaltet. In jene, die die Technik beherrschen - und jene, die ihr ausgeliefert sind.

KI wird die Arbeitswelt verändern

KI übernimmt Aufgaben, die bislang Menschen vorbehalten waren - von Callcentern über Journalismus bis Grafikdesign. Möglich scheint noch viel mehr. "KI droht Jobs zu vernichten, die bislang sicher schienen, weil sie mit Denken zu tun haben, Menschenkenntnis oder Wissen", erklärt der Designer Mark Rolston. Trotzdem sieht der US-amerikanische Designer in künstlicher Intelligenz eine riesige Chance. Sie werde das Wissen der Welt für alle verfügbar machen - so umfassend und barrierefrei wie nie zuvor. "Es wird in Zukunft weniger wichtig, grundlegende Fähigkeiten oder großes Wissen zu haben", sagt Rolston. "Man wird aber Talente brauchen, die verstehen, wie man KI benutzt, um etwas zu erreichen. Die Arbeitswelt wird sich dramatisch ändern. Einige Bereiche werden für immer verschwinden."

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Egal ob Mensch oder KI: "Die Idee zählt" 

Jaroslaw Kutylowski © Jaroslaw Kutylowski
Jaroslaw Kutylowski hat Deepl im Jahr 2017 gegründet. Durch neuronale Netze kann das Tool auch Textzusammenhänge analysieren und besser übersetzen.

Das Übersetzungsprogramm Deepl versteht 29 Sprachen. Es basiert auf einer KI, die dem menschlichen Gehirn nachempfunden ist. Das Ziel der Entwicklung: Die Software soll Sprache so denken, wie der Mensch.  

"Eine KI sollte man, sobald sie anfängt komplizierte Aufgaben zu übernehmen, nicht mit einer normalen Maschine vergleichen, sondern tatsächlich mit einem Menschen", sagt Jaroslaw Kutylowski, Gründer und CEO von Deepl. "Wir haben nicht den Einblick, wie tatsächlich unser Gedankengang immer gewesen ist, dass wir auf eine Idee gekommen sind. Und wir müssen ehrlich gesagt auch nicht: Die Idee zählt am Ende."

Schafft KI einen neuen Blick auf Wahrheit?

Doch wenn wir nicht wissen, wie eine Künstliche Intelligenz zu einem Ergebnis kommt, können wir auch nicht einschätzen, wie wir dieses Ergebnis bewerten sollen. Die Programme können nur auf jenes Wissen zugreifen, mit dem sie gefüttert wurden. Ihre Aussagen basieren auf Wahrscheinlichkeiten. Wie erkennt man, ob eine KI falsch liegt? "Möglicherweise werden wir viel kulanter im Umgang mit der Wahrheit werden", befürchtet Spiekermann. Die Frage sei, ob Kulanz im Umgang mit der Wahrheit eine gute Entwicklung innerhalb einer Gesellschaft sei. "KI lügt nicht", entgegnet Mark Rolston. "Sie spielt zurück, was man ihr gesagt hat. Der Fehler liegt am Ende bei uns." 

Schafft KI ein Machtmonopol?

Wenn wir KI beherrschen wollen, müssen ihre Betreiber transparent arbeiten. Sie dazu zu verpflichten, könnte zunehmend schwierig werden, denn schon jetzt verfügen nur wenige große Privatunternehmen über die Ressourcen, die man braucht, um diese Entwicklung voranzutreiben. "Ich bin wirklich an dem Punkt, wo ich nicht mehr weiß, was wir eigentlich noch tun können, gegen diese Machtkonzentration", sagt Sarah Spiekermann. "Die meisten Menschen glauben, dass wir einfach nur ein paar Gesetze erlassen müssen. Andere reden davon, diese Monopole politisch zu zerschlagen - aber das sehe ich im Moment nicht."

Tech-Experten fordern KI-Memorandum

Mehr als 1.000 Experten aus Tech und Forschung - unter ihnen auch Elon Musk - haben in einem Offenen Brief deshalb eine Entwicklungspause für neue KI-Modelle gefordert. Es brauche erst Sicherheitsstandards, um die Gesellschaft vor möglichen Folgen zu schützen.

Damit uns künstliche Intelligenz wirklich weiterbringt, muss sie so gestaltet werden, dass sie dem Menschen dient - und nicht umgekehrt.  "Wir brauchen Vielfalt. Und die wird kommen", sagt Marc Rolston. "Und wir müssen die Wissensdatenbanken dezentralisieren. Die große Vision ist: Es wird KIs geben, mit denen wir interagieren - und die wiederum werden andere KIs anzapfen, die über das Wissen verfügen."

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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur - Das Journal | 04.04.2023 | 22:45 Uhr

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Künstliche Intelligenz (KI)

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