Kampf um Sterbehilfe: Wer darf über ein Leben bestimmen?
Der assistierte Suizid befindet sich in Deutschland momentan in einer rechtlichen Grauzone. Harald Mayer und viele andere möchten das ändern. Sie wollen selbst über ihr Lebensende bestimmen.
Vor 25 Jahren wurde bei Harald Mayer Multiple Sklerose diagnostiziert, eine Autoimmunerkrankung, die bei ihm zu einer fortschreitenden Lähmung führt. Der ehemalige Feuerwehrmann kann sich inzwischen vom Hals ab nicht mehr bewegen und muss daher rund um die Uhr betreut werden. Für jeden Handgriff braucht er einen Pfleger. "Die Krankheit nimmt ihren Lauf. Ich kann die Hände jetzt auch nicht mehr anheben. Wenn die Bettflasche zu heiß ist und auf meinen Händen liegt, kann ich sie nicht runternehmen - ich verbrenne mich, wenn nicht schnell genug der Assistent kommt", erklärt Mayer.
Nicht nur der Körper falle ihm zur Last, das Leben selbst erscheine ihm kaum noch wertvoll. Er hofft auf assistierten Suizid und kämpft vor Gericht um die Herausgabe eines Medikaments, das ihn sanft im Kreis seiner Familie entschlafen ließe. Seit zwölf Jahren beschäftigt er sich nun schon mit dem Thema. "Die Menschen wollen leben, ich ja auch. Aber wir reden hier von Fällen, in denen es nicht mehr erträglich ist - und dann möchte ich das selbst bestimmen", so Mayer.
Rechtlicher Rahmen noch unklar
Doch 2015 hatte der Bundestag die sogenannte Sterbehilfe verboten. Später erklärte das Bundesverfassungsgericht dieses Verbot in einem bahnbrechenden Urteil für rechtswidrig. Nun hat die Politik einige essenzielle Fragen zu klären: Wann darf ein Leben beendet werden? Wer darf dabei helfen?
Auch der Arbeitskreis Selbstbestimmtes Sterben in Oldenburg beschäftigt sich mit der Thematik. Die Mitglieder möchten nach einem erfüllten Leben selbst entscheiden, wann es zu Ende ist. "Der Suizid ist mein letzter Ausweg, wenn es unerträglich wird, und den soll man mir überlassen", findet Käthe Nebel, die sich im Arbeitskreis engagiert.
Beratungspflicht sei "demütigend"
Der Arbeitskreis befürchtet jedoch, dass die Hilfe zum Suizid wieder verboten oder nur nach einer Beratung erlaubt werden könnte. Das halte aber besonders verzweifelte Menschen nicht vom Suizid ab, vermutet Nebel. Stattdessen würden diese ihn dann in der Öffentlichkeit begehen, etwa am Bahnsteig, was unbeteiligte Menschen miterleben müssten. Eine Beratungspflicht findet die 92-Jährige demütigend. Sie möchte ihre Motive nicht irgendwann mit Beratern diskutieren müssen. Für den Fall, dass es zu einer Beratungspflicht kommt, hat sie daher bereits eine "Notlösung", wie sie es nennt, vorbereitet.
Harald Mayer hält ebenfalls nichts von einer möglichen Beratungspflicht. Es gehe nicht um Suizid im Affekt, sondern um einen lange gereiften Entschluss, betont er. "Ich lebe schon, seit ich 27 bin, mit der Diagnose. So lange beschäftigt mich das. Deswegen brauche ich keine Beratung mehr, ich habe mich lange genug beraten."
Wir haben uns im Zusammenhang mit der gesetzlichen Neuregelung der Sterbehilfe dazu entschieden, über das Thema Suizid zu berichten. Leider kann es passieren, dass schwerstkranke Menschen sich nach Berichten dieser Art in der Ansicht bestärkt sehen, dass das Leben wenig Sinn habe. Sollte es Ihnen so ergehen, kontaktieren Sie bitte umgehend die Telefonseelsorge oder andere Anlaufstellen.